Wahlkampf 2013

Schriftliche Anfrage: Aufarbeitung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes

14.04.2010: Der BND beschäftigte lange Zeit Mitarbeiter, die während des Zweiten Weltkrieges am systematischen Morden beteiligt waren. An keiner Person läßt sich diese Kontinuität besser verdeutlichen als an Reinhard Gehlen. Gehlen war während des Krieges Chef des für die Ostfront zuständigen militärischen Abschirmdienstes "Fremde Heere Ost", Chef der BND-Vorgängerorganisation, die seinen Namen trug, und schließlich erster Präsident des BND, den er maßgeblich prägte. Hans-Christian Ströbele fragt in diesem Zusammenhang, warum die Bundesregierung keine Anstrengungen unternimmt, die Geschichte des bundesdeutschen Auslandsgeheimdienstes systematisch aufzuarbeiten. Eine Öffnung der Geheimarchive ist nötig.

Frage:

Welche "massiven, sicherheitlichen Bedenken" hat das Bundeskanzleramt gegen die systematische Aufarbeitung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes und seiner Vorläuferorganisation "Organisation Gehlen" geltend gemacht (Meldung FAZ vom 18. März 2010), und wie rechtfertigt die Bundesregierung, dass damit die öffentliche Information und Diskussion darüber erheblich behindert, wenn nicht verhindert wird, in welchem Umfang der bundesdeutsche Auslandsgeheimdienst viele Jahre lang zahlreiche Mitarbeiter beschäftigt hat, die während des Krieges bis 1945 an der Ermordung von Tausenden von Menschen in Polen und der Sowjetunion beteiligt gewesen sein sollen?

Antwort des Bundesministers für besondere Aufgaben Ronald Pofalla vom 14. April 2010:

Das Bundeskanzleramt befürwortet eine systematische Aufarbeitung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes. Entscheidungen über die Offenlegung bislang vertraulich behandelter Unterlagen von Sicherheitsbehörden sind Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Nutzung der Unterlagen, der damit möglicherweise verbundenen Beeinträchtigung von Sicherheitsbelangen, entgegenstehender schutzwürdiger Belange Dritter sowie der Arbeitsfähigkeit der Behörde. Die Entscheidung über die Offenlegung obliegt der jeweiligen Sicherheitsbehörde, in dem der Frage zugrunde liegenden Fall, also dem Bundesnachrichtendienst. Bei der Entscheidung des Bundesnachrichtendienstes, das in dem "FAZ"-Artikel angesprochene konkrete Konzept zur Aufarbeitung seiner Geschichte nicht weiter zu verfolgen, haben aber neben Sicherheitsüberlegungen auch finanzielle, personelle und rechtliche Überlegungen eine Rolle gespielt. Die Entscheidung des Bundesnachrichtendienstes wurde unter sorgfältiger Abwägung aller Aspekte getroffen, das Bundeskanzleramt hat sich dem angeschlossen. Eine systematische Aufarbeitung seiner Geschichte wird aber weiterhin vom Bundesnachrichtendienst angestrebt. Das Bundeskanzleramt unterstützt ihn dabei. Im Übrigen hat der Bundesnachrichtendienst bereits in den 60er- Jahren eine umfassende Überprüfung seiner Mitarbeiter bezüglich nationalsozialistischer Belastungen vorgenommen und dabei mit den Strafverfolgungsbehörden eng zusammengearbeitet (zu Einzelheiten vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 16/7063 vom 3. Dezember 2007).