Wahlkampf 2013

Reform der Juristenausbildung

30.06.2000: Gesetz zur Reform der Juristenausbildung (JurAusbReformG) - Gesetzentwurf

Einigkeit besteht darüber, dass die Ausbildung der Juristinnen und Juristen reformbedürftig ist; diese Notwendigkeit ist im Entwurf der F.D.P. auch eindrucksvoll dargelegt. Allerdings stellt der F.D.P.-Entwurf aus vielen Gründen nicht die Lösung des Problems dar: Erstens. Die Abschaffung des obligatorischen ersten Staatsexamens wird in der Realität dazu führen, dass diejenigen Absolventinnen und Absolventen ohne Staatsexamen als Juristinnen und Juristen zweiter Klasse eingestuft werden. Nach bisherigem Stand werden mindestens sieben Bundesländer die ausschließlich universitäre Prüfung nicht mitmachen.

Die "Universitätsabschlussjuristinnen und -juristen" werden sowohl bei der Vergabe der Ausbildungsplätze für den Vorbereitungsdienst als auch als Bewerberinnen und Bewerber auf dem Arbeitsmarkt erheblich schlechtere Chancen haben als die "Staatsexamensjuristinnen und -juristen". Einheitlichkeit, Vergleichbarkeit und Chancengleichheit sind mit diesem Modell nicht gewahrt.

Die Beibehaltung des obligatorischen ersten Staatsexamens ist deshalb dringend geboten; allerdings sollte der Bundesgesetzgeber den Prüfern der jeweiligen Universitäten mehr Einfluss auf die Prüfungen ermöglichen, zum Beispiel die Federführung bei der Auswahl der Aufgaben den Hochschullehrern zu überlassen.

Zweitens. Entschieden abzulehnen ist die Eingangsprüfung für den Vorbereitungsdienst. Abgesehen von verfassungsrechtlichen Bedenken - Art. 12: entweder ist die universitäre Abschlussprüfung die Qualifikation für den Vorbereitungsdienst oder nicht -, ist dies der untaugliche Versuch, die nicht gegebene Einheitlichkeit der Abschlussprüfungen nachträglich auf Kosten der Uni-Absolventinnen und -Absolventen herzustellen.

Was sollen diejenigen tun, die diese Prüfung nicht bestehen? Wer bereitet auf diese Prüfung - wahrscheinlich mit bis zu diesem Zeitpunkt nur unzulänglich vermitteltem Praxiswissen gespickt - vor? Bei der Eingangsprüfung für den Anwaltsvorbereitungsdienst droht die Gefahr einer Bedarfsprüfung.

Drittens. Zwar ist die Dreiteilung des Vorbereitungsdienstes zu begrüßen. Allerdings sollen die heikelsten Punkte - Gestaltung der Ausbildungssituation, Finanzierung des Anwaltsvorbereitungsdienstes und Besetzung der Prüfungsorgane per Rechtsverordnung des BMJ im Benehmen mit der Bundesrechtsanwaltskammer unter Zustimmung des Bundesrates geregelt werden. Als zentrale Ausbildungsstelle wird als Ort eine Anwaltsakademie vorgeschlagen, die es noch zu gründen gelte. Dabei wird verschwiegen, dass es bundesweit bereits Fortbildungsakademien für Anwälte gibt, für deren Seminare hohe Gebühren gezahlt werden müssen. Nicht gesagt wird, wer in welcher Höhe den Anwaltsvorbereitungsdienst finanzieren soll.

