Wahlkampf 2013

Antwort der Bundesregierung zur Frage der vermehrten Abschiebungen von Flüchtlingen aus Afghanistan

04.11.2015: Hans-Christian Ströbele stellte eine Frage zur Aussage des Bundesinnenministers Thomas de Maizière, dass Flüchtlinge aus Afghanistan vermehrt abgeschoben werden sollen. Deutschland ist seit 13 Jahren in Afghanistan am Krieg beteiligt und die afghanische Regierung im Gegenteil um eine vermehrte Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen bat. Der Staatssekretär erklärte dazu, die Sicherheitslage in verschiedenen Regionen sei sehr unterschiedlich, einige Regionen seien stabil. Daher seien Abschiebungen, wenn auch nicht in jedem Einzelfall, möglich.

In der Fragestunde am 04.11.15 stellte Hans-Christian Ströbele folgende Frage:

"Wie bewertet die Bundesregierung die Auffassung des Bundesministers des Innern, Dr. Thomas de Maizière, Flüchtlinge aus Afghanistan sollten vermehrt abgeschoben werden, angesichts dessen, dass Deutschland sich seit 13 Jahren am Krieg im Land beteiligt und dass die Regierung dort keineswegs - wie behauptet - mit der Abschiebung einverstanden ist, sondern der Minister für Flüchtlingsangelegenheiten, Alimi Balki, die deutsche Regierung ausdrücklich gebeten hat, keine afghanischen Asylbewerber abzuschieben, sondern mehr afghanische Flüchtlinge aufzunehmen (vergleiche www.tagesschau.de/ausland/demaiziere-afghanistan-101.html [www.tagesschau.de/ausland/demaiziere-afghanistan-101.html] vom 28. Oktober 2015), und teilt die Bundesregierung die Ansichten des Ministers, weil das Land so viel Entwicklungshilfe erhalten habe, erwarte man, dass die Flüchtlinge dort bleiben, und es gebe auch sichere Gegenden (vergleiche www.tagesschau.de/ausland/demaiziere-afghanistan-101.html vom 28. ­Oktober 2015), trotz der Eroberung von Kunduz im Handstreich und der steigenden Zahl von Toten und Verwundeten im ganzen Land sowie dem Erstarken des "Islamischen Staats" im Osten (vergleiche www.zeit.de/politik/ausland/2015-10/abschiebung-fluechtlinge-afghanistansicherheitslage [www.zeit.de/politik/ausland/2015-10/abschiebung-fluechtlinge-afghanistansicherheitslage] vom 28. Oktober 2015)?"

Darauf antwortete Dr. Günter Krings für das Bundesministerium des Innern: "Es ist nicht nur eine Frage zum gleichen Themenkomplex, sie gleicht in der Essenz der http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/18/18132.pdf#page=27 [Frage 31] des Kollegen Nouripour. Deshalb wird sich die Antwort auch sehr ähnlich anhören. Ich wiederhole: Die Sicherheitslage in Afghanistan weist deutliche regionale Unterschiede auf. Das Problem des Landes ist: Es ist sehr groß und heterogen, auch von seinen ethnischen Strukturen her, was es schwierig macht, eine dauerhafte Zentralregierung zu etablieren. Das zeitigt auch der Unterschied hinsichtlich der Sicherheitslage in den Regionen. Regionen mit aktiven Kampfhandlungen - Kunduz wurde mehrfach genannt - stehen anderen gegenüber, die trotz punktueller Sicherheitsvorfälle - die es auch dort gibt -, vergleichsweise stabil sind. Ich habe eben die drei Regionen aufgezählt; das spare ich mir nun. Dabei können - ich betone es noch einmal - keine pauschalen Aussagen über einzelne Landesteile getroffen werden. Vielmehr muss die Gefährdung jeweils im Hinblick auf den spezifischen Fall und die Lage beurteilt werden."

Hans-Christian Ströbele durfte zwei weitere Nachfragen stellen: "Danke. - Sie haben recht: Die Frage hätte ich mir selber beantworten können. Ich habe gefragt, ob die Bundesregierung die Ansicht des Innenministers teilt, dass Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgeführt werden können, weil Deutschland so viel Entwicklungshilfe geleistet hat. Dass jetzt ausgerechnet jemand vom Innenministerium über seinen Chef sagen soll, ob die Bundesregierung diese Auffassung teilt, finde ich schon etwas seltsam; das hätte ich vielleicht besser beantworten können. Aber das ist jetzt eine Bemerkung, die sich aufdrängt. Meine Frage lautet: Hat die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass wir in Afghanistan, in Kunduz, seit 13 Jahren Krieg führen, nicht eine besondere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Menschen, die gerade aus der Gegend um Kunduz kommen, hier in Deutschland bleiben können, weil sie nach 13 Jahren Krieg in Afghanistan offenbar nicht sicher sind?"

Dr. Günter Krings: "Zunächst einmal teilt die Bundesregierung die Auffassung des Innenministers, dass Rückführungen nach Afghanistan möglich sind - nicht in jede Region, nicht in jedem Einzelfall, aber sie sind möglich. Dann hat niemand eine Kausalität aufgemacht, auch der Innenminister nicht, nach der, nur weil es Entwicklungshilfe gibt, Rückführungen möglich sind. Vielmehr hat die Entwicklungshilfe dazu geführt - so ist das offensichtlich gemeint -, dass sich die Lage in einigen Regionen verbessert hat, und aus dem Grund ist eine Rückführung möglich. Man muss schon ein wenig mitdenken. Verstehendes Lesen ist immer besser als ein tumbes Lesen. Das zum ersten Teil Ihrer Frage. Der zweite Teil Ihrer Frage bezog sich auf den Krieg. Sie haben gesagt, dass die Bundesrepublik an kriegerischen oder ähnlichen Handlungen beteiligt ist, in einer Region auch an der Befreiung von den Taliban. Das stimmt. Dazu, dass Personal, das - ich sage das einmal etwas weit gefasst - für Deutschland gearbeitet hat, gefährdet ist, habe ich eben schon etwas gesagt: Es gibt Wege und Möglichkeiten, diese Menschen nach Deutschland zu bringen. Aber es gibt - wenn Sie das insinuiert haben sollten - keine allgemeine völkerrechtliche "Ingerenzpflicht", aufgrund der Teilnahme an kämpferischen, kriegerischen Handlungen die gesamte Bevölkerung dieses Landes aufzunehmen. Das sieht das Völkerrecht nicht vor. Es gibt gar keinen Grund, eine so pauschale Aussage zu machen." Hans-Christian Ströbele: "Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, dass, weil Entwicklungshilfe gegeben worden ist, vielleicht sogar viel Entwicklungshilfe - unabhängig von ihrer Effektivität in Bezug auf die Sicherheit -, Menschen, die sich in Afghanistan bedroht sehen, schon aus Dankbarkeit gegenüber Deutschland dort bleiben müssen, dass sie nicht nach Deutschland kommen dürfen?"

Dr. Günter Krings: "Das hat niemand gesagt, auch ich nicht."

Das Protokoll der Sitzung finden Sie http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/18/18132.pdf#page=29 [hier]. Das Video der Sitzung finden Sie http://www.bundestag.de/mediathek/?isLinkCallPlenar=1&action=search&contentArea=details&ids=6095126&instance=m187&categorie=Plenarsitzung&mask=search [hier].