Wahlkampf 2013

Richtet sich der Bundeswehreinsatz in der Ägäis gegen Flüchtlinge?

17.02.2016: Welche konkreten Aufgaben hat die Bundeswehr im Rahmen des NATO-Einsatzes in der Ägäis und wie wird sichergestellt, dass sich der Einsatz nicht gegen Flüchtlinge richtet? , fragte Hans-Christian Ströbele in der Fragestunde am 17.02.2016 die Bundesregierung.

Frage von Hans-Christian Ströbele: "Welche Angaben macht die Bundesregierung zum geplanten und von der NATO beschlossenen Einsatz der Bundesmarine im Rahmen der NATO in der Ägäis, insbesondere zu den konkreten Aufgaben der Bundeswehr, dessen Zielen und dessen Rechtsgrundlage, aber auch zu der Ausstattung und Bewaffnung der eingesetzten Schiffe der Bundesmarine, und wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass sich der Einsatz nicht gegen die Flüchtlinge auf ihrer Flucht vor Krieg und Verfolgung aus der Türkei nach Europa, insbesondere nicht gegen deren Freiheit und Freizügigkeit, die ihnen auch durch deutsches, europäisches und internationales Recht garantiert werden, richtet und auswirkt?

Antwort des parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ralf Brauksiepe: "Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Ströbele, während des Verteidigungsministertreffens am 10. Februar 2016 haben Griechenland, die Türkei und Deutschland die NATO um Unterstützung bei der Flüchtlings- und Migrationskrise gebeten. Die NATO-Verteidigungsminister haben am 11. Februar den Supreme Allied Commander Europe - kurz: SACEUR - beauftragt, Maßnahmen zur Unterstützung zu entwickeln. Auf der Grundlage der bisherigen Autorisierungen hat SACEUR angewiesen, den Ständigen Marine-Einsatzverband 2 der NATO in die Ägäis zu verlegen. Derzeit ist beabsichtigt, spätestens bis zum 24. Februar 2016 den NATO-Rat mit den weiteren militärischen Planungen zu befassen. Der beauftragte NATO-Verband wird derzeit durch Deutschland geführt. Es besteht die Absicht, diesen Verband mit der Aufklärung, Überwachung und Beobachtung des Seegebietes zwischen den Küsten der Türkei und Griechenlands zu beauftragen. Der deutsche Einsatzgruppenversorger "Bonn" ist ausgestattet mit Navigationsradar sowie TV- und Infrarotkamera. Seine Grundbewaffnung umfasst vier Marineleichtgeschütze, vier Maschinengewehre sowie schultergestützte Flugkörper zur Flugabwehr. Mit dem beabsichtigten Beitrag zum Lagebild sollen Griechenland und die Türkei bei der Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben unterstützt werden. Die Staaten sollen so in die Lage versetzt werden, den gesetzwidrigen Menschenschmuggel und die illegale Migration über den Seeweg besser zu unterbinden. Angesichts der bisherigen Vorgaben seitens der NATO ist es nicht beabsichtigt, Zwangsbefugnisse gegen Schiffe und Boote mit Migranten an Bord auszuüben. Daher ist eine Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen nicht zu erwarten. Die Türkei hat zugesagt, auf See gerettete Flüchtlinge, die aus der oder durch die Türkei kommen, wieder aufzunehmen. Die militärischen und politischen Gremien wurden von den NATO-Verteidigungsministern während des Verteidigungsministertreffens am 11. Februar 2016 beauftragt, konkrete Details auszuarbeiten. Die Ergebnisse dieser Arbeiten bleiben zunächst abzuwarten."

Nachfrage von Hans-Christian Ströbele: " Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, darauf muss man erst einmal kommen. Bei der Gründung der NATO - das habe ich ja miterlebt - ist, glaube ich, niemand darauf gekommen, dass man diese NATO braucht, um Flüchtlinge abzuwehren. Das ist nun wirklich eine neue Idee. Aber meine Frage: Wenn die Schiffe der Bundesmarine - das haben wir vorhin schon gehört - Menschen aufnehmen, die geflohen sind vor Krieg, Hunger, Vertreibung, Bomben und Ähnlichem und die offenbar in der Türkei auch nicht, ohne Not zu leiden, untergebracht werden konnten, und sie in die Türkei zurückbringen, also damit praktisch die Flucht beenden, ist dann nicht auch nach Auffassung der Bundesregierung das Maß überschritten? Wie kann die Bundesregierung so etwas anordnen, anstatt die Flüchtlinge woanders hinzubringen, wie es etwa im Falle der libyschen Flüchtlinge geschieht, die nicht nach Libyen, sondern nach Italien, zum Beispiel nach Lampedusa, zurückgebracht werden? Das heißt, können die Flüchtlinge - -

Zwischenbemerkung der Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: "Herr Ströbele, Sie haben Ihre Zeit schon überschritten."

Antwort von PStS Dr. Ralf Brauksiepe: Herr Kollege Ströbele, dieser Einsatz dient selbstverständlich nicht der Bekämpfung von Flüchtlingen. Ich glaube, die NATO-Mitgliedstaaten - die besonderen Lasten, die die Türkei zu tragen hat, wurden bereits erwähnt - und in Sonderheit Deutschland haben keinen Nachholbedarf im Hinblick auf Solidarität und Aufnahmebereitschaft bezüglich Flüchtlingen. Von daher weise ich den Vorwurf, die NATO diene hier der Bekämpfung von Flüchtlingen, seitens der Bundesregierung in aller Entschiedenheit zurück. Es geht um die Bekämpfung krimineller Menschenhandels- und Schleusernetzwerke, nicht um die Bekämpfung von Flüchtlingen. Selbstverständlich ist es in der Tat ein rechtlicher, politischer und faktischer erheblicher Unterschied, was die Verhältnisse in Libyen einerseits und in der Türkei andererseits angeht. Die Türkei fällt ausdrücklich nicht unter den sogenannten Non-Refoulement-Grundsatz, wonach eine Rückführung in Länder nicht erlaubt ist, in denen Menschen aufgrund ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Dies ist bei der Türkei nicht der Fall. Von daher fällt die Türkei nicht unter das sogenannte Refoulement-Verbot. Es ist zu Recht schon darauf hingewiesen worden: Seenotrettung ist die Aufgabe eines jeden Schiffes, das auf Menschen in Seenot trifft. Die Menschen, die aus Seenot gerettet werden, haben einen Anspruch darauf, in einen sicheren Hafen gebracht zu werden. Sie haben keinen Anspruch darauf, in ein Land oder einen Hafen ihrer Wahl gebracht zu werden. Genau diese Voraussetzung eines sicheren Hafens erfüllen auch die türkischen Häfen. Im Übrigen habe ich darauf hingewiesen, dass die konkreten Planungen noch in der Erarbeitung sind und nach ihrem Abschluss unter anderem rechtlich durch die Bundesregierung zu würdigen sind."

Das dazugehörige Plenarprotokoll finden Sie hier.

Die Videoaufzeichnung der Frage finden Sie ab der Stelle 1:06:10 hier.