Wahlkampf 2013

Wohnungseinbrüche verhindern und ahnden, doch Aufenthaltsdaten der Nachbarn schützen!

19.05.2017: In der Debatte über einen Gesetzentwurf der Koalition zu Wohnungseinbrüchen fordert Christian Ströbele besseren Schutz der Bewohner und warnte davor, die Vorratsdatenspeicherung auszuweiten und alle Menschen im Tatortsumfeld in Funkzellenabfragen zu erfassen

Die Zahl der Einbrüche müsse verringert und die Aufklärungsquote erhöht werden, doch leider helfe der Gesetzentwurf der großen Koalition bei keinem von beiden. Das Gesetz sei nicht nur unsinnig und unaufrichtig begründet, sondern auch noch rechtsdogmatisch unsauber und unverhältnismäßig. Das alles für ein Stück Symbolpolitik im Vorwahlkampf.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Einbruchdiebstahl ist in der Tat eine Geißel. Es ist nicht nur in allen Fällen extrem ärgerlich, sondern endet für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sehr häufig in einer Katastrophe, auch in einer familiären Katastrophe. Da gebe ich Ihnen recht: Viele finden in ihrer eigenen Wohnung ihre Ruhe nicht mehr.

Wir müssen wieder Zustände erreichen, dass man zu Recht den englischen Satz sagen kann: My home is my castle. Da bin ich sicher. So gehört sich das. Wer anzweifelt, dass die Grünen hinter einer solchen Politik stehen, der handelt infam und leugnet die Tatsachen. Es ist uns natürlich ein großes Anliegen, da etwas zu ändern. Die Frage ist nur: Wie?

Herr Maas, Sie haben damit geendet, dass Sie gesagt haben, Sie müssten den kriminellen Netzwerken das Handwerk legen. In dieser allgemeinen Form kann ich das voll unterschreiben. Nur - das hat auch Herr Ullrich durcheinandergebracht. Dafür brauchen wir kein neues Gesetz. Bandendiebstahl ist bereits heute mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr als Verbrechen strafbar - nach § 244 bzw. § 244a StGB. - Werfen Sie einen Blick ins Gesetz! Da steht das. - Das heißt, dafür braucht man das überhaupt nicht. Es geht nicht um Bandenkriminalität, sondern darum, dass Einzelpersonen das machen oder Personen das jedenfalls nicht als Bande oder als Netzwerk organisiert machen. Da - das kann ich Ihnen nur sagen; das ist auch von Herrn Maas erwähnt worden - ist das Erste und das Wichtigste, möglichst viele Einbrüche zu verhindern, zu vermeiden.

Das kann man am besten dadurch, dass die Wohnungen gesichert werden, bestmöglich gesichert werden. Da kann nicht nur der Einzelne etwas tun, sondern der Staat kann mit Gesetzen und mit Geld helfen. Beides ist nicht genügend vorhanden. Hier sollten Sie etwas tun und nicht Symbolpolitik machen und versuchen, mit erhöhten Mindeststrafen dagegen vorzugehen.

Ich sage Ihnen: In Berlin und auch in anderen Bundesländern gab es Kampagnen der Kriminalpolizei, mit denen sie die Bürgerinnen und Bürger darüber aufklärten, was man noch alles tun kann. Ich habe aus schlimmer Erfahrung in meiner eigenen Wohnung auch zusätzlich etwas für Sicherheit getan. Man kann ein Stangenschloss anbringen, man kann die Fenster sichern.

Man kann, wenn man parterre wohnt, dickere Scheiben einsetzen. Aber das alles kostet Geld. Geringverdiener können sich das nicht leisten. Das heißt, der Staat muss helfen. Er muss Geld zur Verfügung stellen. Wenn Sie sagen: "KfW", dann fragen Sie einmal: Wie viel Geld steht jetzt noch zur Verfügung? Da sage ich Ihnen: Die Mittel sind ausgeschöpft. Hier muss Geld zugelegt werden. Die Bürgerinnen und Bürger müssen darüber informiert werden, wo sie Geld bekommen können. Die meisten wissen das gar nicht.

Aber Sie können auch gesetzgeberisch etwas machen. Sie können zum Beispiel die unsinnige Regelung beseitigen, dass Mieter, wenn sie dafür sorgen, dass ihre Wohnungen sicher werden - zum Beispiel, indem sie ein Stangenschloss anbringen, das insgesamt gut 1 000 Euro kosten kann, weil die ganzen Vorrichtungen angebracht werden müssen -, beim Auszug alles wieder zurückbauen und den ursprünglichen Zustand wiederherstellen müssen. Völlig unsinnige Geschichte. Sie können auch die Vermieter verpflichten - das können Sie in die Bauordnung hineinschreiben -, dass zu einer neuen Wohnung auch gehört, dass sie ausreichend gesichert werden kann. Das muss moderner Standard sein, wenn Wohnungen gebaut werden. Dazu machen Sie einmal ein Gesetz. Das können Sie ändern, und da können Sie etwas hineinschreiben. - Ja, Landesbauordnungen. Auf Bundesebene können Sie da auch anfangen.

