Wahlkampf 2013

Deutsche Beteiligung an der militärischen Umsetzung eines Rambouillet-Abkommens für den Kosovo sowie an NATO- Operationen im Rahmen der Notfalltruppe (Extraction Force) - Antrag

25.02.1999: Mündliche Erklärung

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bedaure es außerordentlich, daß ich nicht vor der Abstimmung zu Wort gekommen bin. Nun muß ich nach der Abstimmung begründen, warum ich entgegen der in diesem Hohen Hause ganz offensichtlich herrschenden Meinung mit Nein gestimmt habe.

(Beifall bei der PDS)

Das Hohe Haus wäre gut beraten, wenn kritische Stimmen, die es in der Bevölkerung dazu ja durchaus gibt, auch hier zu Wort kämen und begründen dürften, warum sie anderer Meinung sind als andere hier im Hause. Es wäre ein vernünftiges parlamentarisches Verhalten, wenn man in einer so gravierenden, an die Existenz von vielen Menschen gehenden Frage auch eine andere Meinung zulassen und sich anhören würde. Es geht hier nicht nur um Political correctness; man muß nicht immer alles so wie die Mehrheit machen.

Nun komme ich zu der Begründung; sie ist kurz. Ich sehe es so: Mit dem Bundestagsbeschluß, der jetzt gefällt worden ist, wird die Bundesregierung ermächtigt, und zwar - das ist heute noch einmal klargestellt worden- ohne daß es einer weiteren Entscheidung des Bundestages bedarf, eine nicht unerheblich starke Armee, bestehend aus allen Teilstreitkräften von Bundeswehr und NATO, zu Kampfeinsätzen in die Bundesrepublik Jugoslawien in Marsch zu setzen. So ist es ganz konkret. Eine völkerrechtliche Grundlage für ein solches Vorhaben fehlt, jedenfalls bisher. Die angekündigte Zustimmung der Konfliktparteien, insbesondere der serbischen Regierung, liegt nicht vor, so daß eine Rechtsgrundlage für diesen Schritt nicht da ist.

Nach dem Bundestagsbeschluß können die Kampfeinheiten der Bundeswehr nicht nur - darüber ist die ganze Zeit geredet worden - zur Umsetzung des Rambouillet-Abkommens eingesetzt werden, sondern auch "zu NATO-Operationen im Rahmen der Notfalltruppe". Ich befürchte, daß, wenn es nicht zur Unterzeichnung eines Rambouillet-Abkommens kommt, nicht nur Flugzeuge, Raketen der NATO und der Bundeswehr auf der Grundlage der Beschlüsse vom Oktober und November 1998 im Kosovo eingesetzt werden, sondern daß dann unter Berufung auf den heutigen Beschluß Panzer, Panzergrenadiere, Infanterieeinheiten in die Bundesrepublik Jugoslawien einrücken werden und dort zum Kampfeinsatz kommen, natürlich - das ist im Nebensatz durchaus gesagt worden - im Notfall. Es ist versprochen worden, daß das nur kurzzeitig ist und daß es eine nur ganz vorübergehende Maßnahme sein wird. Ich bin da skeptisch. Ich kann nur hoffen, daß ich unrecht habe und daß es sich nicht um eine längere Kampfeinsatzbesetzung des Kosovo handeln wird.

Hinzu kommt, daß die Ermächtigung zum Einsatz größerer Kampfeinheiten der Bundeswehr in der Bundesrepublik Jugoslawien im Rahmen eines Rambouillet- Abkommens erteilt werden soll, dessen Inhalt den Mitgliedern des Bundestages nicht bekannt ist und auch noch gar nicht feststeht.

Nun komme ich zu dem letzten Punkt, denn ich sehe das durchaus ambivalent. Auch ich bedaure, daß bei den Verhandlungen in Rambouillet kein tragfähiges Friedensabkommen unterschrieben wurde. Auch ich sage allen Akteuren, die bis spät in die Nacht hinein - das konnte man hören und sich erzählen lassen - verhandelt haben, den Dank für all diese Bemühungen. Im Interesse der Bevölkerung des Kosovo und überhaupt des Friedens in Europa ist ein absicherndes Abkommen gewiß dringend geboten.

Ich teile auch die große Sorge um das Leben, die Gesundheit und die Existenz der Menschen im Kosovo. Es ist nicht hinzunehmen, daß ein Staat die Bevölkerung unterdrückt, verfolgt und bekriegt, wenn sie nach Autonomie strebt. Jeder politische und ökonomische Druck ist gerechtfertigt, um die Zivilbevölkerung vor Tod, Verletzung und Vertreibung zu schützen. Um der serbischen Regierung die Zustimmung zu erleichtern, hätte aber zur Sicherung eines Friedensabkommens auch eine internationale Friedenstruppe unter UNO-Kommando mit UNO-Mandat vorgeschlagen werden sollen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und bei der PDS)

Ein solcher Vorschlag darf nicht aus Rücksicht allein auf die Haltung der USA unterbleiben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und bei der PDS)