Wahlkampf 2013

Deutsche Beteiligung an einer internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo

11.06.1999: Mündliche Erklärung

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Selbstverständlich bin auch ich erleichtert und froh darüber, daß die Bombardierungen und die Vertreibungen im ehemaligen Jugoslawien gestern beendet wurden. Auch ich sehe und erkenne an, daß diese Bundesregierung- allen voran der Außenminister - beim Zustandekommen dieser diplomatischen Lösung ein erhebliches Maß an Verdiensten haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich begrüße auch ich, daß die Russen in die Verhandlungen einbezogen worden sind und daß der ganze Friedensprozeß im ehemaligen Jugoslawien durch das Mandat der UNO gestern nun endlich auf eine völkerrechtliche Grundlage gestellt werden konnte.

Auch ich lehne deshalb den Antrag der Bundesregierung und die deutsche Beteiligung an der Friedenssicherung nicht ab. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bei aller Freude und bevor hier der Stolz ausbricht, dürfen wir doch nicht vergessen, daß der militärische Teil der Doppelstrategie der NATO zu Tausenden von Toten, zu Tausenden von verletzten, verstümmelten Menschen in Serbien und im Kosovo geführt hat, daß einem ganzen Volk die Lebensgrundlage weggebombt worden ist und daß einem ganzen Land die Infrastruktur zusammengebombt worden ist. Das dürfen wir nicht vergessen.

Den Versuch der Bundesregierung, in ihrem Antrag nachträglich zu rechtfertigen, daß der militärische Teil der Doppelstrategie der NATO ohne völkerrechtliche Grundlage gegen das Völkerrecht praktiziert worden ist, mit diesen fürchterlichen Folgen, mit diesem viel zu hohen Preis, lehne ich ab.

Ich bin der Auffassung, daß in dem Antrag und in den Papieren, auf die in dem Antrag Bezug genommen wird, erhebliche Risiken für den Friedensprozeß, im Kosovo und in den benachbarten Ländern übriggeblieben und nicht beseitigt worden sind. Ich will diese vier Risiken nur kurz andeuten.

Erstens. Die Rolle der russischen Soldaten ist nach wie vor ungeklärt.

Zweitens. Die Entwaffnung der UCK ist im Gegensatz zur Entwaffnung der serbischen Militärs weitgehend ungeklärt.

Drittens. Wenn man weiß, daß der neue Stabschef der UCK, ein Brigadegeneral aus Kroatien, an ethnischen Säuberungen in Kroatien beteiligt war und direkte Verantwortung für die Vertreibung von Hunderttausenden von Serben aus der Krajina mitträgt, dann kann man die Angst und die Furcht der Serben im Kosovo vor Vertreibungen und vor Massakern, die ihnen jetzt möglicherweise bevorstehen, verstehen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Ich nenne ein letztes wesentliches Risiko, das nicht beseitigt worden ist. Wenn man das tut, was hier von mehreren Rednern, auch von der Bundesregierung, angekündigt worden ist, daß man Serbien keine ökonomische Unterstützung gewähren wird, solange Milosevic dort Präsident ist und dort keine demokratischen Verhältnisse hergestellt sind, dann nimmt man wiederum die gesamte serbische Bevölkerung in Haftung für das, was Staatspräsident Milosevic verbrochen hat, und nimmt in Kauf, daß diesem Volk die Lebensgrundlagen vorenthalten werden, daß es geradezu zur Flucht auch nach Mitteleuropa gezwungen wird.

Aus diesen Gründen lehne ich den Antrag der Bundesregierung zwar nicht ab, aber ich kann ihm auch nicht zustimmen. Ich werde mich wie einige andere Kollegen aus der Bündnisgrünen-Fraktion enthalten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)