Viertens. Die im Rahmen der Kosten aufgeführten Einschätzungen, dass die Landesjustizhaushalte entlastet und der Zuwachs bei den Wissenschaftshaushalten zur Verbesserung der universitären Ausbildung kaum ins Gewicht fallen würden, gehen in mehrfacher Hinsicht an der Realität vorbei.

a) Die Entlastungen bei den Landesjustizhaushalten werden wahrscheinlich nicht in dem erhofften Maße eintreten, weil sowohl für den Justizvorbereitungs- als auch den Verwaltungsvorbereitungsdienst Vorhaltekosten entstehen. Mit der Abschaffung der bisher obligatorischen Staatsanwaltschaftsstation wird der staatsanwaltschaftliche Sitzungsdienst auf Amtsgerichtsebene, der bisher überwiegend von Rechtsreferendarinnen und -referendaren wahrgenommen wird, bundesweit zusammenbrechen. Der Sitzungsdienst muss dann von neu eingestellten Staatsanwältinnen und Staatsanwälten wahrgenommen werden. Da eine Praxisphase - wo auch immer verortet - unerlässlich ist, muss diese auch finanziert werden. Die Finanzierung sollte nicht mehr, wie bisher, im Rahmen eines starren Beamtenverhältnisses auf Widerruf erfolgen, sondern flexibler als Angestelltenverhältnis ausgestaltet werden. Auch die Höhe der Bezüge bzw. des Gehalts muss bei einem allein stehenden Referendar nicht unbedingt circa 2 000 DM brutto betragen; allerdings erfordert eine sozialverträgliche Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes ein Mindestgehalt von 1 700 DM brutto; von einer Entlastung der Justizhaushalte kann also keinesfalls die Rede sein.

b) Die Einschätzung, dass der Zuwachs der Mittel für die universitäre Ausbildung kaum ins Gewicht fallen werde, ist entschieden zu verneinen. Abgesehen davon, dass aus den oben genannten Gründen kaum Mittel aus den Justizhaushalten an die Universitäten zu verteilen sein werden, sind für eine studentinnen- und studentengerechte universitäre Ausbildung strukturelle - insbesondere personelle - Veränderungen der bisherigen Lehrkörper an den Universitäten ebenso erforderlich, wie eine erheblich bessere Finanzausstattung der ausbildenden Institute:

Ohne den kostenintensiven Ausbau bzw. die Neuschaffung eines im Verhältnis zu den bisherigen Lehrstuhlinhaberinnen und -inhabern und im Rahmen der Institute unabhängigen sowie eigenständigen akademischen Mittel- und Oberbaus, der unabhängig von Forschungsinteressen und -verpflichtungen die Studentinnen und Studenten mit didaktisch modernen Lehrmethoden kontinuierlich und systematisch Theorie und Praxis miteinander verzahnend ausbildet, ist jede Ausbildungsreform zum Scheitern verurteilt.

Im Unterschied zu heute müssen die Lehrstuhlinhaber/ Dozentinnen und Dozenten keine akademische Laufbahn an der Universität einschlagen.

Die Qualitätskontrolle der Lehre erfolgt durch eine echte Evaluierung, wie sie bei Privatakademien schon bisher üblich ist.

Diese strukturelle und personelle Neuerung wird die Landeswissenschaftshaushalte für die 38 deutschen Universitätsstandorte mit rechtswissenschaftlichen Fakultäten Milliarden kosten.

Es gäbe noch weitere Kritikpunkte, die ich aus Zeitgründen leider nicht mehr ansprechen kann.

Eines ist jedenfalls klar, das Modell der F.D.P. kann so nicht unsere Zustimmung finden. Die Koalition wird nach Diskussion und Abstimmung mit den Justizministerien der Länder einen eigenen Vorschlag vorlegen. Die Juristenausbildung muss der Änderung der Gesellschaft und des Berufsbildes der Juristen angepasst werden. Sie darf nicht zur Heranbildung von "Fachidioten" des Rechts führen, sondern muss interdisziplinärer werden und Juristinnen und Juristen bilden, die gewohnt sind, über den Tellerrand des Juristischen zu blicken und gesellschaftliche Zusammenhänge zu begreifen und in ihre Arbeit einzubeziehen. Die Juristenausbildung muss aber auch für alle, die diese wollen, offen bleiben, unabhängig von eigenem Einkommen und Vermögen und den finanziellen Verhältnissen der Eltern.