Wahlkampf 2013

Rede von Hans-Christian Ströbele zur Situation in Simbabwe

30.06.2004: Rede zum Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: "Internationalen Druck auf die Regierung in Simbabwe aufrechterhalten" (Drucksache 15/3446)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.

Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Anlass der heutigen Debatte über diesen Antrag ist, dass mehrere Kollegen nach Simbabwe nicht einreisen durften. Ich finde es richtig, dass wir das zum Anlass nehmen, heute darüber zu diskutieren; denn das darf nicht Schule machen. Delegationen des Deutschen Bundestages sind auch dazu da, sich über die ökonomischen und über die Menschenrechtsverhältnisse vor Ort zu informieren. Wenn das, was in Simbabwe geschehen ist, Schule macht, dann wäre diese Arbeit in Zukunft unmöglich.

Der eigentliche Hintergrund dieser Debatte ist aber sicherlich die sich verschärfende Situation in Simbabwe. Die ökonomische Situation dort ist nach wie vor katastrophal, auch wenn es mit der Versorgung mit Benzin und anderen Gütern manchmal ein bisschen auf und ab geht.

Die Menschenrechtssituation, vor allen Dingen für Oppositionelle, Journalisten und Politiker, ist - darüber sind wir uns einig - desaströs. Deshalb ist es richtig, dass wir die Bundesregierung in diesem Antrag auffordern, bei den SADC-Staaten eine nachhaltige Veränderung in der Region zu erreichen und sich mit den anderen europäischen Staaten weiter dafür einzusetzen, dass sich die Situation in Simbabwe entscheidend verändert.

Wir können allerdings nicht so tun, als wenn das Problem einer Lösung auch nur näher gebracht würde, wenn wir hier jetzt - die Bundesregierung tut das ohnehin - erneut diese Forderungen stellen. Ich selber war mit einigen der Kolleginnen und Kollegen, die hier sitzen, im letzten halben Jahr auch im Rahmen von zwei Ausschussreisen in einer ganzen Reihe von Staaten in der Nähe von Simbabwe: in Sambia, in Mosambik, in Namibia, in Ruanda und zuletzt im Kongo.

Wir haben natürlich nicht nur die Bundesregierung aufgefordert, etwas zu tun. Wir haben in jedem der Gespräche dort, vor allen Dingen mit Außenministern, also mit höher gestellten Persönlichkeiten, auch das Problem Simbabwe angesprochen. Wir haben gesagt: Da müsst ihr etwas tun; das kann doch so nicht weitergehen. Auch die Bundesregierung handelt entsprechend. Wir hören von der Bundesregierung immer wieder - der Einsatz geht bis hin zum Bundeskanzler -: Sei es laut oder leise, diplomatisch oder weniger diplomatisch. Wir müssen heute allerdings feststellen: Genützt hat es bisher fast nichts.

(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Stimmt!)

Das muss man einfach klar sehen. Wir haben uns in den Ländern informiert. Wir haben beispielsweise erlebt - Frau Kollegin, daran erinnern wir uns -, dass sich Herr Mugabe in Sambia - das ist ganz anders als das, was Sie, Herr Vaatz, von Journalisten in Mosambik geschildert haben - höchster Beliebtheit erfreut. Uns wurde Folgendes berichtet: Er war zu Besuch in Sambia und hat an einer Veranstaltung teilgenommen. Dazu waren alle Honoratioren des Landes eingeladen; fast 1 000 Leute waren im Saal. Erst hat der Staatspräsident von Sambia gesprochen. Er bekam höflichen Beifall. Dann trat Herr Mugabe ans Mikrofon. Als er seine Rede begann, wurde er mit Standing Ovations überschüttet, und zwar offenbar von der ganzen oberen Klasse, jedenfalls von allen, die da versammelt waren. Ähnliche Meldungen haben wir aus Mosambik

(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Aus Südafrika auch!)

und auch aus Teilen von Südafrika.

Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass große Teile der Bevölkerung in den umliegenden Ländern - ich fürchte, dass das auch für Regierungsstellen gilt, auch wenn sie uns das nicht offen sagen -, gerade in denen, die Sie, Herr Vaatz, genannt haben, eine andere Sicht der Dinge als wir haben. Deshalb werden diese Appelle zwar hingenommen, aber anschließend passiert nicht sehr viel. Wenn wir das nicht zur Kenntnis nehmen, dann argumentieren wir ins Leere. Uns beruhigen solche Resolutionen wie die vorliegende vielleicht; aber wir erreichen mit ihnen wenig in diesen Ländern.

Was ist da zu tun?

Erstens. Wir müssen zur Kenntnis nehmen - das haben auch Sie, Herr Vaatz, gesagt -: In diesen Ländern gibt es traditionelle Verbindungen der jetzt Regierenden und auch großer Teile der Bevölkerung aus der Zeit der Befreiungskriege mit Mugabe und seiner Bewegung. Daran erinnert man sich. Da gibt es viele Beziehungen bis hin zu verwandtschaftlichen Verbandlungen.

Aber es gibt auch ein ganz zentrales Problem, das Mugabe angeblich zu regeln versucht: die Landreform. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Problem der Landreform auch in den umliegenden Ländern nach wie vor virulent schwer zu bewältigen ist. Ich glaube, dass wir in diesen Ländern, auch hinsichtlich der Situation in Simbabwe, mehr Einfluss gewinnen können, wenn wir diese Probleme - sie sind Überbleibsel aus der Kolonialzeit - ernst nehmen. Wir müssen einsehen, dass sich in diesen Bereichen in all diesen Ländern, auch in Simbabwe, etwas ändern muss.

Wir müssen sagen: Wir sind bereit, vernünftige, gerechte und demokratisch zustande gekommene Landreformen massiv zu unterstützen. - Wenn wir so handeln, dann gewinnen wir vielleicht Glaubwürdigkeit und dann können wir den Vorwurf, den auch Sie, Herr Vaatz, erwähnt haben, widerlegen, dass wir dort vielleicht noch jetzt koloniale oder nachkoloniale Interessen verfolgen, wenn wir sagen: Wir sehen diese Probleme. Wir wollen euch helfen, Veränderungen herbeizuführen. Wir stellen uns nicht quer.

Wir können nicht immer nur so weitermachen, alle halbe Jahre eine solche Resolution verabschieden und beklagen, vielleicht bis zu Mugabes Tod, vielleicht darüber hinaus, dass sich nichts verändert, sondern wir müssen neue Wege gehen. Hilfe bei der Landreform wäre vielleicht ein Weg. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken!

Diese Resolution werden wir gemeinsam verabschieden, aber ohne die Illusion, dass sich dadurch sofort durchgreifend etwas ändert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)