Abstimmung über Hilfspaket für Griechenland
27.02.2012: Persönliche Erklärung von Hans-Christian Ströbele zur namentlichen Abstimmung über das zweite Griechenland-Hilfspaket
Persönliche Erklärung von Hans-Christian Ströbele zur namentlichen Abstimmung vom 27.02.2012 zum Antrag der Bundesregierung Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik ... für Notmaßnahmen …. (17/8730)
Dem Antrag stimme ich nicht zu, sondern ich enthalte mich. Wie schon bei der Abstimmung über das erste Hilfspaket für Griechenland halte ich auch jetzt Hilfe für die griechische Bevölkerung in der Finanzkrise für richtig und notwendig. Ein Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone ist der falsche Weg, genauso wie die Aufforderung zum "freiwilligen" Austritt. Die EU und auch Deutschland müssen dem Land mit Krediten und weiterer Unterstützung wiederum zur Hilfe kommen. Aber nicht so, wie in dem Antrag der Bundesregierung vorgeschlagen. Die finanzielle Hilfe darf nicht, wie bisher, nur oder ganz überwiegend den Banken zufließen.
Das mit der Hilfe verbundene Sparpaket ist zutiefst unsozial und treibt weitere Kreise der griechischen Bevölkerung in die Armut und Perspektivlosigkeit. Die Arbeitslosigkeit in Griechenland ist seit dem letzten Rettungspaket 2010 fast auf das Doppelte (über 20%) gestiegen. Die Staatseinnahmen sind gesunken. Die Verschuldung des Landes hat wiederum zugenommen. Ich hatte schon 2010 nicht für das Hilfspaket gestimmt, sondern mich ebenfalls enthalten. Meine damaligen Befürchtungen sehe ich nun bestätigt. Das Sparpaket bewirkt einen weiteren drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit und reduziert die Wachstumschancen ebenfalls weiter. Es wirkt außerdem der wirtschaftlichen Erholung entgegen.
Statt der strangulierenden Sparmaßnahmen, wie erneute Rentenkürzungen, Massenentlassungen im öffentlichen Dienst, Kürzungen der Ausgaben für Gesundheit, drastische Kürzung des Mindestlohnes und des Arbeitslosengeldes, halte ich vielmehr das Zusammenstreichen der Militärausgaben und ein nachhaltiges Investitionsprogramm in Milliardenhöhe für richtig. Aus der Bundesregierung waren zwar auch solche Forderungen zu hören, aber bis heute fehlen dazu konkrete Vorschläge und Vereinbarungen. Die Bundesregierung hat noch am letzten Donnerstag auf eine Parlamentarische Anfrage von mir nach "konkreter materieller Unterstützung bei der Sanierung und Aufbau der Wirtschaft Griechenlands" geantwortet, "die Staaten der Eurozone haben bisher noch keine verbindliche Zusage zur Bereitstellung zusätzlicher Mittel gemacht."
Ohne dass auch die großen Vermögen und die Einkommen der Reichen in Griechenland zur Finanzierung herangezogen werden, werden die notwendigen Reformen nicht akzeptiert. Auch der Schuldenschnitt der privaten Gläubiger ist keineswegs in trockenen Tüchern. Bis heute gibt es eine rechtlich bindende Zusage von Seiten der Gläubiger nicht. Auch das hat die Bundesregierung mir am letzten Donnerstag bestätigt. Es soll allgemeine Zusagen von einigen europäischen Großbanken geben. Aber nichts Genaues steht fest und andere Privatgläubiger und etwa Hedge-Fonds halten sich bisher ganz zurück.
Schon dem ersten Hilfspaket für Griechenland hatte ich 2010 auch deshalb nicht zugestimmt, weil der Schuldenschnitt für private Gläubiger in Höhe von damals 21% zu vage und zu gering vereinbart war. Bis heute ist es zu keinerlei Schuldenschnitt gekommen. Selbst wenn es diesmal zu einem Schuldenschnitt von 53% bei einem Teil der privaten Gläubiger kommen sollte, wird die Restschuld von 47% für die Zukunft von den europäischen Staaten garantiert. Das heißt, dass ein späterer weiterer Schuldenschnitt nicht möglich bleibt oder zu Lasten der europäischen Garantiestaaten geht.
Es gibt eine Alternative zum Antrag der Bundesregierung. Das ist nicht ein ungeregelter Staatsbankrott, sondern eine Griechenlandhilfe, die das Sparpaket sozialer gestaltet und ein Investitionsprogramm in Milliardenhöhe enthält, das der Wirtschaft wirklich hilft sowie einen echten Schuldenschnitt für alle privaten Gläubiger, so wie es im heutigen Entschließungsantrag der grünen Fraktion enthalten ist.
Hans-Christian Ströbele