Wahlkampf 2013

Bundespolitische Auswirkungen neu bekannt gewordener Verstöße gegen das Parteiengesetz

14.02.2001: Verstöße gegen Bestimmungen zur Parteienfinanzierung - Landowsky-Affäre in der Berliner CDU

(Hans-Michael Goldmann [F.D.P.]: Jetzt kommt das Gewissen der Nation!)

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Scholz, Gesetzesverstöße sind schlimm genug. Verstöße gegen Richtlinien der CDU sind auch schlimm. Aber viel schlimmer sind die Verstöße gegen das Grundgesetz.

(Dr. Rupert Scholz [CDU/CSU]: Davon verstehen Sie doch nichts! Sie verstehen was vom Strafgesetzbuch, aber nicht vom Grundgesetz!)

Art. 21 des Grundgesetzes - das müssten Sie als Verfassungsrechtler wissen -, verpflichtet die Parteien -, auch die in Berlin -, gegenüber den Bürgern die Herkunft ihrer Gelder offen zu legen.

(Dr. Rupert Scholz [CDU/CSU]: Sie verstehen doch mehr vom Strafgesetzbuch!)

Das haben weder Herr Landowsky noch Herr Buwitt getan. Wir beschäftigen uns seit mehr als einem Jahr mit der CDU-Spendenaffäre. Wir hören immer wieder die Bekenntnisse, es solle aufgeklärt werden.

(Dr. Rupert Scholz [CDU/CSU]: Das machen wir doch! - Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Es ist doch aufgeklärt!)

Ich frage mich, was der Kollege Buwitt wohl gedacht hat, als Herr Schäuble oder Frau Merkel von diesem Podium aus im letzten Jahr angekündigt haben, es werde umfassend und schonungslos aufgeklärt. Der Kollege Buwitt ist nicht an dieses Rednerpult getreten -, was er eigentlich hätte tun sollen -, um zu sagen: Auch ich bin vom Stamme Nimm; auch ich habe von Herrn Landowsky 25 000 DM genommen, die ich nicht in die Parteikasse getan habe - dies hat uns Herr Landowsky erzählt -, sondern damit habe ich mich zunächst einmal gegenüber meiner Mitarbeiterin ehrlich gemacht; ich habe erst einmal 4 000 DM an sie gezahlt, weil sie mich im Wahlkampf unterstützt und mir meine Termine geordnet hat; dann habe ich das übrig gebliebene Geld nicht in die offizielle Parteikasse, sondern in eine Schwarzgeldkasse getan, durch die CDU-Bedürfnisse - wir hören von immer neuen Verbrauchszwecken - befriedigt worden sind.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Die hätten mal einen Grundgesetzkommentar kaufen sollen!)

Derselbe, der diese 40 000 DM in Empfang genommen hat, hat im Abgeordnetenhaus von Berlin vollmundig erklärt: Dort, wo Verwahrlosung herrscht, ist Gesindel. Das muss in der Stadt beseitigt werden.

In der Zeit, als er das sagte, hat dieser Herr die 40 000 DM entgegengenommen, womit er erst einmal Herrn Kauffmann, seinen Wahlkampfhelfer in der CDU, bezahlt hat, bevor er das Geld an seine Parteikollegen weiterverteilt hat.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Wie bei der Mafia! Beute!)

Ist das die Offenlegung der Herkunft, die nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorgeschrieben ist? Das ist das Gegenteil davon. Wir haben in dem Untersuchungsausschuss, der sich mit diesem Thema beschäftigen muss, die bundespolitischen Konsequenzen zu klären. In diesen Berliner Skandal sind die CDU-Politiker Neuling - ehemaliger Kollege im Deutschen Bundestag- und Buwitt - noch Kollege im Deutschen Bundestag - verwickelt. Der Rechenschaftsbericht der Bundes-CDU ist falsch und muss korrigiert werden. Das wird für die CDU auch finanzielle Konsequenzen haben müssen. Ein Verstoß gegen das Parteiengesetz und gegen das Grundgesetz liegt vor.

Auch vom Untersuchungsausschuss müssen die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Wir müssen alles wissen, etwa wer eigentlich Max Schwendke ist, der an die CDU ebenfalls 10 000 DM gespendet haben soll.

(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das ist der Mann aus Schönefeld!)

Als man nachgesehen hat, hat man festgestellt, dass dort, wo er eigentlich wohnen soll, ein leeres Haus steht. Aber das Grundstück, auf dem nur ein leeres Haus steht, soll den Kollegen Neuling und Wienhold gehören; diese wiederum sind Geschäftsführer von Aubis.

Nun wehrt sich der Herr Scholz dagegen, dass wir behaupten, da gebe es einen Zusammenhang. Herr Scholz, was würden Sie denn als Richter - zu Ihnen passt vielleicht besser die Rolle des Staatsanwaltes -

(Dr. Rupert Scholz [CDU/CSU]: Bei Ihnen würde ich auch den Richter machen!)

sagen, wenn Sie erfahren, dass jemand, der einen Kredit von über 600 Millionen DM haben will, den Kredit anmahnt und sagt: "Wann kommt ihr endlich damit rüber?", der Kredit aber nicht bereitgestellt wird,

(Hans-Michael Goldmann [F.D.P.]: Der braucht den!)

er dann 40 000 DM gibt und in denselben Vermerk, mit dem er die Auszahlung des Kredits forcieren will, von 40 000 DM schreibt, die K. L. gegeben werden sollen? Wenn dann die 40 000 DM gegeben werden und der Kredit fließt, liegt da nicht,

(Dr. Rupert Scholz [CDU/CSU]: Völliger Blödsinn!)

Herr Scholz, ein dringender Verdacht nahe? Ich denke, dem kann man sich nicht entziehen. Ich will Ihnen abschließend etwas sagen: Zurzeit diskutieren wir ja sehr viel über die 68er. 1968 haben wir durch Analysen weitgehend theoretisch herausbekommen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem großen Kapital, den Waffenunternehmen, den großen Energieunternehmen und der Politik in der Bundesrepublik Deutschland gibt. So banal, wie Sie uns den Zusammenhang jetzt erklären, haben wir uns das Funktionieren des Kapitalismus nicht vorgestellt, nämlich dass da ein ausgewachsener Bundeskanzler im Bundeskanzleramt sitzt, Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): - der mit der einen Hand Gesetze in seiner Funktion als Regierungschef unterschreibt, die andere Hand aber aufhält und dicke Pakete von der Industrie annimmt.

(Widerspruch des Abg. Hans-Michael Goldmann [F.D.P.] - Zurufe von der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau dieses System Kohl hat auch Herr Landowsky praktiziert. Das muss ein Ende haben. Deshalb gibt es uns im Bundestag und im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS - Walter Hirche [F.D.P.]: Mit dieser Primitivität muss es ein Ende haben!)