Sie kommen immer noch mit dem alten Argument, das in der Bevölkerung verfangen soll, dass bei höheren Strafen die Einbrecher das auch lassen; denn sie würden vorher abwägen, wie viel sie beim Einbruch bekommen. Wenn die Strafe zu hoch ist, dann lassen sie es. - Das stimmt nicht. Das stimmt schon in der allgemeinen Form nicht, das stimmt aber gerade bei Wohnungseinbrüchen nicht. Vor zwei Jahrzehnten haben Sie schon einmal die Mindeststrafe verdoppelt. Die Mindeststrafe betrug drei Monate. Sie haben sie auf sechs Monate erhöht. Es war völlig ohne Wirkung, weil 95 Prozent der Täter, meistens Männer, aber auch der Täterinnen diese Erwägung, was ihnen das an Gefängnis einbringen kann, vorher überhaupt nicht anstellen.

Wenn Ihnen das nicht einleuchtet, dann kommen wir zu einem zweiten Punkt. Sie können am meisten etwas gegen Wohnungseinbrüche tun, indem Sie die Aufklärungsquote erhöhen. Das hat Herr Maas auch gesagt. Aber wie kann man das erreichen? Indem man erstens die Polizei dazu in die Lage versetzt, mehr vor Ort zu sein, indem man zweitens den Wohnungsinhabern, Wohnungseigentümern oder -mietern, die Möglichkeit gibt, sehr viel schneller die Polizei zu erreichen, und indem man drittens die Polizei, die vor Ort Streife fährt, in die Lage versetzt, am Tatort möglichst schnell Tatspuren zu sichern. Das ist heutzutage alles nicht gesichert, weil es viel zu wenig Kriminalbeamte gibt, die Streife fahren und schnell zum Tatort kommen.

Das heißt, hier müssen Sie investieren: bei der Polizei, bei der technischen Ausstattung der Polizei, bei der Stärke und der Präsenz vor Ort. Da können Sie etwas tun; da können Sie etwas erreichen. Wenn die Aufklärungsquote steigt, dann wird die Zahl der Einbrüche zurückgehen. Deshalb sagen wir: Ihr Weg ist der falsche.

Wir können uns - dazu sind wir gerne bereit - mit gutem Rat beteiligen, was man machen kann. Zu Ihrem Argument: "Wir nehmen die Vorratsdatenspeicherung, weil wir dann besser aufklären können", sage ich Ihnen, Herr Maas: Ich habe noch, als Sie in dieser Frage umgefallen sind, Ihre Versicherung im Ohr: Wir wollen das nur einführen für Mord, Totschlag, für schlimme Sexualstraftaten und Terrorismus. - Jetzt kommen Sie plötzlich und ganz nebenher damit und führen das auch für den Einbruchdiebstahl ein. Das kann nicht wahr sein.

Genauso ist es falsch, eine Strafmilderung bei minderschweren Fällen abzuschaffen. Das ist Blödsinn; denn es gibt tatsächlich Fälle, in denen man minder bestrafen muss. Ich sage Ihnen: Sie misstrauen den Strafverfolgungsbehörden und den Richtern. Sie wollen sie zwingen, Strafen zu verhängen, die gar nicht angemessen sind, die das Schuldprinzip verletzen, und da machen wir nicht mit. Wir vertrauen den Richtern, dass sie in jedem Einzelfall zu einem gerechten Urteil kommen, das der Tat angemessen ist.

Insofern sage ich Ihnen: Hören Sie mit diesem Misstrauen auf, das sich darin ausdrückt, dass Sie den Richtern jede Einzelheit vorschreiben wollen. Geben Sie ihnen einen weiten Entscheidungsrahmen vor. Damit können Sie die Bürgerinnen und Bürger wirksam schützen, wenn Sie zugleich all das berücksichtigen, was im Bereich der Prävention bitter notwendig ist, was im Hinblick auf eine bessere Ausstattung der Polizei dringend notwendig ist. Wenn Sie da etwas tun, haben Sie uns an Ihrer Seite - gemeinsam im Kampf gegen Einbruchsdiebstähle in Deutschland.