Wahlkampf 2013

Mündliche Frage: Griechenlandhilfe - unter welche Bedingungen?

19.05.2010: Unter welchen Bedingungen wird die Griechenlandhilfe ausgezahlt? Werden die Banken an den Verlusten beteiligt?

Frage:

Welche Angaben macht die Bundesregierung über die Höhe und die konkreten Bedingungen - Zinshöhe, Rückzahlung und deren Rang - der durch staatliche deutsche Garantien abgesicherten Kredite, die im Rahmen der am 7. Mai 2010 vom Deutschen Bundestag beschlossenen "Griechenlandhilfe" bis zum 19. Mai 2010 ausgezahlt werden, und warum stehen diese Kredite im Rang nicht vor den bisherigen Krediten privater Gläubiger?

Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen:

Die Frage des Kollegen Ströbele möchte ich gerne wie folgt beantworten: Am 18. Mai wurde die erste Tranche des finanziellen Hilfsprogramms für Griechenland vonseiten der Euro-Mitgliedstaaten mit einem Nennbetrag von 14,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Auf Deutschland, für das die Kreditanstalt für Wiederaufbau die Ausreichung vornimmt, entfällt ein Betrag von 4,43 Milliarden Euro. Generell wurden für jedes Jahr als Zinstermine der 15. März, der 15. Juni, der 15. September und der 15. Dezember festgelegt. Der Zinssatz wird generell auf der Grundlage des Drei-Monats-EURIBOR ermittelt. Das ist der Zinssatz, zu dem die Banken sich untereinander innerhalb der Euro-Zone Kredite gewähren. Für die erste sogenannte unterbrochene Zinsperiode, die den Zeitraum vom Auszahlungsdatum, also dem 18. Mai, bis zum 15. Juni, dem ersten regulären Zinstermin, umfasst, wurde hiervon abweichend der Ein-Monats-EURIBOR vom 14. Mai 2010 als maßgeblicher Zinssatz bestimmt. Dazu kommt ein Aufschlag von 300 Basispunkten. Dies ergibt einen Zinssatz von 3,42 Prozent.

Darüber hinaus wird vom Auszahlungsbetrag eine Verwaltungsgebühr von einem halben Prozent für die beim Kreditgeber anfallenden Kosten einbehalten. Die Zinszahlungen werden anteilig an die beteiligten Darlehensgeber verteilt. Nach einer tilgungsfreien Zeit von drei Jahren, Herr Kollege Ströbele, wird das Darlehen in acht vierteljährlichen Zahlungen in Höhe von jeweils 1,8125 Milliarden Euro getilgt. Die erste Tilgung wird zum 15. Juni 2013 erfolgen, die letzte zum 15. März 2015. Das heißt, dass die Tilgung in einem Zeitraum von weniger als zwei Jahren nach Ablauf der tilgungsfreien Zeit erfolgen wird.

Laut Darlehensvertrag begründet jedes Darlehen eine ungedeckte, direkte, bedingungslose, nicht nachrangige und allgemeine Verbindlichkeitserklärung des Darlehensnehmers und ist mindestens gleichgestellt mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen ungedeckten und nicht nachrangigen Darlehen und Verbindlichkeiten des Darlehensnehmers.

Die Darlehensgeber im Rahmen des finanziellen Hilfsprogramms für Griechenland sind untereinander gleichrangig. Lediglich die Darlehen des Internationalen Währungsfonds haben eine vorrangige Sicherung. Dies entspricht dem seit Gründung des Internationalen Währungsfonds weltweit üblichen Verfahren bei ähnlichen Unterstützungen durch den Internationalen Währungsfonds. Dieser bevorrechtigte Gläubigerstatus wird Einzelstaaten oder einer Gruppe von Einzelstaaten in der bisherigen Rechts- und Kreditpraxis globaler Finanzierungen nicht zugesprochen.

Ströbele:

Danke, Herr Präsident. - Das leuchtet mir nicht so ganz ein, Herr Staatssekretär. Die Situation ist doch folgende: Griechenland ist pleite, könnte also die Gläubiger, insbesondere die Großbanken - die deutschen sollen mit über 30 Milliarden Euro beteiligt sein -, nicht bedienen. Wenn die Kredite jetzt also nicht fließen würden, würden sie nichts bzw. im Falle eines Insolvenzverfahrens das bekommen, was noch im Korb ist: 20, 40 oder 50 Prozent. Jetzt springt, nachdem das Parlament das so beschlossen hat, der deutsche Steuerzahler ein, und die Bundesregierung reicht das Geld aus. Dann werden wiederum die Großbanken bedient, mit Rückzahlungen bzw. mit Zinsen, möglicherweise mit Boni oder was auch immer da vereinbart wurde. Halten Sie das für eine gegenüber dem Steuerzahler zu rechtfertigende Lösung? Der Steuerzahler hat ja eigentlich mit der ganzen Geschichte nichts zu tun. Er will auch keine Geschäfte mit Griechenland machen. Eigentlich hätte er, wenn überhaupt, das Geld lieber für andere Zwecke in Deutschland ausgegeben. Nun wird er in die Position eines Gläubigers gebracht und ins Obligo genommen; aber die Großbanken, die volles Risiko gefahren sind und möglicherweise viel Geld damit verdient haben, werden nicht entsprechend zur Verantwortung gezogen.

Kampeter: Herr Kollege Ströbele, die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der hier gewählte Weg die für den Steuerzahler angemessene Lösung ist, weil es vermutlich die preiswerteste Möglichkeit der Stabilisierung der Euro-Zone insgesamt ist. Der von Ihnen angesprochene Alternativweg, nämlich die Staatsinsolvenz Griechenlands und damit Vergleichsverhandlungen über die Verbindlichkeiten gegenüber der hellenischen Republik, würde über die beteiligten Banken, von denen einige unmittelbar oder indirekt in staatlichem Besitz sind, zu unmittelbaren Nachschusspflichten für den Steuerzahler und die Steuerzahlerin bzw. zur Bilanzbereinigung führen.

Die Behauptung, dass die Staatsinsolvenz Griechenlands eine im Vergleich zum gewählten Weg für den Steuerzahler vertretbare Lösung ist, teilt die Bundesregierung nach Abwägung aller Sachargumente nicht.

Ströbele:

Da kann ich Ihnen immer noch nicht folgen. Sie haben selber gesagt, es gebe durchaus vorrangig zu bedienende Gläubiger; Sie haben den IWF erwähnt. Können Sie sagen, warum der IWF vorrangig bedient wird und der deutsche, der niederländische oder der französische Steuerzahler nicht?

Kampeter: Herr Kollege Ströbele, um noch einige ergänzende Hinweise zum Verständnis des Sachverhalts zu geben: Grundsätzlich gilt, dass alle Gläubiger gleich bedient werden.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das sagten Sie bereits!)

Das ist eine Regelung, die ausgehandelt wurde und Bestandteil des Kreditvertrags ist. Das heißt, wir als europäische Beteiligte zahlen den Kredit gemeinsam mit dem IWF aus, und die Rückzahlung dieses bei der Europäischen Union gepoolten Kredits erfolgt entsprechend der Einzahlung. Wenn Sie den Prozess der regulären Bedienung des Kredites betrachten, werden Sie feststellen, dass es zu keiner Benachteiligung des deutschen Steuerzahlers gegenüber den Leistungen, die der Internationale Währungsfonds erhält, kommt.