Wahlkampf 2013

Mündliche Frage: Pläne zur Einforderung der während der Finanzkrise gewährten Unterstützungsleistungen für die Automobilindustrie

11.03.2011: Im ersten Jahr der Finanzkrise hat die Bundesregierung direkte bzw. indirekte Subventionen und Unterstützungsleistungen den Autoherstellerfirmen gewährt. Mittlerweile fahren einige dieser Firmen wieder außerordentliche Gewinne ein, ohne Rückzahlungen geleistet zu haben.

Plant die Bundesregierung von den Autoherstellerfirmen in Deutschland Rückzahlungen von direkten bzw. indirekten Subventionen und Unterstützungsleistungen einzufordern, die diesen im ersten Jahr der Finanzkrise etwa durch die milliardenteure Abwrackprämie aus Steuermitteln gewährt wurden, nachdem einige dieser Firmen jetzt außerordentliche Gewinne in dreistelliger Milliardenhöhe an ihre Aktionäre ausschütten, und wenn nein, warum nicht, angesichts der knappen öffentlichen Kassen und der Finanznot von Ländern und Kommunen?

Antwort durch

Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Ströbele, Sie hatten gefragt, ob "die Bundesregierung von den Autoherstellerfirmen in Deutschland Rückzahlungen von direkten bzw. indirekten Subventionen und Unterstützungsleistungen" einfordert, "die diesen im ersten Jahr der Finanzkrise etwa durch die … Abwrackprämie aus Steuermitteln gewährt wurden", nachdem diese Unternehmen, wie Sie in Ihrer Frage ausführen, "jetzt außerordentliche Gewinne in dreistelliger Milliardenhöhe an ihre Aktionäre ausschütten". (Manfred Grund [CDU/CSU]: Hört! Hört! Dreistellige Milliardenhöhe!)- Ich habe nur aus der Frage des Kollegen Ströbele zitiert, damit die Kollegen, aber auch die Besucherinnen und Besucher wissen, was der Herr Kollege gefragt hat. Ich mache mir diese Einschätzung natürlich nicht zu eigen. Sehr geehrter Herr Kollege Ströble, grundsätzlich gilt: Rückzahlungen würden das Vertrauen der Unternehmen, aber auch der Bürger in derartige Maßnahmen erheblich beschädigen und die Wirksamkeit beeinträchtigen. Die Umweltprämie ist ein Bestandteil des durch die Bundesregierung aufgestellten konjunkturpolitischen Programms gewesen. Eine rechtliche Grundlage für eine nachträgliche Beteiligung besteht nicht. Im Einzelnen halten wir eine Rückzahlung aus folgenden Gründen für problematisch: Die Umweltprämie wurde den Automobilkäufern, den Bürgern, ausgezahlt und kam der Automobilwirtschaft somit nur mittelbar zugute. Daher kann sie nicht im Nachhinein von der Wirtschaft zurückgefordert werden. Auch haben die deutschen Hersteller in sehr unterschiedlichem Maße mittelbar von dieser Prämie profitiert. Im Wesentlichen haben die Volumenhersteller zusammen mit ihren Lieferanten und ihren Händlern von der durch die Umweltprämie induzierten Nachfrage profitiert, während insbesondere die Hersteller der deutschen Premiumfahrzeuge kaum Absatzzuwächse durch sie verzeichnen konnten. Das sind aber genau diejenigen Unternehmen, die jetzt mit guten Geschäftszahlen und guten Ergebnissen glänzen. Lieber Herr Ströbele, dem Gedanken, der Ihrer Frage zugrunde liegt, entsprechend, müssten wir uns nicht nur an die Automobilhersteller wenden, sondern an den gesamten Kfz-Handel. Wir müssten uns auch an ausländische Hersteller wenden. Allein das zeigt, dass der von Ihnen vorgeschlagene Weg für die Bundesregierung aus rechtlichen, aber auch aus politischen Gründen nicht infrage kommt. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist dem Ströbele egal!) Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bedanke mich für die Beantwortung der Frage, obwohl Millionen und Milliarden darin ein bisschen durcheinandergeworfen wurden. Das kann man angesichts der Summen, die europaweit als Hilfen vergeben werden, vielleicht verstehen und nachvollziehen, wenn es dadurch auch nicht richtig wird. