Wahlkampf 2013

Rede zur Änderung des Bewachungsgewerberechts

26.04.2002: Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bewachungsgewerberechts

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Anliegen dieses Gesetzes teilen wir Bündnisgrünen und auch ich persönlich mit der Polizeigewerkschaft. Diese Allianz ist sicher bemerkenswert, aber von der Sache her verständlich und richtig. Das private Sicherheitsgewerbe ist ein florierender Wirtschaftszweig geworden. Hunderttausende finden dort inzwischen einen Arbeitsplatz. Private Firmen übernehmen immer mehr Sicherheitsaufgaben auch im öffentlichen Bereich. Sogar Bundestag und Ministerien nutzen diese Dienste, ja, man glaubt es kaum, Sicherheitsdienste des Bundes lassen sich von Privatdiensten bewachen und sichern. Die Konkurrenz zu Polizei, Bundesgrenzschutz und anderen staatlichen Sicherheitsdiensten ist offensichtlich. Warum können Private soviel günstiger anscheinend diesselben Leistungen anbieten, dass sie in der Konkurrenz zur Polizei vorgezogen werden? Sie sind billiger, weil sie an ihr Personal weniger bezahlen, häufig lange Arbeits- und Einsatzzeiten praktizieren und häufig keine lange Ausbildung für ihre Mitarbeiter finanzieren müssen. Aber können sie dann Gleichwertiges leisten oder ist solcher Einsatz nicht mit großen Risiken und Gefahren für die Bevölkerung verbunden? In der Zeitung war vor einem Jahr zu lesen, ein Privatangestellter habe einen Fahrgast in der U-Bahn derart schwer misshandelt, dass Blutspuren im Wagen zurückblieben. Am nächsten Tag gab es einen ähnlichen Vorfall mit einem Obdachlosen. Die beteiligten Privatangestellten verdienten 6,70 DM pro Stunde. Der eine war 15 Stunden ohne Pause im Dienst, der andere hatte 12 Stunden pro Tag dreieinhalb Wochen durchgearbeitet. Einem LKW- oder Busfahrer verbieten wir völlig zu Recht, länger als eine bestimmte Stundenzahl am Steuer Dienst zu tun und wir verlangen eine gute Ausbildung und das Bestehen einer Prüfung, weil von ihm sonst Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen. Ein Angestellter eines privaten Sicherheitsdienstes kann übermüdet im öffentlichen Raum Dienst tun, oft ohne besondere Ausbildung und manchmal sogar bewaffnet, obwohl von ihm sicher eine nicht geringere Gefahr ausgeht. Da gibt es Regelungsbedarf. Mit dem Gesetz zur Änderung des Bewachungsgewerberechts unternehmen wir erste notwendige Regelungsschritte. Es sind nur erste Schritte, weitere müssen möglichst bald folgen. Wir verlangen eine erfolgreich abgelegte Sachkundeprüfung als Voraussetzung für die Durchführung bestimmter Aufgaben, wie Kontrollgänge im öffentlichen Raum, Einsatz gegen Ladendiebe, Bewachung von Diskotheken, also immer, wenn das Sicherheitspersonal im öffentlichen Raum tätig ist oder Publikumsverkehr abzuwickeln hat. Wir regeln die Unterrichts- und Ausbildungszeiten, die erreicht werde müssen, bevor Personen in bestimmten Bereichen des Sicherheitsdienstes eingesetzt werden dürfen. Und wir legen fest, wie die Sachkundeprüfung abgenommen wird und von wem. Wir halten ausdrücklich fest, dass das Gewaltmonopol des Staates beim Staat bleibt und dass die Privaten also keine Sonderrechte zur Gewaltausübung haben. Sie dürfen nur das, was nach dem Gesetz jedermann und jede Frau auch darf, also insbesondere in Notwehr persönliche Angriffe abwehren und notfalls anderen in Nothilfe beistehen, wenn sie angegriffen sind. Wir halten ausdrücklich fest, dass selbstverständlich jede Gewaltanwendung verhältnismäßig bleiben muss, das heißt, nur das Maß an Gewalt angewandt werden darf, was zur Abwehr eines Angriffes unbedingt erforderlich ist. Ein wichtiger Bereich der Neuregelungen ist der der Überprüfung von Personen, die Personen mit Bewachungsaufgaben beschäftigen dürfen. Hier wird eine ganze Reihe von Zuverlässigkeitsvoraussetzungen festgelegt. Auch die Zuverlässigkeit ist in einer Prüfung nachzuweisen. In Berlin spricht man davon, Sicherheitsunternehmen würden ihre Mitarbeiter an den Gefängnistoren aus dem Kreis der Haftentlassenen anwerben. Natürlich haben wir nichts dagegen, dass Personen, die im Gefängnis saßen, nach ihrer Entlassung einen vernünftigen, ehrlichen Job finden. Aber wir legen Wert darauf und wollen sicherstellen, dass sowohl die, die Leute für Bewachungsaufgaben beschäftigen, als auch die, die mit Bewachungsaufgaben betraut werden, zuverlässig sind und dass von diesen keine Gefahren ausgehen. Deshalb regeln wir, wie unter Berücksichtigung des Datenschutzes die notwendigen Auskünfte für die Überprüfung der Zuverlässigkeit zur Verfügung gestellt werden können. Wichtig ist auch die Regelung, dass Gewerbetreibende die Daten und Geheimnisse Dritter, die im Rahmen der Tätigkeit des Bewachungsunternehmens anfallen, ähnlich gut sichern und bewahren, wie dies im öffentlichen Bereich vorgeschrieben ist. Wir regeln den Datenaustausch mit Behörden und insbesondere mit der Polizei. Und nicht zu vergessen, verbessern wir die Bestimmungen über den Waffengebrauch im privaten Sicherheitsbereich Beschäftigter. Die Bestimmungen zum Tragen oder schon zum Aufbewahren der Waffen müssen mindestens so streng und restriktiv sein wie bei der Polizei. Das ist das Ziel der gesetzlichen Regelung. Ich habe darauf hingewiesen, dies können nur erste Schritte sein. Es bleibt noch viel zu tun. So brauchen wir die Regelung von Mindeststandards für Arbeitszeit- und Arbeitsschutzbestimmungen und für eine tarifliche Entlohnung. Die Polizeigewerkschaft hat uns auch mit solchen Forderungen auf ihrer Seite, im Interesse der Bevölkerung, die keine Risiken und Gefahren will, die von Firmen ausgehen, die im Sicherheitsbereich tätig sind. Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich gibt es auch nach unserer Auffassung viele Personen und Unternehmen, die ordentliche Arbeit verrichten und Mindeststandards auch heute schon praktizieren. Die werden solche gesetzlichen Regelungen weder fürchten noch scheuen.