Wahlkampf 2013

Mündliche Frage: Beteiligung der Banken an der Finanzkrise

01.12.2010: Finanzkrise in Irland - viele deutsche Banken profitieren von der Rettung irischer Banken. Die Bundesregierung sagt, dass es kein "Schlaraffenland für Banker" geben soll - ist damit nicht Deutschland gemeint?

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Frage: Warum hat die Bundesregierung bisher nicht die Gewährung von Garantien und Krediten in Milliardenhöhe aus Steuermitteln an Staaten wie jetzt an Irland und vorher an Griechenland oder an Finanzinstitute in Deutschland von Auflagen und Bedingungen abhängig gemacht, dass die privaten Geldhäuser, die von solchen Hilfen letztlich profitieren, durch Zahlungen oder durch Kreditausfall an der Lösung der Schuldenkriste beteiligt werden, und welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung kurzfristig und zeitnah unternehmen, um der Forderung der Bundeskanzlerin Rechnung zu tragen, die Finanzindustrie solle beim Lösen der Schuldenkrise Verantwortung übernehmen (Handelsblatt, 24. November 2010)?

Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Ströbele, während der Finanzkrise war die Bundesregierung gefordert, unmittelbar zu reagieren, um die Märkte schnell zu beruhigen und einzelne systemrelevante Institute zu stabilisieren. Inzwischen hat die Bundesregierung auf der G-20-Ebene, auf europäischer Ebene, aber auch national eine ganze Reihe von Maßnahmen angestoßen, durchgesetzt und im nationalen Bereich auch schon umgesetzt, um diese Verantwortung des Finanzsektors für die Bewältigung der Finanzmarktkrise und ihrer Auswirkungen auf die Realwirtschaft sicherzustellen.

Herr Kollege Ströbele, ich darf nur darauf verweisen, dass wir den Finanzsektor durch die Einführung der Bankenabgabe, mit der ein Restrukturierungsfonds finanziert wird, stärker zu den Kosten der Bewältigung von Bankenschieflagen heranziehen werden. Deutschland hat sich auch auf der G-20-Ebene erfolgreich dafür eingesetzt. Es ist jetzt in Seoul beim G-20-Gipfel bestätigt worden, dass die Eigenkapitalvorschriften für Banken wesentlich verschärft werden, damit die Banken in Zukunft mit dem für ihre Transaktionen notwendigen Eigenkapital ausgestattet sind. Sie fragen auch danach, inwieweit zum Beispiel im Hinblick auf Griechenland und Irland bei der Lösung, die jetzt auf europäischer Ebene mit dem IWF vorangebracht worden ist, der Finanzsektor Verantwortung übernimmt. Ich darf Ihnen im Hinblick auf das, was jetzt in Irland auf den Weg gebracht worden ist, zum Beispiel mitteilen, dass in Irland der Finanzsektor auch dadurch beteiligt wird, dass bei der Restrukturierung des Bankensektors die Einbeziehung des Privatsektors bereits gegeben ist. So sind die Aktionäre der Banken in Irland durch die Hilfe praktisch enteignet worden. Es ist beabsichtigt, für die Gläubiger nachrangiger Bankanleihen hohe Abschläge zu machen. Bei der schon seit längerem vollständig verstaatlichten Anglo Irish Bank kam es bereits für einen Teil der nachrangigen Anleihen zu einem Abschlag von 80 Prozent. Sie wissen, Herr Kollege Ströbele, dass es der Bundesregierung in den vergangenen Monaten auf europäischer Ebene gelungen ist, die europäischen Partner davon zu überzeugen, dass sich aus dem derzeitigen europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus aus EFSM und EFSF - das sind die beiden Instrumente, die uns jetzt auf europäischer Ebene für die Bewältigung der Krise im Hinblick auf Griechenland und Irland zur Verfügung stehen - ein auf Dauer angelegter Krisenbewältigungsmechanismus entwickeln soll, um die Gefährdungen für die Finanzstabilität der Euro-Zone insgesamt auch in Zukunft abwenden zu können. Dabei ist die Beteiligung des Privatsektors als ein wesentliches Elementdes permanenten Krisenbewältigungsmechanismus vorgesehen.