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Das kann der Opposition schon einmal passieren!) Meine Frage zielte darauf, ob Sie direkte oder indirekte Subventionen, die gewährt worden sind, ausgleichen. Ich habe das "Rückzahlungen" genannt. Man kann damit aber auch auf andere Weise umgehen. Meine Nachfrage: Das Besondere unseres kapitalistischen Systems ist, dass die Unternehmer ein Risiko tragen. Wenn dann das Risiko zu groß wird, kann das bedeuten, dass die betreffende Firma Geld verliert oder sogar nicht mehr existiert. Dieses Risiko hat man den Aktionären abgenommen, indem man sie mit Steuermitteln massiv unterstützt hat. Man kann sich darüber streiten, ob das richtig oder falsch war, aber jedenfalls ist es geschehen. Halten Sie es für richtig, dass die Unternehmen nun riesige Gewinne machen und an die Aktionäre ausschütten, obwohl man ihnen einen großen Teil des Risikos abgenommen hat? Möglicherweise würde sonst die eine oder andere Firma nicht mehr in der Form existieren wie zuvor. Gibt es keine rechtlichen Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass der Steuerzahler zum Beispiel in Form von Sonderabgaben - das muss man nicht Rückzahlung nennen- etwas von dem, was er diesen Unternehmen gegeben bzw. - so möchte ich das bezeichnen - geliehen hat, zurückbekommt? Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ströbele, der Steuerzahler bekommt dadurch etwas zurück, dass diese Unternehmen, wenn sie jetzt gute Erträge haben, entsprechend Steuern zahlen. Der Steuerzahler hat auch etwas davon, dass wir den Unternehmen durch diese Maßnahmen über die Krise hinweggeholfen und es ihnen ermöglicht haben, das Beschäftigungsniveau zu halten. Das heißt, es ist nicht zu zusätzlicher Arbeitslosigkeit gekommen. Zusätzliche Arbeitslosigkeit in erheblicher Höhe hätte nicht allein aus den Beitragsmitteln der Bundesagentur für Arbeit, sondern auch aus Steuermitteln finanziert werden müssen. Würde man Ihren Gedanken, die Logik Ihres Vorschlags fortführen, Herr Kollege Ströbele, dann müssten wir uns zum Beispiel fragen: Was machen wir eigentlich, wenn wir Unternehmen fördern, die im Bereich der Windkraft sehr gute Erträge erzielen? (Zuruf von der CDU/CSU) Sollten wir dann, wenn Windkraftunternehmen und Windkraftanlagenhersteller sehr gute Erträge erzielen, die Förderbeträge von diesen Unternehmen zurückfordern? (Zuruf von der CDU/CSU: Als Spende an die Grünen!) Sie bemerken sicherlich, dass der logische Ansatz Ihrer Überlegung zu Weiterungen führen würde, denen die Bundesregierung nicht nachkommen möchte. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Gegensatz zu Ihnen fallen mir in diesem Zusammenhang nicht in erster Linie die erneuerbaren Energien als Beispiel ein, (Zuruf von der FDP: Glaube ich!) sondern die Kernenergie, in die ungeheuer viel investiert worden ist. Da hier die Unternehmen praktisch als Gelddruckmaschinen funktionieren, frage ich, ob man dem Steuerzahler nicht etwas zurückgeben könnte. Aber das will ich jetzt nicht vertiefen. Meine Frage lautet: Wird denn daran gedacht, in Zukunft Rückzahlungsvereinbarungen mit staatlich unterstützten privaten Industrieunternehmen zu schließen, die Profite machen und Dividenden ausschütten? Das scheint mir als normal denkender Mensch, als Steuerzahler und Abgeordneter eigentlich gerecht zu sein. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Ströbele, man wird sicherlich generell überlegen müssen, welche Konsequenzen man aus den Maßnahmen, die die Bundesregierung zur Abfederung der volkswirtschaftlichen Folgen der Finanzmarktkrise getroffen hat, zieht. Ich will einen Bereich nennen. Um in Zukunft bei Schieflagen von Banken nicht gleich wieder den Steuerzahler in Haftung zu nehmen, haben wir entschieden, eine Bankenabgabe zu erheben, mit der ein Restrukturierungsfonds zur Lösung künftiger Schieflagen von Banken finanziert werden soll. Sie sehen an den verschiedenen Stabilisierungsmaßnahmen, dass die Bundesregierung durchaus Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise zieht. Die Bankenabgabe ist eine solche Konsequenz. Sicherlich wird man darüber nachdenken müssen, ob man in zukünftigen Krisen ähnlich stabilisierende Maßnahmen wie in der Vergangenheit ergreifen wird. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf die Banken kommen wir noch zurück.