Wahlkampf 2013

Rede: Kritischen Dialog mit Kuba führen

08.10.2010: Rede von Christian Ströbele zum TOP 21 der Plenarsitzung "Für eine Normalisierung der Beziehungen der Europäischen Union zu Kuba" - ein Antrag der Linksfraktion. Diese ging zu Protokoll am 7. Oktober 2010.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen

Mein ganzes politisches Leben lang stand ich auf der Seite Kubas, wenn es darum ging, Versuche des mächtigen Nachbarn USA abzuwehren, Kuba mit militärischer Gewalt, Mord und Totschlag oder Wirtschaftsboykott in die Knie zu zwingen. Das sehe ich auch heute nicht anders. Zumal das Embargo der USA und die Bedrohung Kubas ja andauern.

Aber Solidarität mit Kuba heißt doch nicht, Menschenrechtsverletzungen und Misswirtschaft zu übersehen und totzuschweigen. Vielmehr gehört es dazu, solche Missstände zu kritisieren und sich für die einzusetzen, die wegen ihrer Kritik in Gefängnisse gesteckt wurden und werden. Dies gilt unabhängig davon, dass Kuba seit Jahrzehnten unter der massiven Bedrohung von Außen, unter Boykott und Blockade leidet.

Aus Kuba hören wir jetzt Bemerkenswertes. Fidel Castro verurteilt die frühere Verfolgung von Homosexuellen im Land und kritisiert das alte verkrustete Wirtschaftssystem scharf, das nicht mehr in der Lage sei, den Lebensstandard der Bevölkerung zu sichern. Aber die Verletzungen von Menschenrechten sind nicht nur dann Menschenrechtsverletzungen, und Missstände der Wirtschaft nicht erst dann zu kritisieren, wenn der ehemalige Präsident Kubas dies öffentlich eingesteht.

Damit gibt er den Kritikern im eigenen Land Recht, die für solche Äußerungen verfolgt wurden und im Gefängnis leiden, ebenso wie Vorwürfen internationaler Menschenrechtsorganisationen und auch der Europäischen Union.

Mit dem vorliegenden Antrag soll erreicht werden, dass der "gemeinsame Standpunkt" der EU zu Kuba von 1996 aufgehoben wird. Der Antrag geht von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Ziel dieses Standpunktes war explizit, "einen Prozess des Übergangs in eine pluralistische Demokratie und die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie eine nachhaltigen Erholung und Verbesserung des Lebensstandards der kubanischen Bevölkerung" zu erreichen. Es ging also um die Intensivierung eines Dialoges vor allem zur Förderung der Achtung der Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Von einem "Systemwechsel" ist keine Rede. Zwangsmaßnahmen wurden ausdrücklich ausgeschlossen.

Unter Berücksichtigung der Entwicklung in Kuba und der massiven Kritik internationaler Organisationen wie Amnesty International an den skandalösen Menschenrechtsverletzungen dort wie der Inhaftierung von Duzenden sog. Dissidenten und gar der Hinrichtung von drei Flüchtlingen im Jahr 2003 ist diese Forderung nach wie vor aktuell. Auch nach der Freilassung von 52 Inhaftierten, befinden sich noch zahlreiche "Dissidenten" im Gefängnis, die Meinungsfreiheit ist nicht gewahrt und freie politische Betätigung nicht möglich.

Die Kritik und die Forderung nach der Achtung der Menschenrechte verstoßen auch nicht gegen ein Gebot der Nichteinmischung. Die Vereinten Nationen haben in Resolutionen immer wieder festgestellt, dass es eine Verantwortung aller Staaten für die Wahrung der Menschenrechte auch in anderen Staaten gibt und die Souveränität eines Staates und das Nichteinmischungsgebot dem keineswegs entgegenstehen.

Das Argument kann die Antrag stellende Fraktion auch nicht ernsthaft vorbringen. Damit widerspricht sie eigenen Anträgen etwa zur Menschenrechtssituation in Kolumbien oder im Gaza-Streifen. In diesen hat sie selbst die Einmischung Deutschlands und der internationalen Gemeinschaft in die Belange anderer Staaten zur Wiederherstellung und Wahrung von Menschenrechten befürwortet und gefordert.

Die Forderung nach der Achtung der Menschenrechte und der politischen Freiheitsrechte bleibt von zentraler Bedeutung. Die Verletzung dieser Rechte kann auch nicht durch eine Bedrohungslage gerechtfertigt werden.

Zusammenarbeit und kritischer Dialog - auch bilateral - sind jetzt die richtige Option, wie auch der Entwicklungsausschuss des EU-Parlaments gefordert hatte. Dabei sind die Entwicklungen in der Region und die bilateralen Kooperationserfahrungen Frankreichs und Spaniens von Bedeutung. Ein Einwirken der EU auf die USA für ein Ende der Embargo-Politik wäre eine wichtige Unterstützung.

Der EU-Rat hat sich auch zum Dialog bereit erklärt bei Verbesserungen im Menschenrechtsbereich. Die Entlassung und Ausreise eines großen Teiles der Inhaftierten ist ein erster wichtiger Schritt zur Wahrung der Menschenrechte. Eine Politik der Entspannung kann eher zu einer Demokratisierung der Verbesserung der Menschenrechtslage beitragen, als Kuba zu isolieren. Das waren auch die deutschen Erfahrungen vor der Wende. Vordringlichste Aufgabe der EU und bilateral muss sein, auf allen Ebenen vorbehaltlos alle Möglichkeiten und Gespräche mit Regierungsstellen und Sektoren der Gesellschaft zu nutzen für Bemühungen zur sofortigen Freilassung der übrigen Dissidenten.

Zur Unteilbarkeit der Forderung nach der Achtung der Menschenrechte gehört auch der Einsatz für die Freilassung der sog. "Miami Five" aus US-Gefängnissen. Rechtsstaatliche Haftbedingungen, wozu auch die Besuchsmöglichkeiten für die Ehefrauen gehören, sind unerlässlich. Richtig ist deshalb die Aufforderung des Parlaments an die Bundesregierung, sich auch dafür bei der EU einsetzen, dass diese auch mit diesem Ziel tätig wird.

Wir verkennen nicht, dass auch in anderen Staaten Lateinamerikas schlimmste Menschenrechtsverletzungen begangen wurden und werden, mit häufig viel mehr Opfern und Leiden der Bevölkerung wie etwa in Kolumbien oder Mexiko. Wir haben deshalb auch Anträge im Bundestag eingebracht, die die Bundesregierung auffordern, sich etwa in Kolumbien und Venezuela für die Einhaltung dieser Rechte einzusetzen.

Aber gerade weil Kuba das Land in Lateinamerika ist, an das ich selbst lange Zeit hohe Erwartungen und Hoffnungen gesetzt hatte und partiell noch setze und auf das noch heute viele Völker Lateinamerikas hoffnungsvoll schauen, ist es so wichtig, nicht nachzulassen und die Einhaltung der Menschen- und politischen Rechte gerade dort immer wieder einzuklagen.