Wahlkampf 2013

Nein! zur Verlängerung des Bundeswehreinsatz in Afghanistan

17.12.2015: Persönliche Erklärung von Hans-Christian Ströbele zu seinem "Nein!" bei der namentlichen Abstimmung zur Fortsetzung RSM-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und Frage von Ströbele in der vorhergehenden Plenumsdebatte zum Bundeswehreinsatz.

Persönliche Erklärung von Hans-Christian Ströbele:

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

Ich stimme gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Die Lage in Afghanistan ist nicht gut. Das ergibt sich auch aus dem jüngsten Bericht, den die Bundesregierung geheim zu halten versucht. Seit 2001 war sie nie so schlecht. Alle wissen, dass der Bundeswehreinsatz auch mit 100 zusätzlichen Soldaten keine Sicherheit im Land schaffen wird. Die Lage wird nächstes Jahr nicht besser sein als heute, eher noch schlechter. Nie wurden so viele Menschen im Krieg in Afghanistan getötet und verletzt wie im letzten Jahr - afghanische Polizisten und Soldaten, Talibankämpfer, vor allem aber auch Zivilisten, Frauen und Kinder. Armee und Polizei sind unzuverlässig und kriegsmüde, nicht nur wegen der hohen Verluste. Bis zu 20 bis 30 % der 350 000 Sicherheitskräfte wollen für die korrupte Regierung nicht ihr Leben riskieren, laufen über, bleiben zu Hause oder fliehen. Daran ändert auch die Ausbildung durch die Bundeswehr nichts. Die Eroberung der Stadt Kundus, in der die Bundeswehr mehr als ein Jahrzehnt stationiert war, innerhalb weniger Stunden, hat das gezeigt. Nur mit Hilfe der US-Sondereinheiten und Bomben der US-Luftwaffe konnte die Stadt zurückerobert werden. Die gnadenlose Bombardierung des Krankenhauses von "Ärzte ohne Grenzen", bei dem zahlreiche Ärzte, Helfer und Patienten getötet wurden, hat Hass geschürt und den Taliban neue Kämpfer zugetrieben. Wegen der unfähigen, zerstrittenen und korrupten Regierung und fehlenden Sicherheit schwinden die Entwicklungschancen des Landes. Entwicklungsprojekte stocken, westliche Entwicklungshelfer trauen sich nicht mehr aus Kabul und den militärisch gesicherten Orten aufs Land. Vor ein paar Jahren, als Mullah Omar noch lebte, waren die Chancen für eine vertretbare Verhandlungslösung unter Einschluss der Taliban besser. Die Bundesregierung hat wie die NATO nichts dafür getan, diese Chance zu nutzen. Jetzt wird es viel schwieriger, aber noch sind Verhandlungen eine Alternative, den Krieg zu beenden. Der Krieg war von Anfang an falsch und unverantwortbar. Nato und Bundesregierung hatten beschlossen, die Einsätze in zwei Jahren zu beenden und bis dahin alle Truppen abzuziehen. Jetzt wird die Truppenstärke wieder erhöht und die Verteidigungsministerin erklärt, der Einsatz werde noch lange dauern. Aber es ist doch nicht richtig, einfach so weiter zu machen wie bisher. Weitere 14 Jahre? Ich werde deshalb mit NEIN stimmen. Dieser Krieg ist verloren.

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In der vorhergehenden Debatte zur Fortführung des Einsatzes stellte Hans-Christian Ströbele außerdem folgende Frage an den Redner der SPD Niels Annen:

Herr Kollege Annen, ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie behaupten, dass die Rückeroberung von Kunduz ein Beweis dafür ist, wie stark und funktionsbereit die afghanischen Kräfte sind. Können Sie mir bestätigen, dass diese Rückeroberung überhaupt nur gelungen ist durch einen massiven Einsatz von US-Sondereinheiten und durch massive Bombardierungen, unter anderem des dortigen Krankenhauses von Ärzte ohne Grenzen, mit unendlich vielen zivilen Opfern? Können Sie bestätigen, dass das der Grund für die Rückeroberung von Kunduz war und dass das kein Beweis dafür ist, dass die afghanische Armee und die afghanische Polizei in der Lage sind, zu kämpfen? Nehmen Sie des Weiteren zur Kenntnis, dass sie nicht mehr kämpfen wollen, weil die afghanischen Kräfte kriegsmüde sind, dass jedes Jahr zwischen 20 und 30 Prozent von ihnen, unter anderem auch solche, die von Deutschen ausgebildet worden sind, weglaufen? Sie laufen zu den Taliban über, bleiben einfach zu Hause, fliehen nach Europa oder machen sonst etwas. Wollen Sie das zur Kenntnis nehmen, oder wollen Sie auch die nächsten 14 Jahre die Situation in Afghanistan schönreden? Der Krieg dort ist verloren. Wollen Sie der Bundesregierung nicht endlich den Auftrag geben, sich dort einmal dafür einzusetzen, dass substanzielle Verhandlungen in Gang kommen, statt sich immer nur auf die militärische Lösung zu konzentrieren? Jetzt kündigt die Ministerin auch noch an, dass der verstärkte Einsatz in Afghanistan lange dauern wird. Werden es weitere 14 Jahre sein oder doch weniger?

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Die Frage von Herrn Ströbele können Sie auch hier ab Minute 4:28 anschauen!