Wahlkampf 2013

Abweichende Stellungnahme Ströbeles zur Erklärung des PKG zum vorläufigen Ergebnis aus der Untersuchung der BND-eigenen Fernmeldeaufklärung

30.12.2015: Abweichende Stellungnahme des Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste (PKG) Hans-Christian Ströbele, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, zur Erklärung des PKG vom 16.12.2015 zum vorläufigen Ergebnis aus der Untersuchung der BND-eigenen Fernmeldeaufklärung:

Ich kritisiere zunächst, daß das PKG nicht weitere Fakten aus der Aufklärungsarbeit der Task Force mitteilt, insbesondere zu den BND-eigenen Selektoren, den mit deren Steuerung erzielten Ergebnissen und den Erkenntnissen dazu, wer, wann, was im BND und im Kanzleramt zum Einsatz der Selektoren wußte. Dies wäre ohne Gefahren für die Sicherheit und die rechtmäßige Tätigkeit des Geheimdienstes möglich gewesen. Parlament und Öffentlichkeit haben einen Anspruch darauf. Rund 3.300 Ziele hat der BND selbst im Sommer 2013 aus der Steuerung herausgenommen, weil sie Bezüge zu EU- und NATO-Staaten aufweisen und die Steuerung von den BND-Mitarbeitern als unzulässig angesehen wurde. Wenn diese Ziele rechts- und auftragskonform sind, wären sie nicht im Sommer 2013 ebenso wie die sog. NSA-Selektoren aus der Steuerung der BND-Fernmeldeaufklärung herausgenommen worden. Der BND-Chef hätte den damaligen Chef des Bundeskanzleramts Ende Oktober 2013 sonst auch nicht darüber informiert. Die Erklärung der Bundeskanzlerin vom 24. Oktober 2013, das Ausspähen von Freunden gehe gar nicht, wurde damit durch den BND klar widerlegt, durch den deutschen Geheimdienst, der dem Bundeskanzleramt doch direkt unterstellt ist. Es ging also doch. Das Ausspähen von ausländischen Regierungseinrichtungen, Institutionen und Nicht-Regierungs-Organisationen von EU- und NATO-Staaten, also das Ausspähen von Freunden und Partnern war rechtswidrig. Das Ausspähen der zahlreichen Ziele im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich war auch nicht vereinbar mit deutschen und europäischen Interessen. Es war geeignet, Vertrauen unter Partnern in EU und NATO zu erschüttern und deutschen Interessen erheblich zu schaden. Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit, eine Abwägung von Schaden und Nutzen dieser Geheimdienstoperation war nicht erkennbar. Ziele der strategischen Auslandsüberwachung waren auch deutsche Staatsbürger. Damit wurden deren Grundrechte wie dasjenige auf informationelle Selbstbestimmung planmäßig verletzt. Das Abhören und Aufzeichnen von Telefongesprächen in deutscher Sprache von einen deutschen Grundrechtsträger mit einem anderen Grundrechtsträger ist immer ein schwerer Verfassungsverstoß. Daran ändert auch nichts eine dubiose "Funktionsträgertheorie", wenn oder weil ein Grundrechtsträger in einer EU-Institution oder einer ausländischen Nicht-Regierungsorganisation Dienst tut oder für eine solche tätig ist. Das PKG wurde erst gar nicht und gar falsch informiert. Auch nach der breiten öffentlichen Erörterung infolge der Enthüllungen Edward Snowdens im Jahr 2013. 2014 wurde in den Sondersitzungen des PKG über die "Vorgänge von besonderer Bedeutung" pflichtwidrig nicht informiert. Zu den "BND-eigenen Steuerungen" wurde nicht oder falsch berichtet. Berichtspflichtige Mitglieder der Bundesregierung haben gelogen. Erst zwei Jahre später nämlich 2015 wurde informiert und dann zunächst auch nur rudimentär, unvollständig und vor allem gezielt irreführend. Damit wurde über Jahre eindeutig und beharrlich gegen das PKGr-Gesetz verstoßen. Die Rechts- und Grundrechtsverstöße müssen Folgen habe. Es genügt nicht, im BND umzuorganisieren und neue klarere und konkretere gesetzliche Regelungen zu schaffen oder die Tätigkeit des BND im Bereich der strategischen Aufklärung endlich mit Dienstvorschriften zu regeln. Alle Rechtsvorschriften werden nichts nützen, wenn sie vorsätzlich ignoriert, nicht angewandt und umgangen werden. Das Versagen von Fachaufsicht und Kontrolle und die permanenten schweren Verstöße gegen Gesetz und Recht müssen auch personelle Konsequenzen haben und nicht nur auf den unteren Ebenen. Und für die Zukunft müssen Sanktionen für solche Rechtsverstöße gesetzlich festgelegt werden.