Vergewaltigungs-Neuregelung: Klares Ja zum "NEIN ist ein NEIN"
07.07.2016: Die persönliche Erklärung von Hans-Christian Ströbele zum Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung
Ja zum "NEIN ist ein NEIN". Deshalb habe ich heute für die Änderung der Strafbarkeit der Vergewaltigung gestimmt. Wer gegen den erkennbaren Willen einer Person sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder von ihr vornehmen lässt, wird wegen Vergewaltigung bestraft. Es soll nicht mehr darauf ankommen, dass Gewalt angewandt oder aktiv Gegenwehr nachgewiesen wird.
Diese Änderung des § 177 StGB hätte es schon vor einem Jahr geben können. Die Grünen hatten den Gesetzentwurf dafür vorgelegt. Aber die Union wollte nicht. Jetzt hat die Bundesregierung endlich ein weitgehend mit diesem Entwurf übereinstimmendes Gesetz eingebracht. Da war das JA in der namentlichen Abstimmung klar.
Die weiteren Neuerungen in dem Gesetz habe ich abgelehnt.
Neu eingeführt werden soll der Straftatbestand "sexuelle Belästigung". Die Regelung ist zu unbestimmt. Es fehlt die Bedingung, dass der "erkennbare Wille des Opfers" entgegenstehen muss. Strafbar werden soll die körperliche Berührung einer Person "in sexuell bestimmter Weise", wenn sie sie belästigt. Nach dem Gesetzeswortlaut könnte das auf jede noch so leichte Berührung mit Hand oder Finger am Arm oder der Hand der anderen Person zutreffen. In der Begründung zum Gesetz wird dann zwar ausgeführt welche Art von Berührungen u.a. umfasst sein sollen: "Küssen des Mundes, des Halses, "Begrapschen" des Gesäßes". Diese Präzisierung gehört aber direkt in den Gesetzestext. Nicht unter diesen Tatbestand fallen sollen "bloße Ärgernisse, Ungehörigkeiten oder Distanzlosigkeiten wie zum Beispiel das einfache In-den-Arm-Nehmen oder der schlichte Kuss auf die Wange". All diese Begrenzungen gehören aber in den Wortlaut des Gesetzestextes, für die Rechtsanwender ist allein dieser Text maßgeblich.
Es kann keine sexuellen Berührungen geben, die nicht auch gleichzeitig sexuelle Handlungen sind. Stimmiger und bestimmter wäre daher, die Worte "von einiger Erheblichkeit" bei der gesetzlichen Definition von sexuellen Handlungen in § 184 h StGB zu streichen, um auch weniger schwerwiegende sexuelle Handlungen unter Strafe zu stellen. Die Schwere der Rechtsgutsverletzung müsste dann bei den Strafrahmen berücksichtigt werden. Eine solche Regelung würde auch den Bestimmtheitsgrundsatz nicht verletzen.
Ebenso abgelehnt habe ich die neue Strafbarkeit der Förderung einer Straftat durch die bloße Beteiligung an einer Gruppe, aus der heraus ein Sexualdelikt begangen wird. Schon die Formulierung ist so verquastet, dass man kaum versteht, was strafbar sein soll. Jedenfalls nicht eine konkrete Beteiligung an einer Straftat, sondern allein die Beteiligung an einer Gruppe, aus der heraus ein anderer eine Sexualtat begeht. Dabei kommt es nicht auf seine individuelle Kenntnis und Schuld an - es muss für ihn noch nicht einmal vorhersehbar gewesen sein, dass ein Sexualdelikt durch eine andere Person aus der Gruppe begangen würde. Er muss von einer Sexualtat nicht mal etwas wissen. Er muss lediglich billigend in Kauf genommen haben, dass aus der Gruppe heraus irgendjemand irgendeine Straftat begeht.
So wird dann jedem Gruppenbeteiligten die Begehung eines Sexualdelikts zugerechnet, auch wenn die Gruppe sich ursprünglich zu anderen Zwecken - zum Beispiel zur Begehung von Diebstählen oder Beleidigungen - zusammengefunden hatte. Der Täterkreis einer Gruppe ist auch zahlenmäßig unbegrenzt. Auch der Gruppenbeteiligte kann bestraft werden, der sich in zweiter, dritter Reihe aufhält oder noch weiter hinten und von einem Sexualdelikt nichts mitbekommt, weil es auf eine konkrete Unterstützungshandlung etwa durch Beihilfe oder Anstiftung gar nicht ankommt.
In der Gesetzesbegründung steht "Die Beteiligung ist nicht im Sinne der §§ 25 bis 27 StGB zu verstehen, sondern im umgangssprachlichen Sinn. Es wird kein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken verlangt." Hier wird eine völlig neue Form der Tatbeteiligung geschaffen, die in Widerspruch zum Schuldprinzip steht und verfassungsrechtlich nicht haltbar ist.
Diese neue Vorschrift ist auch überflüssig. Handlungen im Zusammenwirken mit anderen werden schon jetzt über die Regelungen zu Täterschaft und Teilnahme erfasst, die gemeinschaftliche Begehung einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung ist zusätzlich über den § 177 Absatz 6 Nr. 2 abgedeckt und mit hoher Strafe bedroht.
Ad hoc-Gesetzgebung als Reaktion auf die Kölner Silvesternacht, um Beweisschwierigkeiten zu beheben, die auch auf ein Versagen der Sicherheitskräfte zurückzuführen sind, und um die Öffentlichkeit zu beruhigen, ist eben der falsche Ansatz. Tauglich und rechtsstaatlich ist die Vorschrift nicht.
Daher habe ich zu diesem Teil des Gesetzentwurfes mit Nein gestimmt und mich insgesamt enthalten.
Die mit der Änderung des Sexualstrafrechts verbundene Verschärfung der Ausweisungsregelungen sind unverhältnismäßig, deshalb habe ich hier mit nein gestimmt.