Abstimmung "Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands"
17.07.2015: Persönliche Erklärung nach § 31 GO BT von Hans-Christian Ströbele zum Antrag der Bundesregierung wegen Stabilitätshilfe und Absicherung - Brückenfinanzierung zugunsten Griechenlands (3. Rettungsschirm)
Den Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung lehne ich ab.
Auch ich will Griechenland in der gegenwärtigen finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Notlage helfen. Ich befürworte deshalb grundsätzlich ein Mandat für die Aushandlung eines memorandum of Understanding für ein ESM-Darlehen und einen Vorschlag für die Vereinbarung über eine Finanzhilfe und eine Brückenfinanzierung aus dem EU-Haushalt.
Ich lehne aber die in der Erklärung des EURO-Gipfels vom 12. Juli 2015 formulierten Bedingungen ab. Deshalb stimme ich dem von der Bundesregierung vorgelegten Verhandlungsauftrag nicht zu.
Schon im ersten und zweiten sog. Rettungsschirm für Griechenland wurden den Rentnern, den Arbeitslosen und dem sozial schwachen Teil der Bevölkerung unverantwortliche soziale Härten auferlegt. Deshalb habe ich gegen beide Programme gestimmt. Die Politik der Bundesregierung mittels Hilfen von Milliardenkrediten unter unzumutbaren Sparauflagen für die sozial Schwachen ist gescheitert. Mehr als 25 % der Bevöl-kerung ist arbeitslos, bei den Jugendlichen sind es fast 60 %. Millionen sind ohne jedes Einkommen und ohne Krankenversicherung. Und die Schulden aus gewährten Hilfskrediten liegen bei weit über 300 Milliarden EURO. Die Tilgung dieser Schulden ist Griechenland nicht möglich. Schon die Schuldendienste kann das Land nicht mehr aufbringen. Ein Schuldenschnitt oder eine vergleichbare Entlastung von den Schulden ist deshalb unverzichtbar. Deshalb haben die griechischen Wählerinnen und Wähler im Referendum mit 61% gegen die Fortsetzung dieser Politik gestimmt. In dieser Situation dem Land, entsprechend der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone vom letzten Montagmorgen, weitere "Reform" genannte Sparzwänge aufzuerlegen halte ich für politisch, ökonomisch und sozial falsch und unverantwortbar. Die "Verbesserung" des Rentensystems und insbesondere die Abschaffung der staatlichen Zuschüsse für Renten bedeuten für viele Menschen weitere Kürzungen ihrer Rente. Die drastische Erhöhung der Mehrwertsteuer führt zu mehr Belastungen der Gesamtbevölkerung. Die Eingriffe ins kollektive Arbeitsrecht begünstigen Massenentlassun-gen. All diese Maßnahmen fördern nicht das wirtschaftliche Wachstum, sondern schaden diesem.
Dem Parlament in Griechenland wurde auferlegt und zugemutet, all diese sozialen Grausamkeiten innerhalb von zwei Tagen zu verabschieden. Nicht genug damit, nach der Erklärung der Staats- und Regierungschefs soll das griechische Parlament gezwungen werden, ausgabewirksame Gesetze der letzten Monate rückgängig zu machen.
Und ein schwerer Eingriff in die Parlamentsrechte ist die Auflage der Staats- und Regierungschefs der 18 Euro-Länder, dass sich die griechischen Abgeordneten zukünftige Gesetze von den europäischen Institutionen genehmigen lassen und mit diesen abstimmen müssen. Es geht offenbar um die Demütigung des Parlaments.
Das hat es im modernen Europa noch nicht gegeben, droht aber Schule zu machen, wenn es im Fall Griechenland durchgesetzt ist.
Zur Unterwerfung unter diese Zumutungen wurden Ministerpräsident Tsipras, die griechische Regierung und das Parlament schamlos ge-zwungen. Tsipras hat erklärt, er wurde erpresst. Was aus den 17-stündigen Gesprächen der 18 gegen einen bekannt wurde, spricht dafür, dass das stimmt. Ihm wurde mit Grexit und Zusammenbruch der Banken, von Wirtschaft und Finanzsystem gedroht. Tsipras hat sich im Parlament geweigert, all die Grausamkeiten aufzuzählen. Den Abgeordneten ging es wohl ebenso.
Einen Grexit lehne auch ich ab. Griechenland muss gleichberechtigt in EU und EURO-Raum bleiben.
Da kann ich doch nicht einfach zustimmen, dass dies Grundlage und Bestandteil der Verhandlungen für die Aufnahme neuer Kredite durch Griechenland wird - Kredite, die zu einem Großteil zur Bedienung der bisherigen Kreditschulden eingesetzt werden sollen. Da muss ich NEIN sagen.