Wahlkampf 2013

Antrag zur Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba im Jahr 2000

24.02.2000: Entwicklungspolitisches Modell Kuba - Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba - Kubapolitik der USA

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich hatte eigentlich von der Kollegin Reinhardt erwartet, dass sie mir erläutert - das haben Sie mir über die Bänke hinweg versprochen -, wieso man durch eine technische Zusammenarbeit in einem sinnvollen Projekt ein Regime hofiert und auf dem diplomatischen Parkett gesellschaftsfähig macht, wieso es aber etwas anderes ist, wenn man als Oberhaupt der katholischen Kirche nach Kuba fährt, Fidel Castro umarmt und küsst. Was der Unterschied zwischen diesen beiden Verhaltensweisen ist, das wollten Sie mir eigentlich erklären. Ich glaube, selbst Sie hätten von diesem Podium aus den Papst nicht kritisiert, oder?

(Lachen bei CDU/CSU - Zuruf von der CDU/CSU: Sie waren schon einmal besser, wesentlich besser!)

Ich möchte nicht über Kuba reden, ohne die Vergangenheit Kubas und auch meine Vergangenheit, die mit Kuba zu tun hat, zu erläutern.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die kennen wir schon!)

Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Ströbele, bevor Sie das tun, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weiß? Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, im Augenblick nicht, danach. (Zurufe von der CDU/CSU: Ah, ah!)

Ich gehöre zu denen, die überhaupt keinen Hehl daraus machen und auch gar nicht verbergen wollen, dass sie einmal große Hoffnungen in Fidel Castro und die kubanische Revolution gesetzt haben. Ich gehöre zu denen, die auch in Berlin mit dem Slogan auf der Straße waren: Kuba si, Yankee no! Damit wollten wir eine freie, unabhängige und unbeeinflusste Entwicklung in Kuba. Und wir wollten den Krieg der USA gegen Kuba brandmarken - Schweinebucht und Ähnliches. Heute stelle ich aber fest - und das fehlt mir ein bisschen in dem Antrag und bei der Argumentation der PDS -, dass man der Wahrheit und der Realität im heuti- gen Kuba ins Auge schauen muss. Denn leider ist Fidel Castro bei allen Verdiensten, die er sicherlich in der Dritten Welt erworben hat, heute ein autoritärer Diktator, der es zulässt, dass in seinem Land Menschenrechte verletzt werden, und der demokratische Entwick lungen - jedenfalls die Entwicklung eines Mehrparteiensystems - nicht zulässt und der - da haben Sie sicher Recht - keine Rechtssicherheit gewährt.

Aber unsere Hoffnungen haben sich damals auf Kuba gerichtet, weil es das einzige Land Lateinamerikas war, in dem es tatsächlich gelungen ist, das Analphabetentum nachhaltig zu bekämpfen; in dem es tatsächlich gelungen ist, für die gesamte Bevölkerung eine Gesundheitsversorgung zu garantieren, wie es in keinem der anderen Länder Lateinamerikas der Fall war; in dem es möglich war; - und ich habe mir das selber angeschaut -, jedem Kleinkind in einem karibischen, also tropischen Land einen halben Liter Milch pro Tag zu geben. Das konnte man sehen; das war von der DDR dort eingeführt worden. Und in dem Land ist es heute noch so, dass keine Menschen an Hunger sterben, anders als in vielen anderen Ländern Lateinamerikas. Das muss man zunächst einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall des Abg. Gerhard Jüttemann [PDS])

Und wenn man das weiß und wenn man die verhängnisvolle und negative Entwicklung in Kuba beobachtet, muss man natürlich die Frage stellen: Woher kommt das? Hat das Embargo, hat die US-Politik, hat die Politik Europas, die zu einer Isolierung Kubas beigetragen haben, vielleicht auch etwas damit zu tun, dass eine solche abgeschottete Entwicklung in diesem Land möglich gewesen ist, sodass es unabhängig und unbeeindruckt vom Niedergang der realsozialistischen Staaten nach wie vor und in dieser Weise existiert?

Um damit Schluss zu machen, sollte man die Isolation durchbrechen. Damit befinden wir uns nicht nur auf der Seite des Papstes und der kirchlichen Organisationen, die uns das empfehlen - diese sind für mich nicht immer Vorbild -, sondern wir befinden uns damit auch auf der Seite der Europäischen Union, die meiner Ansicht nach zu Recht gefordert hat, dass man eine technische Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen in Kuba organisiert, dass man dort fördert, dass NGOs überhaupt entstehen können, weil dies im her- kömmlichen Sinne dort gar nicht möglich ist. Sie fordert, dass man so etwas fördert, dass man diese Projekte finanziell unterstützt und Ansätzen dazu Hoffnung macht.

Vielleicht gelingt es durch eine solche Politik, die den Realitäten ins Auge schaut und die natürlich auch die dortigen Fehlentwicklungen benennt, Einfluss in Kuba zu gewinnen - für eine andere, eine friedliche Entwicklung zu einem anderen Kuba, zu einer anderen Gesellschaftsordnung, ohne dass dann das passiert, was viele

befürchten, ohne dass die Contras aus den USA, aus Florida herüberkommen und all das dort wieder installieren, wogegen die kubanische Revolution einmal angetreten ist und damals zu Recht angetreten war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das wollen wir mit unseren Partnern in der EU erreichen. Wir sagen natürlich auch den offiziellen Vertretern Kubas und Fidel Castro: Wir erwarten von ihnen, dass sie zu demokratischen Verhältnissen finden und dass sie die Menschenrechte achten. Das wird Begleitmusik zu dieser technischen Zusammenarbeit mit Kuba sein. Jeder weitere Schritt, auch zu offiziellen Beziehungen, die ich grundsätzlich für die Zukunft bejahe, muss davon abhängig sein, dass Fortschritte in diesen Bereichen gemacht werden.

Wenn wir das überall immer anmelden, dann kann die Durchbrechung der Isolation zu einer besseren Gesellschaftsordnung in Kuba führen, die all das, was wir sonst in Lateinamerika in Diktaturen beobachten, feststellen und kritisieren müssen, in Zukunft vermeidet und in der das Horrorbild der Contras von Florida auf keinen Fall Wirklichkeit wird, nämlich die Wiedererrichtung einer Diktatur in Kuba, wie sie vorher unter Batista bestand.

Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Ströbele, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb finden wir das, was die Ministerin, was das BMZ angedacht hat, richtig: dass wir die technische Zusammenarbeit aufnehmen und damit mit unseren EU-Partnern einen wichtigen Schritt nach vorne machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)