Wahlkampf 2013

Haltung der Bundesregierung zur Zukunft der Bundesdruckerei und der mit ihrem Betrieb verbundenen hoheitlichen Aufgaben

08.06.2000: Geplanter Verkauf der Geschäftsanteile der Bundesdruckerei, Auswirkungen auf die Arbeitsplätze

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe am letzten Mittwoch, also vor einer guten Woche, selber an der Demonstration von der Bundesdruckerei zum Bundesfinanzministerium teilgenommen und anschließend auf der Kundgebung, die vor dem Bundesfinanzministerium stattfand, auch geredet.

(Klaus Lennartz [SPD]: Ich gehe davon aus, als Gegendemonstrant!)

Nein, nein, ich habe mit der Belegschaft demonstriert.

(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

und auf Einladung des Betriebsratsvorsitzenden auf der anschließenden Kundgebung reden dürfen. Dort habe ich der Belegschaft versichert, dass wir ihre Befürchtungen ernst nehmen, dass sie bei den Bündnisgrünen gute und verlässliche Partner hat

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was bedeutet das für die Regierungskoalition?)

und dass wir die Vorstellungen, die die Belegschaft entwickelt hat, so ernst nehmen, dass sie einer ernsthaften Überprüfung durch das Ministerium und auch einer ernsthaften Diskussion hier im Deutschen Bundestag zugeführt werden. Auch Vertreter der anderen Parteien aus Berlin, etwa der CDU, haben dort reden dürfen. Sie haben sich sehr stark dafür gemacht, dass eine Privatisierung in der Form, wie sie vorgesehen ist, dort nicht stattfinden soll. Ich bin gespannt, wie sie dann hier im Deutschen Bundestag darüber abstimmen werden.

Die Befürchtungen sind gerechtfertigt. Die Bundesdruckerei - darauf ist hingewiesen worden - war ursprünglich ein Bundesunternehmen und ist 1994 privatisiert und zu einer GmbH gemacht worden. Seither hat dort ein Sanierungsprozess stattgefunden - das darf man nicht vergessen -, bei dem 30 Prozent der Arbeitsplätze, die es dort einmal gegeben hat, abgebaut worden sind. Das heißt, dieses Unternehmen hat unendlich viel - wie schwierig das ist, weiß jeder, der einmal in einer solchen Situation gewesen ist - dazu beigetragen und geleistet, dass aus ihm ein rentabler Betrieb gemacht wurde, der insgesamt seit letztem Jahr schwarze Zahlen schreibt. Das ist ein großer Erfolg, und ich glaube, wir können der Belegschaft dort nur dazu gratulieren, dass sie das hinbekommen hat.

Wir dürfen es auf gar keinen Fall zulassen, dass die Belegschaft und die Geschäftsführung dadurch bestraft werden, dass wir nun den Betrieb verkaufen und es vielleicht zu einer Zerschlagung des Unternehmens kommt, wenn die profitablen Teile herausgenommen werden, der Betrieb der anderen möglicherweise eingestellt wird und dadurch Arbeitsplätze gefährdet werden.

Die Bundesdruckerei ist im Bezirk Kreuzberg - das ist mein Wahlkreis - der wichtigste und größte Arbeitgeber. Es wäre eine Katastrophe für diesen Bezirk, der ohnehin unter der höchsten Arbeitslosigkeit in der Hauptstadt leidet, wenn dieser zentrale Arbeitgeber nicht mehr in Berlin beschäftigen würde. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist - das geben die Belegschaft und der Betriebsrat auch zu bedenken; deshalb haben sie sich über Beteiligungs- und Alternativformen der Bewirtschaftung durchaus Gedanken gemacht - der europaweite Wettbewerb. Das heißt, wenn der Euro in zwei Jahren gedruckt wird, muss das nicht unbedingt bei der Bundesdruckerei geschehen, sondern die Auftragsvergabe wird im freien Anbieterwettbewerb entschieden. Vielleicht wird er auf Sizilien billiger und möglicherweise genauso sicher gedruckt wie in Berlin-Kreuzberg. Dann ergibt sich daraus ein Problem.

Daraus folgt, der Betrieb muss weiterentwickelt werden. Dabei ist vor allen Dingen der Betriebsteil Orga-Kartensystem ein sehr hoffnungsvoller Ansatz, der durch weitere Investitionen gefördert werden muss. Es ist deshalb richtig und wichtig, dass ein Investor gesucht wird. Das sieht auch die Belegschaft so und auch der Betriebsrat macht dabei mit. Das sollen wir fördern.

Wir müssen allerdings sicherstellen, dass der Standort gewahrt bleibt. Es kann nicht sein, dass die Hauptproduktion in Zweigbetriebe, wie jetzt nach Neu-Isenburg, verlagert wird. Es muss ein nur wenige Kilometer von hier angesiedelter Standort bleiben, bei dem ein Teil der Berliner Bevölkerung Arbeit findet. Es muss ein Arbeitgeber bleiben, bei dem nicht nur die Arbeitsplätze in diesem und im nächsten Jahr gesichert sind, sondern auch in fünf oder zehn Jahren, wenn dort keine Ausweise oder Reisepässe in der heutigen Form mehr produziert werden, sondern wenn Alternativen, etwa kleinere Chipkarten oder Ähnli- ches, hergestellt werden. Auch dann müssen sie konkurrenzfähig sein. Das muss sichergestellt werden.

Ich denke deshalb, wir sind auf einem richtigen und guten Weg, wenn wir dem Betriebsrat sagen: Legt eure Konzepte vor, sie werden vom Finanzministerium geprüft! Legt eure Vorschläge für eine Beteiligung der Arbeitnehmer an der Produktion und den Entscheidungsprozessen vor! Wir garantieren euch, dass sie genau geprüft werden und dass angesichts des Risikos, das mit einer Veräußerung oder der Beteiligung eines Großinvestors immer verbunden ist, sichergestellt wird, dass auf absehbare Zeit keinerlei Risiken für die Arbeitnehmer und den Standort in der Stadt eintreten.

Wenn wir das tun, handeln wir verantwortlich. Dann können sich dieser Betrieb und möglicherweise auch andere Bundesbetriebe oder ehemalige Bundesbetriebe solche Demonstrationen sparen, weil sie wissen, ihre Angelegenheiten sind bei der rot-grünen Koalition gut aufgehoben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)