Wahlkampf 2013

Erklärung zur Abstimmung über "Eurostabilisierung" im Bundestag

21.05.2010: Heute hat sich Christian Ströbele im Plenum des Bundestages bei der Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Eurostabilisierung"´enthalten und hat seine Kritik daran in einer persönlichen Erklärung begründet.

"Dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen stimme ich nicht zu. Ich stimme mit Enthaltung.

Ich halte es für richtig, dass die europäischen Länder gemeinsam vorsorgen. Nach Griechenland drohen nun auch andere europäische Länder zahlungsunfähig zu werden. Die Schuldenentwicklung und die unverantwortlichen Spekulationen haben zu einer unerträglichen Situation geführt. Die Entwicklung der Finanzmärkte und die rasanten Währungsschwankungen waren und sind alarmierend. Die bekannt gewordene Finanzlage und Verschuldung mehrerer europäischer Länder lässt Schlimmes befürchten.

Die Bereitstellung von staatlichen Garantien für Kredite an notleidende Länder kann ein Weg sein, um Zeit zu gewinnen und den Ländern so die Möglichkeit zu verschaffen, mit internationaler Hilfe ihre Wirtschaft zu konsolidieren und ihre Finanzen in Ordnung zu bringen.

Aber der vorgelegte Gesetzentwurf ist ungenügend und verstößt gegen das Grundgesetz. Die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages nach Art. 23 Abs. 2,3 S.1 sind nicht gewahrt. Der Gesetzentwurf enthält eine Generalermächtigung für die Bundesregierung, Garantien in unfassbarer Höhe aus Finanzen des Bundes sollen zur Verfügung gestellt werden, ohne dass ausreichend klar und bestimmt ist, zu Gunsten welchen Staates unter welchen Bedingungen sowie durch wen und wie kontrolliert die Garantien gegeben werden dürfen.

So bleibt völlig unklar, wie eine nach dem Gesetzentwurf einzurichtende Zweckgesellschaft zur europäischen Finanzstabilisierung aussehen soll. Ein Entwurf für die rechtliche und inhaltliche Gestaltung liegt bis heute nicht vor.

Eine Zustimmung des Deutschen Bundestages vor der Übernahme von konkreten Garantien für einzelne Länder ist nicht vorgesehen. Das Haushaltsrecht des Parlaments wird damit verletzt. Eine bloße Unterrichtung allein des Haushaltsausschusses kann das Budgetrecht des ganzen Parlaments nicht ersetzen, auch nicht Bemühungen zum Einvernehmen mit diesem Ausschuss.

Mir wird damit ein fundamentales parlamentarisches Recht genommen, denn jeder Abgeordnete hat das Recht zur Mitentscheidung über Haushaltstitel von existentieller Größe.

Aber auch inhaltlich habe ich durchgreifende Bedenken gegen den Gesetzentwurf. . Falsch und unverantwortlich ist wiederum, dass es keine Vorsorge dagegen gibt, dass die Garantien aus Steuermitteln nicht den privaten großen Gläubigerbanken zugute kommen. Diese werden in erster Linie Nutznießer der Garantien sein, denn ihre Risiken werden übernommen und Renditen sowie Spekulationsgewinne garantiert. Staatliche Garantien dürften meines Erachtens deshalb nur gegeben werden, wenn sie im Rang vor den Krediten der Großbanken und privaten Gläubiger bedient werden. Alle Kredite, die aus staatlichen Mitteln garantiert werden, nebst Zinsen, sollten also zurückgezahlt sein, bevor die privaten Gläubiger Geld erhalten.

Auf meine parlamentarische Anfrage hat die Bundesregierung am 19. Mai 2010 geantwortet, dass jedes Darlehen an notleidende Staaten "…gleichgestellt [ist] mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen ungedeckten und nicht nachrangigen Darlehen und Verbindlichkeiten des Darlehensnehmers…Lediglich die Darlehen des Internationalen Währungsfonds haben vorrangige Sicherung. Dies entspricht dem seit Gründung des IWF weltweit üblichen Verfahrens bei ähnlichen Unterstützungen durch den IWF. Dieser bevorrechtigte Gläubigerstatus wird Einzelstaaten oder einer Gruppe von Einzelstaaten in der bisherigen Rechts- und Kreditpraxis globaler Finanzierungen nicht zugesprochen."

Eine solche Bevorzugung des IWF ist nicht gerechtfertigt. Ein Vorrang der Tilgung von Krediten, die aus Steuermitteln der europäischen Länder garantiert werden, ist genauso notwendig, richtig und gerechtfertigt wie bei Krediten des IWF.

Bisherigen privaten Großgläubigern dagegen ist zuzumuten, dass sie das Risiko weiter tragen, das sie sehenden Auges bei Hingabe der Kredite eingegangen sind. Sie lassen sich das erhöhte Risiko ja auch durch hohe Zinsen bezahlen. Ohne die staatlichen Kredite hätten die bisherigen privaten Großgläubiger das eingesetzte Kapital ja schließlich ganz oder zum großen Teil verloren.

Außerdem dürften meines Erachtens Garantien in Milliardenhöhe aus Steuermitteln nur gegeben werden, wenn die privaten Großbanken zur Kasse gebeten und an der Bezahlung der Hilfen echt beteiligt werden. Dazu muss der Bankensektor reguliert und eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. Eine vage Absichtserklärung der Bundesregierung für dahingehende Bemühungen auf internationaler Ebene reicht nicht aus. Konkrete Vorschläge müssten jetzt vorgelegt werden.

Auch für mich ist das Bekenntnis zur Europäischen Union und zum Prinzip der innereuropäischen Solidarität zentral wichtig Auch ich halte es für notwendig, dass die EU-Länder sich gegenseitig helfen, wenn ein Land in Not gerät. Auch ich will der Bevölkerung notleidender Mitgliedstaaten in einer jetzigen Finanzkrise beistehen. Staatlich garantierte deutsche Kredite können ein Mittel sein, um der Finanznot dieser Staaten entgegenzuwirken und sollten dann vor allem eingesetzt werden, um dort den sozial Benachteiligten zu helfen."