"Es sollte ein erneuertes Wahlrecht schon für die Bundestagswahl 2009 gelten"
22.07.2008: Erklärung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Verfassungswidrigkeit der Überhangmandate bei der Bundestagswahl:
"Das deutsche Parlament darf nicht auf Grundlage eines verfassungswidrigen Wahlgesetzes gewählt werden. Das ist eine demokratische Selbstverständlichkeit. Unser heutiges Wahlgesetz ist aber in punkto Überhangmandate undemokratisch und verfassungswidrig.
Das Problem ist seit Langem bekannt. Zeit zum Nachdenken über ein besseres Wahlrecht war genug. Verbesserungsvorschläge liegen längst vor und können rechtzeitig vor der nächsten Wahl umgesetzt werden.
Die grüne Fraktion forderte bereits 1996 in einem Gesetzentwurf, Überhangmandate einer Partei bei ihr auszugleichen. Das Modell war vom Bundesinnenministerium entwickelt und in einer Reformkommission des Bundestages gutgeheißen worden. Im Plenum aber lehnten CDU/CSU, SPD und FDP das Gesetz damals ab.
Seither gab es viele weitere Vorschläge. Einige erwähnte das Verfassungsgericht nun in seinem Urteil und schrieb: genau dieser grüne Vorschlag würde die negativen Wirkungen der Überhangmandate "weitestgehend vermeiden". Worte sind nun genug gewechselt. Es gibt keine Entschuldigung für eine weitere Verzögerung der Gesetzeskorrektur.
Die Verzögerer aus Union und SPD wollen weiter von der verfassungswidrigen Regelung profitieren. Seit 1994 sichern sie sich durch Überhangmandate eine komfortable Mehrheit, die ihnen nach dem Wahlergebnis gar nicht zusteht. Bizarr und unverständlich ist, dass Stimmen für eine Partei diese sogar Sitze kosten können. Der Bundestag kann rechtzeitig bis April 2009 das Wahlrecht ändern für Ausgleichsmandate und ein neues Zählverfahren. Damit wäre das Wahlgesetz wenigstens verfassungsfest. Weitere sinnvolle doch zeitaufwändige Änderungen, etwa Neuzuschnitte von Wahlkreisen, können problemlos später nachgeholt werden.
Im Bundestag ist zuweilen eine unglaubliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Grundgesetz zu beobachten. Verfassungsrechtliche Bedenken werden beiseite geschoben mit dem Hinweis, das könne das Verfassungsgericht ja später richten. Damit muss Schluss sein. Der Verfassungsgesetzgeber Bundestag muss sich auch als Wahrer der Verfassung verstehen. Er muss für eine verfassungskonforme Wahl 2009 sorgen."
Diese Erklärung ist am 16.Juli in der Braunschweiger Zeitung erschienen.