Wahlkampf 2013

Rede anlässlich der ersten Beratung des BKA-Gesetzes

23.06.2008: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (Drucksache 16/9588):

"Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich fange mit dem Bundesinnenminister an

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Mit welchem? dem rot-grünen?)

und frage mich: Müssen Bundesinnenminister eigentlich so sein, dass sie alle paar Wochen in den Deutschen Bundestag kommen und dem Parlament die Aufgabe zuweisen wollen, neue Sicherheitsgesetze und Sicherheitsinstitutionen unter Inkaufnahme der Einschränkung der Bürgerrechte einzuführen?

Ist es nicht eigentlich Aufgabe eines Bundesinnenministers, der als Verfassungsminister die Aufgabe hat, die Verfassung zu wahren und zu schützen, Freiheitsrechte in diesem Land auszudehnen und zu sichern? Hätte das Land nicht einmal einen Bundesinnenminister verdient, der in den Bundestag kommt und sagt: Ich habe die Dutzende von Sicherheitsgesetzen der letzten Jahrzehnte evaluieren lassen und eine ganze Reihe gefunden, die überflüssig und gefährlich sind und die nicht passen, wie zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung, die erst jüngst verabschiedet worden ist und von der man inzwischen sagen kann, dass wir durch den Telekom-Skandal etwas Neues gelernt haben, und jetzt ändern wir etwas und tun etwas für die Bürger und die Freiheitsrechte, indem wir das längst überfällige Datenschutzgesetz neu schaffen und den Datenschutz in das Grundgesetz aufnehmen?

(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das hat noch nicht einmal Wieland geschafft, als er Justizsenator in Berlin war! - Gegenruf des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber natürlich, Herr Benneter!)

Das Land hat einen solchen Bundesinnenminister verdient und nicht einen Bundesinnenminister, der seine Aufgabe immer nur in der Einschränkung von Freiheitsrechten sieht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]- Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin ja für eine Ministerin!)

Dieser Bundesinnenminister bringt uns eine Flut von immer neuen Gesetzen.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)

Heute ist es das BKA-Gesetz, und wie ich höre, befindet sich ein Gesetzentwurf zum Bundesamt für Verfassungsschutz in der Pipeline. Es wird immer so weitergehen.

Die entscheidende Frage ist, ob eine Notwendigkeit für diese Einschränkung der Bürgerrechte, für mehr Sicherheitsgesetze besteht. Drei Kollegen - insbesondere von der SPD, aber auch Herr Bosbach - haben sich bemüht, in diesem Zusammenhang Beispiele zu bringen. Sie haben gesagt - und da ist ja etwas Richtiges dran -,zumindest einmal scheint ein Anschlag nur deshalb nicht stattgefunden zu haben weil - ich sage das ganz vorsichtig - wir Glück gehabt haben.

Aber, Herr Bosbach und Herr Hofmann, Sie machen den zweiten Schritt nicht. Nehmen Sie doch einmal das BKA-Gesetz: Hätten wir nicht auch dann Glück haben müssen, wenn es das BKA-Gesetz damals schon gegeben hätte?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Allerdings!)

Hätte der Anschlag verhindert werden können, wenn es die Videoüberwachung von Wohnungen oder die Onlinedurchsuchungen schon gegeben hätte? Auf diese Frage können Sie nur eine Antwort geben: Nein.

(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Nein, kann ich nicht! Ich weiß es nicht! Ich kann es nicht wissen!)

Denn die vermutlichen Täter, die jetzt Beschuldigten, sind den Behörden nach dem damaligen Erkenntnisstand überhaupt nicht aufgefallen. Sie standen gar nicht im Fokus des Interesses der Behörden.

(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Ja, weil wir keine Erkenntnismöglichkeiten hatten!)

Das heißt, Sie können nicht mit einem einzigen Beispiel belegen - und Sie müssten eine ganze Kaskade von Beispielen bringen -, dass diese erneute Einschränkung der Freiheitsrechte in Deutschland notwendig ist. Ich meine, der eigentliche Hintergrund dieses Gesetzentwurfs ist eine Philosophie, die wir allerdings nicht teilen: nämlich dass der Staat über die Bürger möglichst viel, am besten alles wissen soll, damit er möglichst im Vorhinein ein abweichendes Verhalten einschätzen und dann eingreifen kann. Wir wollen einen Staat, der das Selbstbestimmungsrecht und nicht das Fremdbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger schützt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] - Gisela Piltz [FDP]: Das ist aber neu bei den Grünen!)

Wir wollen Gesetze, die garantieren, dass die Bürgerinnen und Bürger auch in Bezug auf Informationen über sich selbst in erster Linie selbst entscheiden können - und nicht der Staat."

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])

Die gesamte Bundestagsdebatte zum Download