Erklärung zur Abstimmung über einen erneuten NPD-Verbotsantrag
25.04.2013: Hans-Christian Ströbele begründet in einer persönlichen Erklärung sein Abstimmungsverhalten zum Antrag der SPD zum NPD-Verbot.
Persönliche Erklärung von Hans-Christian Ströbele gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Abstimmung des Antrages der SPD zum NPD-Verbot am Donnerstag, den 25.4.2013
Zu dem Antrag stimme ich mit NEIN. Der Antrag der SPD ist falsch und ungeeignet. Er bringt der NPD zusätzliche, unverdiente Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit durch Behandlung im Bundestag und tagelang in den Medien, obwohl keinerlei Chance besteht, dass der Antrag von einer Mehrheit angenommen wird. Wer ernsthaft einen NPD-Verbotsantrag- wofür es durchaus triftige Gründe gibt - des Bundestages will, sollte einen solchen mit ausreichender Begründung formulieren lassen und dann dafür eine Mehrheit im Parlament suchen, bevor dort darüber abgestimmt wird. Aber ich halte ein NPD-Verbotsverfahren derzeit auch in der Sache für falsch. Die rassistische, antisemitische, völkische und revanchistische Agitation und Propaganda der NPD ist schrecklich. Solche Äußerungen und auch Taten von NPD-Mitgliedern oder-Funktionären sind empörend. Das Zusammenwirken mit Gewalttätern etwa in sogenannten Kameradschaften ist unerträglich. All das muss bekämpft werden. Aber nicht schon wieder durch ein Verbotsverfahren. Schon gegen den gescheiterten Verbotsantrag des Bundestages von 2001 habe ich gestimmt. Die Gefahr, dass ein solcher Antrag abermals vor dem Bundesverfassungsgericht oder beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte scheitert, ist erheblich. Auch ich halte die Partei zwar für verfassungswidrig. Aber ob ein Verbot verhältnismäßig ist, wie diese Gerichte fordern, scheint mir zweifelhaft. Denn die NPD ist zerstritten, finanziell marode, parlamentarisch marginalisiert und politisch weitgehend irrelevant. Außerdem ist die von Bund und Ländern zusammengetragene Indiziensammlung zur Verfassungswidrigkeit nicht unbedenklich, sondern möglicherweise durch V-Männer infiziert, provoziert und beeinflusst. Die Behauptung des Gegenteils durch die Innenminister ist nicht überzeugend. Die Innenminister haben sich anders als verlangt bisher geweigert, durch individuelle förmliche Testat-Erklärungen die V-Mann-Freiheit des umfangreichen Materials zu garantieren. Das können sie wohl auch gar nicht, weil Auskünfte der Ämter für Verfassungsschutz nicht stets verlässlich sind. Wenn schon die zuständigen Minister keine Garantie für das Material geben, kann der Bundestag dies für dessen V-Mann-Freiheit noch weniger. Auch daran könnte ein Verbotsantrag erneut scheitern. Hinzu kommt: ein Jahre dauerndes Verbotsverfahren mit ständiger Medienberichterstattung nutzt der NPD für Propagandazwecke. Es kann auch erneut zur Solidarisierung der eigentlich zerstrittenen rechtsradikalen Szene führen. Die NPD, die derzeit in den großen Bundesländern bei unter einem Prozent Zustimmung liegt und erhebliche Finanzprobleme hat, würde gestärkt. Nach einem Verbot könnten sich die Mitglieder als Märtyrer präsentieren. Die Kader und Aktivisten gäbe es weiter. Rassistisches Denken und Propaganda bestünden fort. Aufmärsche und Veranstaltungen werden heute schon nicht mehr von der NPD angemeldet, sondern durch Einzelpersonen aus Kameradschaften. Ein Verbot der NPD würde daran nichts ändern. Deren Mitglieder und Rassisten würden - wie gehabt - in neue Parteien gehen. Die Partei "Die Rechte" steht schon bereit. Ein kleinerer Teil könnte sich radikalisieren, noch gewalttätiger werden, gar in die Illegalität abtauchen. Deren Bekämpfung wird damit nicht leichter. Ein Verbot der NPD hilft nicht gegen rechte Gewalt und Mord, nicht gegen rassistische Parolen auf Demos, nicht gegen sogenannte befreite Zonen, nicht gegen Vertrieb hetzerischer Musik- CDs, nicht gegen Hess-Gedenkfeiern, Sonnenwendfeiern oder andere rechte Aufmärsche, Konzerte und Veranstaltungen. Die Finanzierung von Propaganda und Aktivitäten der NPD aus Steuermitteln ist fürwahr ein großes Ärgernis. Anstelle eines Verbotsverfahrens sollte versucht werden, diese Geldvergabe zumindest stark einzuschränken, durch Gesetzesänderungen und Gerichtsverfahren. Juristische Gutachten stützen solche Überlegungen. Auch die Gewerkschaft der Polizei fordert die Prüfung dieses Weges, um der NPD den Geldhahn zuzudrehen. Letztlich muss Rechtsextremismus beharrlich politisch bekämpft werden und rassistisches Denken durch Bildung und Aufklärung. Auch auf den Straßen und Plätzen durch Kundgebungen und Demonstrationen. Erste Erfolge sind der starke Rückgang der Teilnehmerzahlen an Aufmärschen und rassistischen Veranstaltungen: dank des Widerstandes zivilcouragierter Bürgerinnen und Bürger.