Wahlkampf 2013

Rede zur "Sittenwidrigkeit" des hessischen Wahlkampfes wegen versteckter Parteispenden

26.10.2000: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6.Ausschuss) zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvF 1/00 - Beschlussempfehlung und Bericht - Normenkontrollklage Hessens beim Bundesverfassungsgericht gegen Art. 78 der hessischen Landesverfassung (Wahlprüfungsgericht), Stellungnahme des Bundestages

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst ist es ja schon einmal erfreulich, dass nun auch vonseiten der CDU klargestellt wurde, dass der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages bisher noch nicht entschieden hat, dass die Wahl in Hessen illegal gewesen sei und deswegen wiederholt werden müsse. Vielmehr geht es lediglich darum, dass der Rechtsausschuss eine Stellungnahme des Deutschen Bundestages zu der Normenkontrollklage des Landes Hessen gegen die hessische Verfassung für richtig hält. Wir wollen nichts anderes, als dass eine Stellungnahme dazu abgegeben wird. Es geht noch gar nicht darum, was in der Stellungnahme drinstehen wird. Dass Sie sich so dagegen wehren, muss ganz andere Gründe haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Auf diese Gründe komme ich jetzt zu sprechen: Erstens ist es keineswegs so, dass über dem hessischen Wahlprüfungsgericht nur der liebe Gott steht, sondern dazwischen sitzen noch die Richter des Bundesverfassungsgerichts. Darauf können Sie sich verlassen. Jede andere Behauptung wäre unrichtig.

(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: So steht es in der Verfassung drin!)

Zweitens wollen wir gerne an den Maßstäben des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, nicht an der hessischen Verfassung, messen lassen, ob es - darauf wurde ja bereits hingewiesen - gegen die guten Sitten verstößt, wenn eine im Bundestag vertretene Partei Millionen in die Schweiz verschiebt und dann, um diese Verschiebungsaktion und vor allen Dingen die Rückführung dieser Gelder zu verdecken, jüdische Vermächtnisse erfindet.

(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Das sind doch völlig dumme Erwägungen! Hat doch mit dem Wahlkampf nichts zu tun! Herr Ströbele, Sie verfälschen die Debatte!)

Ob hier ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, soll am Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gemessen werden.

Weiterhin soll festgestellt werden, ob der Rücktransfer dieser in die Schweiz verschobenen Millionen Einfluss auf die letzte Wahl zum Hessischen Landtag gehabt hat. Es sind Gelder in die Schweiz geflossen, es sind Gelder zurückgeflossen, davon sind Gelder in den hessischen Wahlkampf gegeben worden, und mit den Geldern aus der Schweiz wurde unter anderem die Zentrale der hessischen CDU in Wiesbaden, die dann auch Wahlkampfzentrale war, gekauft.

(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das ist eine lächerliche Feststellung!)

Wir wollen nun feststellen, ob das gegen die guten Sitten verstößt. Wenn das gegen die guten Sitten in diesem Lande verstößt und dieser Verstoß gegen die guten Sitten ursächlich das Wahlergebnis beeinflusst hat, stellt sich die Frage, ob es mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vereinbar ist, wenn man das Ergebnis einer solchen Wahl für ungültig erklärt und die Wahl wiederholen lässt. Darum geht es.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Drittens geht es um das, was der Kollege Geis im Rechtsausschuss von sich gegeben hat.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie waren nicht da!)

Doch, ich war da. - Er äußerte dort nämlich Bedenken, ob die Mitglieder des Wahlprüfungsgerichts in Hessen in dieser Sache urteilen können, da sie einer Partei angehören.

(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Nein, weil sie Wahlkampf gemacht haben!)

In diesem Punkt äußerte er Bedenken. Ich kann dazu nur sagen: Wenn Sie diese Kriterien anwenden, müssen Sie sehr, sehr vorsichtig sein, weil Sie dann sogar Probleme mit den Urteilen der Richter des Bundesverfassungsgerichts haben müssten.

(Heinz Schemken [CDU/CSU]: Pofalla!.)

Wenn ich mich recht erinnere, waren auch maßgebliche Richter und Präsidenten dieses Gerichts vor ihrer Tätigkeit im Bundesverfassungsgericht in politischen Parteien aktiv, die sie dann für diese Ämter nominiert haben. Das heißt, auch der Teil der Normenkontrollklage, der sich dagegen wendet, dass diese Richter urteilen dürften, obwohl sie nach dem hessischen Gesetz in dieses Wahlprüfungsgericht bestellt wurden, ist bedenkenswert. Wir wollen doch nur, dass der Deutsche Bundestag, beispielsweise nach Diskussionen im Rechtsausschuss, dazu eine Stellungnahme abgibt.

Viertens. Warum haben es die Hessische Landesregierung, die hessische CDU und die Bundes-CDU über all die Jahrzehnte eigentlich nicht vermocht, die ganze Kritik, die man jetzt, auch in dem Schriftsatz, wortreich übt, vorzutragen? Warum ist man bei bisherigen Entscheidungen dieses Wahlprüfungsgerichts immer davon ausgegangen, dass sie zutreffend, richtig und zu befolgen sind? Nur weil die Entscheidungen Ihnen gefallen haben? Sie können doch die Quasirechtsprechung dieses Wahlprüfungsgerichts

(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Was ist das Gericht denn?)

Rechtsprechung im eigentlichen Sinne ist es ja nicht - nicht vom Ergebnis abhängig machen, nur weil in diesem Fall die Gültigkeit der hessischen Landtagswahl auf dem Spiel steht und weil Sie wissen, dass in dem Verfahren des Wahlprüfungsgerichts all das gegen die guten Sitten Verstoßende, das die hessische CDU angerichtet hat, ans Tageslicht kommt und auch überregional immer wieder von Neuem diskutiert wird.

(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Obersittenwächter Ströbele! Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Wir wollen, dass diese eminenten Verstöße gegen die guten Sitten in diesem Land auf die Tagesordnung kommen. Damit soll sich auch der Deutsche Bundestag beschäftigen und er soll eine Stellungnahme dazu abgeben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Pofalla lässt grüßen!)

Damit würden dem Bundesverfassungsgericht zusätzliche Anhaltspunkte gegeben, über diese Verfassungsklage gerecht zu entscheiden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir sind dafür, der Empfehlung des Rechtsausschusses zu folgen und eine Stellungnahme des Bundestages herbeizuführen. Wir hoffen, dass Sie sich an der Ausarbeitung dieser Stellungnahme beteiligen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)