Wahlkampf 2013

Haushaltsgesetz 2000

23.11.1999: Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2000 - Kontrolle der Geheimdienste - Regelung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften - Auslaufen der Kronzeugenregelung - Überprüfung der Telefonüberwachung

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

So eine Haushaltswoche - dies will ich sagen, auch wenn sie heute erst beginnt - ist häufig sehr traurig, weil man, vor allem wenn man von Ihnen eine ganz bestimmte Finanzlage übernommen hat, feststellen muß, daß überall gespart werden muß.

Auch die Justizministerin mußte sparen, und sie hat ihr Sparziel erreicht. Dies ist hier bereits ausführlich dargestellt worden. Ich will mich nicht mehr lange damit aufhalten. Die Einnahmen sollen im Jahr 2000 verbessert werden, und zwar dadurch, daß beim Patentamt und auch beim Generalbundesanwalt höhere Gebühren bezahlt werden. Beim Generalbundesanwalt handelt es sich zum Beispiel um Gebühren für Führungszeugnisse und ähnliches. Ich habe mir daraufhin noch einmal ein ganz neues Führungszeugnis zum alten Preis beschafft.

(Heiterkeit - Rainer Funke [F.D.P.]: Haben Sie das für sich selbst beschafft?)

Es ist also gespart worden. 33 Millionen DM zusätzliche Einnahmen sind in den Haushalt eingestellt worden, und die Ausgaben sind um 23 Millionen DM gesenkt worden. Das ist in Ordnung. Aber das ist natürlich nicht alles, was dieses Ministerium im letzten Jahr geschafft hat. Das wäre ja auch ein bißchen wenig. Wir Bündnisgrünen sind in diese Koalition gegangen, weil wir - dies war von Anfang an für uns ein wichtiges Ziel - Bürgerrechte und Freiheitsrechte in Deutschland stärken und diesen Rechten wieder mehr Geltung verschaffen wollen. 50 Jahre Grundgesetz - hierzu haben Sie in den letzten Wochen viele Reden gehört - heißt für viele von uns auch 50 Jahre Einschränkung von Freiheitsrechten und auch Einschränkung von Grundrechten. Man muß nur das Grundgesetz aufschlagen - und schon stellt man fest, daß viele der Bestimmungen, die hinzugekommen sind, nicht eine Erweiterung von Freiheitsrechten bedeuteten. Die F.D.P., die eigentlich einmal die Aufgabe hatte, eine Bremserfunktion beim Abbau von Freiheitsrechten einzunehmen, hat diese Aufgabe - ich komme noch im einzelnen darauf zurück - schon vor Jahrzehnten abgegeben. Deshalb war eine neue parlamentarische Kraft erforderlich: die Bündnisgrünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der F.D.P.)

Wir haben uns als erstes wichtiges Ziel vorgenommen, möglichst viel zu entrümpeln, was sich an Überbleibseln aus der bleiernen Zeit in der Bundesrepublik Deutschland angesammelt hat, die Sie ja maßgeblich im gesetzgeberischen Bereich mitgestaltet haben.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wo haben Sie da eigentlich gelebt, Herr Ströbele?)

Mit Ausnahmegesetzen wie etwa Gesetzen zur Kronzeugenregelung, zur Telefonüberwachung und zur Kontaktsperre hat eine Reihe von Mitgliedern des Bündnisses 90 und der Grünen leidvolle Erfahrungen - staatliche Repression, Überwachung und Bespitzelung - machen müssen.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Fragen Sie einmal Herrn Schily, ob er damit einverstanden ist, was Sie sagen!)

Wir haben in diesem Bereich erste Schritte beschlossen. Damit werden wir uns in den nächsten Tagen, auch morgen im Ausschuß, etwas intensiver beschäftigen können.

Das Gesetz zur Kronzeugenregelung, ein zeitlich befristetes Gesetz, dessen Gültigkeit von der F.D.P. immer brav verlängert worden ist, läuft zum Ende dieses Jahres aus. Das wollten Sie früher einmal auf Ihre Fahnen schreiben; Sie haben es aber nie geschafft. Wir schaffen das in diesem Jahr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie machen den Terroristen wieder freie Bahn! Dann können Sie sie wieder verteidigen!)

§ 12 des Fernmeldeanlagengesetzes, das dem Richter erlaubt, Telefonanschlüsse festzustellen, schaffen wir zwar nicht ab, aber wir schaffen in diesem Bereich datenschutzrechtliche Regelungen, die dringend erforderlich sind. Wir wollen, daß die Betroffenen unterrichtet werden und daß weitere Einschränkungen, die von den Datenschützern unisono gefordert worden sind, in den nächsten zwei Jahren hinzugefügt werden, damit auch diese Regelung auf ein rechtsstaatliches Gleis kommt. Wir wollen die Telefonüberwachung überprüfen. Es kann nicht angehen, daß in der Bundesrepublik Deutschland viel mehr als in vielen anderen Ländern, beispielsweise in den USA, abgehört wird. Erste Schritte zur Überprüfung sind eingeleitet. Wir wollen wissen: Wer wird abgehört? Warum wird abgehört? Vor allen Dingen wollen wir wissen, wie viele Unverdächtige von solchen staatlichen Maßnahmen betroffen sind, damit wir das Gesetz so reparieren können, daß in Zukunft die Freiheitsrechte besser geschützt werden und daß weniger abgehört wird. Wir wollen bei der Zahl der Abhöraktionen auf ein Niveau kommen, das unter dem der Vereinigten Staaten liegt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.)

