Wahlkampf 2013

Rede von Hans-Christian Ströbele im Bundestag zur Verfolgung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten

24.04.2015: Zu dem Gesetzentwurf zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD und dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke dazu gab es im Plenum des Bundestags eine Aussprache bei der auch Hans-Christian Ströbele eine Rede hielt.

Die Rede von Hans-Christian Ströbele:

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ganz einfach nicht richtig, dass uns die UN-Resolution dazu veranlasst oder gar zwingt, ein solches Gesetz zu verabschieden. Herr Kollege, die Beispiele, die Sie genannt haben, sind alle nach geltendem Strafrecht mit ganz erheblichen Freiheitsstrafen, Freiheitsstrafen zwischen fünf und zehn Jahren bis zu lebenslänglich, bedroht. Natürlich ist es strafbar. Jeden Monat werden in Deutschland Personen verurteilt, die nichts anderes getan haben, als für eine terroristische Organisation irgendwo in Syrien, in der Türkei oder im Irak Geld zu sammeln. Das ist der klassische Fall der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Dafür brauchen wir dieses Gesetz nicht. Natürlich ist es strafbar, in den Heiligen Krieg zu ziehen, zu ISIS oder dem IS in Syrien oder im Irak, wo im Augenblick solch schreckliche Zustände herrschen und Menschen hingerichtet werden. Natürlich ist das schon heute nach geltendem Recht strafbar. Was Sie mit dem Gesetz machen, ist: Sie verlegen die Strafbarkeit noch ein bisschen vor. Sie sagen: Nicht nur der Versuch ist strafbar, sondern wer unternimmt, auszureisen, macht sich strafbar. Keiner kann mir sagen, was es heißt: "unternimmt, auszureisen." Ist es schon das Unternehmen einer Ausreise, wenn jemand in seiner Wohnung Stiefel einpackt, oder ist es das erst, wenn er die Straßenbahnfahrkarte zum Bahnhof kauft oder wenn er am Flughafen oder Bahnhof ist oder wenn er die Grenze übertritt? Das alles ist völlig unbestimmt. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie die Auseinandersetzung darüber, was heute nach geltendem Recht strafbar ist und wo vielleicht eine Straflücke bestehen könnte, im Rechtsausschuss einfach scheuen.

Sie sagen dazu nichts, sondern legen einfach ein Gesetz vor und sagen: "Da müsst ihr jetzt mitmachen", obwohl von allen Möglichen verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden sind. So bleibt von dem Gesetz eigentlich nur das übrig, was Sie gesagt haben: Sie wollen ein Zeichen setzen. Aber das Strafrecht ist nicht dafür da, dass man Zeichen setzt, sondern es hat eine ganz andere Bedeutung. Nicht nur der Tatbestand des Unternehmens der Reise ist völlig unbestimmt, sondern auch die Art des Einsammelns von Geld für Dritte, die wiederum möglicherweise eine kriminelle oder terroristische Organisation unterstützen; auch das ist viel zu weit gefasst. Ich habe schon in der letzten Lesung dazu angebracht: Was ist mit der Oma, die Geld sammelt, damit sie ihrem Enkel viel Geld vererben kann, weil er immer so nett ist, der aber gleichzeitig Islamist ist, was sie auch weiß? Macht sie sich jetzt strafbar, wenn sie möglichst viel Geld zusammenbringt, damit sie es ihm vererben kann? Das ist in der Anhörung von Sachverständigen aufgenommen worden. Sie bringen das jetzt in ihren Vorlesungen, wie sie mir erzählt haben. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie die Kirche im Dorf, und schauen Sie sich unser geltendes Recht an. Dann lassen Sie uns darüber reden, was da möglicherweise noch fehlt.

Niemand ist dafür - auch wir nicht -, dass Dschihadisten, die ins Ausland ausreisen wollen, um in den Heiligen Krieg zu ziehen, und das möglicherweise auch noch im Internet erklären, einfach so rausgelassen werden. Aber um das zu verhindern, gibt es andere Vorschriften: Es gibt Möglichkeiten, sie zu beobachten, ihnen ein Ausreiseverbot zu erteilen oder, wie es auch schon praktiziert wird, ihnen den Pass zu entziehen bzw. Meldeauflagen zu erteilen und diese zu überprüfen. Es gibt also eine ganze Reihe von sehr viel besseren Möglichkeiten, die rechtlich und grundgesetzlich viel weniger problematisch sind und die wir nutzen sollten. Dieses Gesetz brauchen wir nicht. Es schadet unserer Rechtsordnung und führt auf falsche Wege. Lassen Sie uns darüber reden, was man in den anderen Bereichen noch machen kann, aber verabschieden Sie sich von diesem Gesetz! Es ist falsch, und wahrscheinlich wird es vor den Augen der Richter in Karlsruhe keinen Bestand haben.

Die Rede von Hans-Christian Ströbele kann hier angeschaut werden.

Die ganze Aussprache können Sie hier anschauen.

Hintergrundinformation erhalten Sie hier:

  • Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten
  • (GVVG-Änderungsgesetz - GVVG-ÄndG) Drucksache 18/4087
  • Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten
  • (GVVG-Änderungsgesetz - GVVG-ÄndG) Drucksache 18/4279 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/4705