Wahlkampf 2013

Parteispendenaffäre

18.02.2000: Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Schmidt, was sollen wir denn machen, wenn wir vor den Vertretern einer Fraktion und einer Partei sitzen, die selber sagen: Wir können nicht mehr aufklären; das ist jetzt Sache des Staatsanwaltes? Ihr Fraktionsvorsitzender - ich glaube, er ist es noch immer - ist mit dieser Erklärung an die Öffentlichkeit gegangen und hat damit die Waffen Ihrer eigenen Aufklärung gestreckt. Was sollen wir denn machen, wenn sich die Mitglieder Ihres eigenen Fraktionsvorstands in der Öffentlichkeit mit eidesstattlichen Versicherungen beharken, zu denen der Jurist sagt: Ist das nicht Theater nach außen? Haben die eigentlich einen juristischen Wert, wenn die Vorstandsmitglieder nun in der Partei eidesstattliche Versicherungen austauschen? Was sollen wir denn anderes machen, als zu sagen: Herr Schmidt, das gehört in den zuständigen Untersuchungsausschuss dieses Deutschen Bundestages, weil Ihre Mittel, die Angelegenheit aufzuklären, offenbar nicht mehr ausreichen? Sie haben auf der ganzen Linie versagt. Sie haben das in der Öffentlichkeit eingestanden. Daher muss diese Aufgabe leider der Untersuchungsausschuss erledigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen die Erweiterung des Untersuchungsauftrages. Es geht nicht darum, das festzustellen, was wir gestern Nachmittag diskutiert haben. Es ging um das Parteiengesetz, das Sie gemacht haben. Von diesem Parteiengesetz sagen Sie jetzt, es sei verfassungswid- rig - nur weil Sie dagegen verstoßen haben -, das habe ich von Ihren Juristen gehört. Deshalb müsse man sich danach nicht richten. Dieses Gesetz sei verfassungswidrig und deshalb seien den Konsequenzen, die Herr Thierse aus der Tatsache gezogen habe, dass Sie gegen das Gesetz verstoßen hätten, nicht Folge zu leisten; vielmehr müsse man dagegen gerichtlich angehen. Herr Schmidt, so geht es doch nicht. Sie können doch nicht verlangen, dass wir den ehemaligen Herrn Bundeskanzler, der sicherlich der zentrale Zeuge in dieser Sache ist, als Ersten hören, wenn er sich überall in den Medien hinstellt und sagt: Die entscheidende Frage, von wem ich das Geld bekommen habe, werde ich auch im Ausschuss nicht beantworten. - Somit fehlt dem Ausschuss die Möglichkeit, festzustellen, ob eine politische Beeinflussung vorhanden war, ob Herr Kirch, Siemens, Springer oder wer auch immer ihm das Geld gegeben haben und ob damit politische Entscheidungen gekauft werden sollten. Sollen wir diesen Herrn laden, wenn er uns von vornherein sagt, er werde zu diesen entscheidenden Fragen nichts sagen? Sollen wir uns drei oder vier Stunden lang seine Verdienste um die Weltgeschichte anhören? Die haben wir schon häufiger im Fernsehen genossen. (Andreas Schmidt [Mülheim] [CDU/CSU]: Sie lenken doch ab, Herr Ströbele! Geben Sie ihm doch die Chance, etwas zu sagen! Sie wollen es doch nicht!)

Herr Schmidt, wir werden zuerst - das ist sachgerechte Aufklärung - diejenigen hören, die unsere Fragen beantworten müssen.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Wir werden die Leute hören, die kein Auskunftsverweigerungsrecht haben und die dabei waren, als der ehemalige Bundeskanzler - freilich nicht als Bundeskanzler, sondern als Parteivorsitzender - die Hand ausgestreckt und die großen Kuverts mit dem gebündelten Baren bekommen hat. Diejenigen hätten wir gerne zuerst gehört, die uns darüber Auskunft geben können, wer die großen Unbekannten waren, was sie gebracht haben und was dort besprochen wurde. Dann werden wir - Sie können beruhigt sein, ich denke, das wird vor der Sommerpause sein - dem ehemaligen Bundeskanzler Gelegenheit geben, dazu Auskunft zu geben.

Wir bitten ihn dann auch Auskunft zu geben, was eigentlich davon zu halten ist, dass er und Sie von seiner Fraktion hier ein Gesetz machten, an das sich der ehemalige Kanzler, wie er im Fernsehen verkündete, nicht nur über viele Jahre, von 1993 bis 1998, nicht gehalten hat, sondern an das er sich auch heute und sonst jeden Tag weiterhin nicht halten will. Zur Offenlegungspflicht im Gesetz, die von Herrn Kohl und wahrscheinlich auch von Ihnen beschlossen wurde, sagt er: Die ist mir egal, es kann da im Gesetz stehen, was da will, ich halte mich nicht daran.

Da stellt sich doch für mich als Linker die Frage, Herr Schmidt,

(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Sie haben sich immer an das Gesetz gehalten?)

ob nicht etwas richtig ist an dem Satz, mit dem wir früher immer das Verhalten der Herrschenden beschrieben haben: Die Gesetze sind für das gemeine Volk, das hat sich daran zu halten, wenn es sich nicht daran hält, gibt es drakonische Strafen;

(Andreas Schmidt [Mülheim] [CDU/CSU]: Wer sagt denn so etwas? - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind der Saubermann des Parlaments!)

aber wir, das Establishment, die Herrschenden, brauchen uns doch nicht an das Gesetz halten. Das ist die Grundhaltung, die Helmut Kohl jeden Tag der Bevölkerung in diesem Lande vermittelt. Das ist das Schlimme.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

Das ist wirklich moralischer Verfall; Herr Kanther beklagte ihn ja immer dann, wenn von Sprayern die Rede war. Das ist der Verfall der Moral, die Sie immer versucht haben hoch zu halten.

(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Da spricht der Richtige!)

Um das aufzuklären - das ist das Interesse dieser Demokratie und dieses Bundestages und sollte auch Ihr Interesse sein -, brauchen wir die Erweiterung des Auftrages des Untersuchungsausschusses. Wir brauchen nicht eine Erweiterung in der Form, wie sie die F.D.P. ursprünglich einmal beantragt hat, nun bei den Grünen nachzuprüfen, inwieweit durch Spenden das Regierungshandeln von 1993 bis 1998 beeinflusst worden ist.

Ich denke nämlich, dass wir da völlig unverdächtig sind, weil Sie damals ja nicht auf uns gehört haben, sodass wir das Regierungshandeln leider nicht beeinflussen konnten. Wir hätten es - mit oder ohne Spenden - gerne gemacht, konnten es aber einfach nicht. Deshalb war dieser Antrag damals einfach Unsinn.

Jetzt haben wir einen vernünftigen Antrag vorgelegt. In ihm steht nicht mehr, dass nur CDU/CSU und F.D.P. überprüft werden sollen, sondern wir wollen gegen alle ermitteln, bei denen konkrete und tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie bewusst gegen die Offenlegungspflicht des Grundgesetzes und des Parteiengesetzes, die mit gutem Grund dort aufgenommen wurde, verstoßen haben. Wir wollen die dafür politische Verantwortlichen feststellen, stellen und Konsequenzen anmahnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)