Wir wollen - auch dieses haben wir bereits auf den Weg gebracht - die Geheimdienste in der Bundesrepublik Deutschland, die ja noch existieren, besser kontrollieren. Wir haben deshalb ein Gesetz gemacht, mit dem für die Parlamentarier und für das Parlamentarische Kontrollgremium wesentlich mehr Möglichkeiten geschaffen worden sind, die Geheimdienste zu kontrollieren und unserer Aufgabe als Parlament nachzukommen. Wir haben in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von zusätzlichen kleinen Schritten unternommen. Wir wollen in den nächsten Jahren größere Schritte hinzufügen. Als zweiten wichtigen Punkt haben wir uns vorgenommen - auch in diesem Bereich ist die Justizpolitik in der Bundesrepublik Deutschland ein großes Stück vorangekommen -, den angesammelten Reformstau im Justizbereich aufzulösen. Sie haben zwar viele dringend notwendige Reformen eingeleitet, aber Sie haben es nicht geschafft, sie zu einem Ende zu bringen.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir haben eine Vielzahl von Reformen gemacht!)

Als erstes nenne ich das Strafverfahrensänderungsgesetz, das in Zukunft absichern soll, wie etwa eine Person als Zeuge oder als Beschuldigter in die öffentliche Fahndung kommt. Fragen wie "Nach welchen gesetzlichen Vorschriften soll dieses Verfahren ablaufen?" und "Wie sieht die Kontrolle aus?" haben Sie im Zusammenhang mit der Strafprozeßordnung nicht beachtet, obwohl Ihnen von der Europäischen Union schon vor Jahren eine entsprechende Vorgabe gemacht worden ist. Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht; wir mußten sie machen. Das Gesetz ist fertig. Wir wollen es in den nächsten Tagen verabschieden. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit,

(Zuruf von der CDU/CSU: Gerechtigkeit für wen?)

weil auch das Recht auf Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wichtige Freiheitsrechte sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.)

Wir wollen die Justizreform angehen. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Wir wollen aber auch, daß sich die Gefängnisse nicht weiter füllen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Macht doch die Tür auf!)

Wir wollen - das fordern alle Sachverständigen - die richtigen und notwendigen Schlußfolgerungen ziehen. Gefängnisse sind zu teuer, zu voll und bringen in der Regel nicht mehr Schutz für die Bevölkerung, sondern in vielen Fällen mehr Unsicherheit, weil sich Gefängnisse vielfach als Schule des Verbrechens und nicht als Institution zur Verhinderung künftiger Verbrechen erwiesen haben. Deshalb wollen wir, daß möglichst wenig Straftäter ins Gefängnis kommen. Wir wollen mit neuen Sanktionen, vor allen Dingen für diejenigen, die bisher zu geringen Freiheitsstrafen verurteilt worden sind und diese im Gefängnis verbüßen mußten, Alternativen anbieten,

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was heißt denn das konkret?)

indem wir andere Möglichkeiten strafrechtlicher Sanktionen schaffen,

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Und dabei gegen die Wand laufen!)

die auch treffen, für den Staat billiger sind, für die Bevölkerung wesentlich nützlicher sind und verhindern, daß zusätzlich Personen straffällig werden. Wir wollen natürlich auch mehr Gleichheit. Wir streben eine Reform an, die lange überfällig ist. Die F.D.P. hat es nicht geschafft, in 16 Jahren Regierungsbeteiligung etwas auf den Weg zu bringen. Deshalb hat sie uns jetzt ein Gesetz vorgelegt, nämlich die Veränderung der gesetzlichen Lage für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Wir wollen nach skandinavischem Vorbild dafür in der Bundesrepublik ein Gesetz.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das in Skandinavien nicht funktioniert!)

Wir wollen, daß Schwule und Lesben in der Bundesrepublik gleiche Rechte haben. Wir wollen eine umfassende Regelung, die auch eine Gleichbehandlung in steuerrechtlichen, ausländerrechtlichen und sozialrechtlichen Fragen sowie in den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches bringt.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie wollen die Gleichstellung mit Ehe und Familie! Sagen Sie es laut!)

Wenn das nicht etwas so Halbfertiges werden soll.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Dann müssen Sie erst die Verfassung ändern!)

wie Sie es vorgelegt haben, dauert das eben länger. Wir wollen das gründlich machen. Wir wollen die Regelung auf den Weg bringen, damit sie im nächsten Jahr in der Bundesrepublik Deutschland Gesetz werden kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir wollen aber auch, möglichst noch zu Weihnachten.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Als Weihnachtsgeschenk!.)

für die Medien und die Journalisten zusätzliche Rechte schaffen. Wir wollen, daß die journalistische Arbeit besser als in der Vergangenheit geschützt wird. Wir wollen den Journalisten ein Zeugnisverweigerungsrecht für selbstrecherchiertes Material, das sie bisher nicht hatten, geben.

(Rainer Funke [F.D.P.]: Haben wir schon längst eingebracht!)

Wir wollen auch absichern, daß solches Material in den Redaktionsstuben und Sendern nicht beschlagnahmt werden kann. Damit werden bessere Arbeitsmöglichkeiten geschaffen. Wir hoffen, daß wir das noch zu Weihnachten fertigstellen können.

Es ist noch viel zu tun. Wir haben es angepackt, und wir werden es weiter vorantreiben. Ich bin sicher, daß die Bundesregierung am Ende gute Gesetze, die mehr Freiheit, mehr Gerechtigkeit und mehr Gleichheit in der Bundesrepublik Deutschland garantieren, vorlegen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)