Ströbele Danke, Herr Staatssekretär. Das war schon ein bisschen. Aber ich habe eigentlich auch die deutschen Banken gemeint. Können Sie bestätigen, dass die Bundesregierung auf dem Arbeitgebertag letzte Woche davon gesprochen hat, dass es kein "Schlaraffenland für Banker" geben dürfe und dass mit "Schlaraffenland für Banker" die Bundesrepublik Deutschland gemeint war? Welche Inanspruchnahme deutscher Banken, die gerade von der beabsichtigten Rettung Irlands aus Steuergeldern profitieren würden, ist vorgesehen? Welchen Anteil an den riesigen Verlusten, die verschmerzt werden müssen, nehmen die Deutsche Bank, aber auch andere deutsche Großbanken auf sich, vor allen Dingen angesichts dessen, dass trotz der Finanzkrise oder nach dem Abflauen der Finanzkrise die deutschen Großbanken wie die Deutsche Bank wieder erhebliche Profite einstreichen können, die zu erheblichen Erhöhungen etwa der Boni bei den Banken geführt haben? Wann sind die deutschen Banken dran?

Hartmut Koschyk, Herr Kollege Ströbele, ich habe davon gesprochen, dass es der Bundesregierung gelungen ist, auf europäischer Ebene Zustimmung dafür zu finden, dass wir einen auf Dauer angelegten Krisenbewältigungsmechanismus entwickeln werden. Das war ein schwieriges Unterfangen, weil es auch bei anderen Mitgliedstaaten starke Bedenken gegeben hat, diesen dauerhaften Krisenbewältigungsmechanismus so auszugestalten, dass in Zukunft auch der Privatsektor eingezogen wird. Wenn diese Maßnahmen, die jetzt noch vom Europäischen Rat abschließend gebilligt und in entsprechendes Vertragsrecht gekleidet werden müssen, greifen, dann werden alle Banken und Finanzinstitute bei der Bewältigung künftiger Krisen in einem abgestuften Verfahren mit herangezogen und entsprechend in die Verantwortung genommen werden.

Ströbele Ist es richtig, dass erst ab dem Jahr 2013, also in knapp drei Jahren, tatsächlich die Chance besteht, dass beispielsweise die deutschen Großbanken in Anspruch genommen werden könnten?

Hartmut Koschyk

Die Rechtslage ist so, dass die gegenwärtig auf europäischer Ebene eingerichteten Instrumente - sowohl EFSM als auch EFSF, der Rettungsschirm, die Zweckgesellschaft - die Einbeziehung des privaten Sektors nicht vorsehen. Es war, als im Hinblick auf Griechenland dringend zeitnah gehandelt werden musste, nicht möglich, dafür Mehrheiten auf europäischer Ebene zu gewinnen, um bei den bereits vorhandenen Instrumenten den Privatsektor einzubeziehen. Ich habe Ihnen am Beispiel Irlands deutlich gemacht, dass das in Irland der Fall ist, auch durch die Art und Weise, wie irische Banken verstaatlicht worden sind, und auch dadurch, dass sie in erheblicher Weise zur Bewältigung der Bankenkrise in Irland beitragen müssen. Selbstverständlich wird die Bundesregierung darauf bestehen, dass der zukünftige Krisenbewältigungsmechanismus, der ab dem Jahr 2013 die bisherigen Instrumente ablösen wird, nur unter Einbeziehung des Privatsektors zustande kommt. Nach der Einigung, die auf der Ebene der Finanzminister am vergangenen Wochenende unter Einbeziehung von Kommission, EZB und des Ratspräsidenten Van Rompuy erreicht worden ist, bestehen gute Chancen, Herr Kollege Ströbele, dass das auch das Ergebnis des Europäischen Rates im Dezember sein wird.