Wahlkampf 2013

Rehabilitierung und Entschädigung politisch Verfolgter der DDR

30.06.2000: Erleichterte und erweiterte Rehabilitierung und Entschädigung für Opfer der politischen Verfolgung in der DDR

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Kollege Nooke, Sie wollen den Opfern der DDRDiktatur eine monatliche Rente von 1 000 DM geben, längstens zehn Jahre. Sie wollen außerdem Nachzahlungen für Kapitalentschädigungen in Höhe von insgesamt 800 Millionen DM zahlen. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf ehrlicherweise die Zahlen genannt: 1,5 Milliarden DM würden die Renten kosten. Auf zehn Jahre gesehen sind das Kosten in Höhe von 15 Milliarden DM. Vielleicht liegt der Betrag ein wenig niedriger, weil der eine oder die andere Betroffene inzwischen gestorben ist.

Entsprechende Überlegungen sind schon häufiger im Bundestag und in den Ausschüssen angestellt worden. Diese sind vom Grundansatz her auch richtig. Das geschehene Unrecht kann man zwar nicht wieder gutmachen, aber man kann den Opfern für die erlittenen Leiden Geld zahlen. Das ist grundsätzlich richtig. Als die Damen und Herren von der CDU/CSU diese Überlegungen unterschrieben haben: Was haben Ihre Kollegen Ihnen gesagt, warum in den acht Jahren, in denen das Geld vorhanden war und in denen sie die Macht im Parlament hatten, entsprechende Regelungen zu verabschieden, diese Überlegungen nicht umgesetzt wurden? Die Idee war ja nicht neu; sie gab es schon damals.

Warum sind entsprechende Maßnahmen damals nicht eingeleitet worden? Es gibt auf diese Frage nur eine einzige Antwort: Sie wollten das damals nicht, weil die Prioritätensetzung, die Sie jetzt anmahnen - jetzt sagen Sie, man müsse andere Vorhaben im Augenblick sein lassen, damit man diese 15 Milliarden DM plus 800 Millionen DM zur Verfügung stellen kann -, damals eine andere war. Warum wollen Sie sie jetzt? - Weil Sie genau wissen, dass Sie dafür keine Verantwortung tragen. Sie können entsprechende Vorschläge machen, aber nicht beschließen. Damit können Sie in der Öffentlichkeit für sich Reklame machen.

Was aber nicht in Ordnung ist: Damit wecken Sie Hoffnungen bei Menschen, die möglicherweise Anspruch auf eine solche Ehrenrente hätten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Auf diese Weise kann man mit dem Thema nicht umgehen. Sie wissen ja auch aus Ihrer eigenen Regierungszeit, dass das entsprechende Geld nicht vorhanden ist. Es geht nicht nur um die 1 000 DM, sondern es geht in der Summe - ich habe es zusammengerechnet - um Milliardenbeträge, die angesichts der ungeheuren anderen Lasten und Zahlungen, die schon geleistet werden, nicht zur Verfügung stehen.

Wir waren bestrebt - wir haben das schon damals angemahnt; seinerzeit gehörten Sie noch den Bündnisgrünen an -,

(Günter Nooke [CDU/CSU]: Ich war nie bei den Grünen!)

dass wenigstens Gerechtigkeit geschaffen wird, dass Gerechtigkeit für die Opfer in West und Ost geschaffen wird. Das haben wir gemacht. Das haben wir Ende des letzten Jahres auf den Weg gebracht. Wir haben verabschiedet, dass der Tag Untersuchungshaft oder Strafhaft im Westen genauso viel gilt und mindestens genauso viel an Entschädigung bringt wie im Osten. Nicht einmal das haben Sie damals hinbekommen. Deshalb können Sie jetzt unmöglich einen solchen Vorschlag unterbreiten. Es gibt auch noch einen inhaltlichen Grund. Sie können doch nicht jemanden, der berufliche Nachteile hatte, mit jemandem gleichsetzen, der vielleicht fünf Jahre im Gefängnis gewesen ist. Das tun Sie aber in Ihrem Gesetzentwurf. Sie können doch nicht demjenigen, der fünf Jahre im Gefängnis gewesen ist, 1 000 DM pro Monat gewähren und demjenigen, der zwei Wochen im Gefängnis gewesen ist oder berufliche Nachteile hatte, ebenfalls. Das wäre doch für diejenigen, denen gegenüber Sie das rechtfertigen müssten, eine ungeheuer ungerechte Lösung. Deshalb ist auch immanent gedacht die Vorstellung, die Sie hier entwickelt haben, nicht richtig. Wir wehren uns dagegen, weil damit nicht erfüllbare Ansprüche geweckt werden. Diese Attitüde sollten Sie als ehemaliger Bündnisgrüner - wir mussten das auch tun - endlich einmal ablegen.

(Günter Nooke [CDU/CSU]: Ich war nie Grüner!)

Ich komme nun zu den Vorstellungen der PDS. Ich verstehe - ich finde es auch grundsätzlich richtig -, dass man zum Jahrestag am 3. Oktober, - so haben Sie das auch gemeint - ein auch materielles Zeichen setzen will. Die Zeichen, die Sie setzen wollen, sind dafür aber ungeeignet. Wir können uns gern überlegen, ob uns noch etwas anderes einfällt. Das ist ja noch ein paar Monate hin. Aber sozusagen aufgedrängte Nachzahlungen zu fordern, zu fordern, die Leute erst noch zu suchen, um ihnen Nachzahlungen zu gewähren, obwohl sie gar keinen Antrag stellen, halte ich für den falschen Weg. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass das einen ganz erheblichen bürokratischen Aufwand verursacht, der viel Geld kostet. Dieses Geld sollte man lieber den Opfern direkt zukommen lassen. Das heißt, man könnte sich überlegen, eine Kampagne zu machen, öffentliche Hinweise zu geben, damit diejenigen, die anspruchsberechtigt sind, Anträge stellen. Man könnte vielleicht auch die Vertreterverbände finanziell in die Lage versetzen, wirksamer zu verbreiten, dass Anträge gestellt werden können. Das fände ich richtig und vernünftig.

Hinsichtlich der Leute, die aufgrund einer abgebrochenen schulischen Ausbildung Nachteile haben, halte ich das für problematisch, weil ein hypothetischer Lebenslauf berechnet werden müsste. Das ist mit zu vielen Unwägbarkeiten verbunden.

Für die Opfer, die für gesundheitliche Haftschäden eine Entschädigung haben wollen, müssen nachweisen, dass aufgrund der Haft eine Gesundheitsschädigung entstanden ist. Das ist ungeheuer schwierig, darin gebe ich Ihnen Recht. Dieses Problem sind wir aber angegangen. Es ist zugesagt, dass - das halte ich für wesentlich wirksamer - alle alten Entscheidungen noch einmal nach den neuen Vorschriften überprüft werden. Das wird auch getan. Der Deutsche Bundestag sollte aufpassen, dass das auch tatsächlich umgesetzt wird. Er sollte seine Kontrollfunktion ausüben. Dann ist diesen Opfern mehr geholfen. Für das Setzen von Signalen bin ich immer gern zu haben. Das wären aber nicht die richtigen, praktikablen Zeichen, die man zum 3. Oktober zu setzen hat. Seien wir realistisch! Versuchen wir nicht, ungerechtfertigte Forderungen zu erheben! In den Beratungen sollten Sie von diesen Vorschlägen Abstand nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)