Wahlkampf 2013

Drittes Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht

18.05.2001: Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer politischer Verfolgung in der DDR. Nachzahlung für die Zusatz- und Sonderzahlungssysteme der ehemaligen DDR.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das war unter Ihrem Niveau, Herr Kollege Nooke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Zurufe von der SPD: Nein, das war sein Niveau! - So ist er!)

Sie versuchen, die Hoffnungen und Sorgen der Verfolgten für parteipolitische Ziele zu missbrauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD.)

Sie wissen genau, dass es für Bündnis 90/Die Grünen seit ihrer Gründung, seit der Vereinigung, ein Anliegen von grundsätzlicher Bedeutung, geradezu ein Gründungsanliegen war, sich um die Verfolgten und deren Rechte und soziale Sicherheit zu kümmern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.)

Daran waren Sie beteiligt, so lange Sie noch bei den Grünen gewesen sind.

(Günter Nooke [CDU/CSU]: Ich war nie bei den Grünen!)

Auch wissen Sie ganz genau, dass alle unsere Versuche in der Zeit von 1990 bis 1998 Jahr für Jahr, Legislaturperiode für Legislaturperiode ins Leere gelaufen sind,

(Jürgen Türk [F.D.P.]: Dann machen Sie es doch jetzt!)

weil die Bundesregierung und die damalige Koalition nicht bereit waren, irgendetwas zu tun. Sie, Herr Nooke, haben sich damals selbst darüber aufgeregt, dass die alte Koalition es für richtig gehalten hat, dass man den in der DDR Inhaftierten nur die Hälfte der Haftentschädigung gibt, die Gefangene in der Bundesrepublik bekommen hätten.

(Günter Nooke [CDU/CSU]: Haben Sie nicht zugehört?)

Über diese Ungerechtigkeit haben Sie sich damals aufgeregt. Wo ist heute Ihre Empörung?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Günter Nooke [CDU/CSU]: Das habe ich doch gesagt!)

Herr Kollege Nooke, wir haben unsere Versprechungen gehalten. Wir haben - das wissen Sie auch, weil Sie dabei waren - nie eine Ehrenpension oder eine Ehrenrente gefordert. Dieses Instrument stammt aus DDR-Zeiten; es ist eine Erfindung der DDR. Deshalb gibt es dieses Instrument im System der Entschädigung für politisch Verfolgte in der Bundesrepublik grundsätzlich nicht.

(Günter Nooke [CDU/CSU]: Wir zahlen das aber für die Altopfer!)

Sie wissen auch, dass das, was wir nachher diskutieren werden, nämlich die Schlussfolgerungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass die Renten der Stasi-Mitarbeiter angepasst werden müssten, keine rotgrüne Erfindung ist. Das haben wir uns doch nicht ausgedacht! Aber wir müssen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts folgen. Das wissen Sie und das ist kein Anlass, hier eine solche Regelung vorzuschlagen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich!.)

Wir sind erstens deshalb gegen diese gesetzliche Regelung, weil sie nicht finanzierbar ist. Unter dem Strich kostet sie pro Jahr nicht 1,5 Milliarden DM, sondern bis zu 2 Milliarden DM. Sie wollen diese Regelung mindestens zehn Jahre lang anwenden; in dieser Zeit werden dafür mindestens 20 Milliarden DM aufzubringen sein. Eine Aussage, woher wir dieses Geld angesichts der leeren Kassen nehmen sollen, die Sie uns hinterlassen haben, vergessen Sie in Ihrem Entwurf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir sind zweitens deshalb gegen diese Regelung, weil sie in sich ungerecht ist und in dem System der Entschädigung, das in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahrzehnten praktiziert wird, neue Ungerechtigkeiten schaffen würde. Wir sind der Auffassung, dass die Leute, die seinerzeit im Gefängnis gewesen sind, dafür die Entschädigung bekommen sollen, die sie auch in der Bundesrepublik bekommen hätten. Deshalb haben wir trotz der Kassenlage, die Sie uns hinterlassen haben, eine Regelung gefunden - eine solche Regelung haben wir früher immer gefordert; für sie sind die Bündnisgrünen und die SPD in den Wahlkampf gegangen -, die eine Verdoppelung der Entschädigung beinhaltet. Diese Leistung haben Sie in den acht Jahren zuvor, in denen die CDU an der Regierung war, nicht fertig gebracht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD.)

Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Ströbele, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nooke?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, wenn es nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.

