Wahlkampf 2013

Rede von Hans-Christian Ströbele im Bundestag zur Menschenrechtslage in Mexiko

22.05.2015: Am 21. Mai 2015 hielt Hans-Christian Ströbele eine Rede im Plenum des Deutschen Bundestages zur Menschenrechtlage in Mexiko - in diesem Zusammenhang thematisierte er auch die Lieferung von Waffen, insbesondere von G36-Gewehren in die Region.

Die Rede können Sie hier im Wortlaut lesen:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Jüttner, so einfach kommen Sie aus diesem Widerspruch nicht heraus. Das fürchterliche Verbrechen in Iguala zeigt, dass überhaupt nicht verhindert werden kann, dass deutsche Waffen, die unter der Bedingung nach Mexiko geliefert wurden, nicht an bestimmte Regionen ausgehändigt zu werden, sogar in Iguala Verwendung finden. Das wurde nicht verhindert.

Auch ich war in den Tagen nach Ostern vor Ort und habe mit einem Studenten, der dem Massaker gerade noch entkommen ist, weil er sich unter einem Bus verstecken konnte, und mit dem Vater von verschwundenen Studenten geredet. Sie sagen auch: Das Schlimmste, was man im Augenblick machen kann, ist, mit der Polizei und den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten, denen Waffen zu geben und sie dadurch noch effektiver zu machen. Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass Polizei, Justiz und Militär unzuverlässig sind. Es sind vielleicht nicht alle unzuverlässig, aber man weiß eben nicht, wer. So ist es unvermeidbar, dass Hilfen in die falschen Hände kommen; das haben Sie vorhin bereits gesagt. G36-Gewehre gibt es nicht nur auf dem Foto, das Sie gerade gezeigt haben, sondern G36-Gewehre wurden in der Polizeistation gefunden, in die die Studenten, die entführt wurden und jetzt verschwunden sind - wahrscheinlich wurden sie massakriert -, zunächst gebracht wurden. Man konnte anhand der Nummern auf den Waffen feststellen, dass es sich um die G36-Gewehre handelte, die von der Bundesregierung unter der Bedingung nach Mexiko geliefert worden sind, dass sie keinesfalls nach Iguala bzw. in die dortige Provinz geliefert werden dürfen. Das ist der falsche Weg.

Wenn wir die Aussage der Bundeskanzlerin von heute Morgen, dass die G-7-Staaten für Grundwerte stehen und sie das überall auf der Welt anhand ihrer Politik zeigen, ernst nehmen wollen, dann können wir nicht übersehen, dass in Mexiko auf allen Ebenen der Politik, von der örtlichen über die staatliche bis hin zur zentralen Ebene, Korruption vorherrschend ist. Ich habe vor Ort mit Vertretern von zwölf Menschenrechtsorganisationen geredet. Darunter waren Anwaltsvertreter, Feministinnen und Menschenrechtler. Ich habe mit Vertretern der interamerikanischen Menschenrechtskommission geredet, die die Menschenrechtssituation und die Verbrechen in Iguala untersucht. Alle sind skeptisch. Sie sagen, sie weisen darauf hin - das ist schon gesagt worden -, dass 98 Prozent der Taten nicht aufgeklärt werden. Das heißt, aufgrund der Impunidad werden nur zwei von 100 Taten aufgeklärt und führen zu einer Verurteilung. Das ist Straflosigkeit bei schwersten Verbrechen.

Als ich da war, gab es wieder eine Auseinandersetzung mit Schusswaffen in einer Stadt in der Nähe von Mexiko-Stadt, bei der 20 Menschen getötet worden sind. Die Polizei hat sich überhaupt nicht darum gekümmert. Sie hat auch keine Untersuchung eingeleitet, weil sie gesagt hat: Das bringt sowieso nichts. - Das heißt: Aufgrund der Impunidad darf man an ein solches Land in der jetzigen Situation weder Waffen liefern noch Unterstützung für das Militär oder die Polizei geben.

Jetzt fragen Sie sich: Was wollen wir machen? Ich habe nur noch wenige Sekunden Zeit. Da kann ich nur Folgendes sagen: Sie müssen die Kreise stützen und unterstützen, die die Regierung auf den verschiedenen Ebenen kontrollieren. Es gibt wie in kaum einem anderen Land Lateinamerikas eine sehr wache Zivilgesellschaft. Es gibt sehr wache und sehr emsige Menschenrechtsorganisationen. Es gibt in Teilen noch eine Presse. Aber auch die Pressefreiheit ist äußert bedroht. Gerade als ich da war, wurde eine bekannte unabhängige Journalistin entlassen und kann nicht mehr dort wirken. Diese Institutionen, Presse, Parlament, die neu aufzubauende Justiz, Menschenrechtsorganisationen und Zivilgesellschaft, müssen wir unterstützen.

Denn nur sie können dort im Land kontrollieren, solche Massaker öffentlich machen und um internationale Unterstützung bitten. Sie legen großen Wert darauf, dass wir hier im Deutschen Bundestag darüber diskutieren, weil ihnen die öffentliche Aufmerksamkeit in Europa und gerade auch in Deutschland hilft, um für ihre Sache, für die Menschenrechte und gegen die Impunidad, die Straflosigkeit, sowie gegen die Massentötungen, die dort in den Auseinandersetzungen jedes Jahr stattfinden, vorzugehen.

Die Rede von Hans-Christian Ströbele können Sie sich hier anschauen!

Hier find Sie weitere Informationen:

Iguala ist kein Einzelfall - Zur Menschenrechtslage in Mexiko Drucksache 18/3552

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sicherheitsabkommen brauchen Standards Drucksachen 18/3553, 18/3933