Günter Nooke (CDU/CSU): Herr Kollege Ströbele, ich wollte heute über Ihre Politik und Ihren politischen Willen reden. Aber Sie haben jetzt wieder die Kassenlage nach vorne geschoben. Ich frage Sie, ob Sie für die Opfer der SED-Diktatur Verständnis haben, wenn sie heute sagen, sie hätten dieses wiedervereinigte Deutschland 1989/90 ein Stück weit auf den Weg gebracht, ohne sie gäbe es dieses wiedervereinigte Deutschland nicht. Ohne diese Opfer würden wir heute hier nicht stehen, ohne diese Opfer hätte auch der Finanzminister seine Mobilfunklizenzen nicht für ganz Deutschland, sondern nur für eine um ein Fünftel kleinere Bevölkerung verkaufen können.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.)

Dieses eine Fünftel macht schon die 20 Milliarden DM aus, die Sie gerade angesprochen haben, wobei die Zahl übrigens falsch ist. Die von Ihnen vorgetragenen Zahlen sind viel zu hoch. Es kostet weniger; gucken Sie in unseren Gesetzentwurf.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Nooke, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat Ihre Partei die UMTS-Milliarden schon mehrfach ausgegeben.

(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Wo?.)

Sie können also nicht immer wieder mit diesem Geld argumentieren.

(Zustimmung bei der SPD.)

Wir versuchen, mit diesem Geld - das ist von diesem Podium aus schon häufig genug gesagt worden - ein bisschen von dem wiedergutzumachen, womit Sie die gesamte Bundesrepublik Deutschland geschädigt haben, nämlich von dem Schuldenberg, der die vernünftige Politik, die wir uns vorstellen, leider nicht vollständig möglich macht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!)

Wir können ja nur in einem bestimmten Rahmen agieren, weil wir ununterbrochen damit beschäftigt sind, Ihre alten Schulden abzubauen. Nun sage ich Ihnen, warum Ihr Vorschlag in sich ungerecht ist: Sie setzen es gleich, ob jemand ein Jahr oder fünf Jahre oder 15 Jahre lang in der ehemaligen DDR in Haft gewesen ist oder ob er mit anderen Maßnahmen außerhalb von Haftanstalten, etwa durch Observation, geschädigt worden ist. Sie wollen dem, der 15 Jahre in Bautzen gewesen ist, genau so viel Pension wie dem geben, der zwei Jahre lang Observationsmaßnahmen ertragen musste. Das war schlimm genug. Aber das eine war ein Vermögensschaden, während das andere ein unendlich großer Schaden für seine Person, seine Familie und seine Gesundheit war. Man kann das nicht gleichsetzen. Dieser Vorschlag ist deshalb in sich ungerecht. So kann man es auf gar keinen Fall machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Vorschlag passt aber auch nicht in das System. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es im System der Entschädigung politisch Verfolgter keine Ehrenpension. Es wäre ungerecht, wenn wir für diesen Teil der politisch Verfolgten eine entsprechende Regelung schaffen würden. Dies würde zu erheblichen Ungleichbehandlungen und schwer hinnehmbaren Tatbeständen im Vergleich zu anderen politisch Verfolgten in der Bundesrepublik, über die wir gerade in der letzten Zeit so viel reden, führen. Wir müssen zu gerechten Lösungen kommen. Bündnis 90/Die Grünen ist mit seinen Bemühungen auch noch nicht am Ende.

(Jürgen Türk [F.D.P.]: Noch nicht!)

Wir werden vorschlagen, zu überprüfen, ob Verbesserungen für politisch Verfolgte, die in eine soziale Notlage geraten sind, möglich sind. Wir sind bereit, darüber nachzudenken, und werden die Bundesregierung drängen, genaue Berichte dazu vorzulegen, wie politisch Verfolgte im Rentensystem der Bundesrepublik heute behandelt werden. Es muss geprüft werden, ob in diesem Bereich Verbesserungen vorgenommen werden können und ob die Haft- bzw. Nachhaftzeiten mehr als in der Vergangenheit angerechnet werden müssen.

Zusätzlich zu den Leistungen, die diese Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, wollen wir, dass weitere soziale Leistungen erbracht werden. Wir sind uns darin einig, dass man die Wiedergutmachung der Leiden niemals mit Geld erreichen kann. Man kann auch jahrzehntelange Gefängnisaufenthalte nicht wiedergutmachen und kann die dem Betroffenen und seiner Familie entstandenen Schäden nicht mit Geld aufwiegen. Man kann aber dazu beitragen, dass diese Menschen heute ein einigermaßen sozial gesichertes Leben führen können. Wir sind bereit, weiter über Verbesserungsvorschläge nachzudenken, sie zu beraten und möglicherweise in Zukunft auch umzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)