Wahlkampf 2013

Rede von Ströbele im Deutschen Bundestag zum Entwurf des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste

08.07.2016: Hans-Christian Ströbele hielt am Freitag, den 8. Juli eine Rede im Deutschen Bundestag zum Entwurf des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes der Großen Koalition. Sein Fazit: Der Vorschlag der Großen Koalition zur Stärkung des PKGr ist mager! Lesen Sie hier seine Rede:

Danke, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe das Ganze als einen Strategiewechsel, Herr Mayer. Das muss ich Ihnen leider einmal sagen. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben offenbar die Nase voll von den ständigen Diskussionen und den Veröffentlichungen von Fehlern, Fehlentwicklungen und Skandalen. Nun legen sie mitten in der Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und des PKGr zwei Gesetzeswerke vor: das eine ist das BND-Gesetz, über das wir anschließend beraten, und das andere ist die Änderung des PKGr-Gesetzes. Sie sagen: Wir müssen in die Zukunft schauen. Wir müssen sehen, dass so etwas nie wieder passiert. Wir müssen das alles viel besser kontrollieren. Wenn man diesen Maßstab anlegt an das, was Sie vorgelegt haben, dann sieht man ein: Es wird das mitnichten erfüllt, Ihr Vorschlag zur Stärkung des PKGr ist mager; es ist völlig unzureichend, weil Sie ganz wesentliche Kritik an der bisherigen Arbeit des PKGr - dies richtet sich nicht gegen das PKGr selber, sondern gegen die, die das PKGr informieren, nämlich die Bundesregierung und die Dienste - völlig außen vor lassen.

Es kann nicht sein, dass Sie in dieses Gesetz eine Reihe von Punkten schreiben, die schon lange Praxis sind, wie das Umlaufverfahren oder dass sich das PKGr mit einem Vorgang als Vorgang von besonderer Bedeutung nur beschäftigen muss, wenn es in der Zeitung steht, wenn es also in den Medien diskutiert wird oder wenn es zum politischen Skandal geworden ist. Das ist selbstverständliche Praxis. Das muss man dort nicht hineinschreiben. Denn es werden ja sicherlich Anträge gestellt werden, in denen das alles steht.

Das Einzige, das nach der langen Diskussion über einen Geheimdienstbeauftragten wirklich neu ist, ist, dass Sie das Amt eines Ständigen Bevollmächtigten einrichten wollen. Hier teile ich die Befürchtung - wir können sehen, wie es wird - des Kollegen Hahn. Es ist ein von den Koalitionsfraktionen installierter Bevollmächtigter. Sie wählen ihn ja, weil Sie die große Mehrheit haben. Das wird immer so sein. Die Koalitionsfraktionen werden diesen Bevollmächtigten immer wählen können. Jetzt stellt sich die Frage: Wie unabhängig ist er? Sie geben ihm eine Unabhängigkeit auch gegenüber dem Kontrollgremium. Sie geben ihm eine eigene Legitimation dadurch, dass er in einem besonderen Akt vom Bundestagspräsidenten ernannt wird. Sie geben ihm Eigenständigkeit. Sie geben ihm auch die Oberhoheit über das jetzt noch stellenmäßig auszuweitende Personal. - Wir wollen auch mehr Personal. - Er bekommt eine ungeheuer starke Stellung. Es besteht die Gefahr, dass die Bundesregierung und die Dienste mit ihm sehr eng zusammenarbeiten. Er bekommt Informationen, die wir aber nicht bekommen, weil wir nicht an die Akten herankommen. Das heißt, das ist auch keine bedeutende Verbesserung. Vielmehr haben wir es auch noch mit einer Verschlimmbesserung zu tun, wonach in Zukunft der Vorsitzende nicht mehr aus der Opposition kommen kann. Es war ein echter Fortschritt - das hat sich meiner Ansicht nach genauso bewährt wie die übrige Arbeit, dass das jedes Jahr gewechselt hat und dass auch die Opposition an der Reihe war. Das war gut und richtig - obwohl ich da leider nie in den Genuss gekommen bin, weil die Mehrheitsverhältnisse anders waren.

Jetzt sage ich Ihnen, was der entscheidende Fehler ist. Der entscheidende Fehler ist, dass Sie überhaupt nicht berücksichtigen, dass die parlamentarische Kontrolle daran scheitert, dass das Gremium hintergangen wird, falsch informiert wird, unvollständig informiert wird und belogen wird. Liebe Kollegen von der Union und der SPD, ich erinnere mich an die Bilder aus dem Sommer 2013 - zum Teil waren Sie dabei -, nach den Veröffentlichungen von Edward Snowden. Da saßen - wie eine Ansammlung von Menschen aus dem Tal der Ahnungslosen - Vertreter der Bundesregierung und der Dienste und haben Auskunft zu der Frage gegeben, die die ganze Republik beschäftigte: Machen Deutsche auch so etwas, spionieren sie auch befreundete Länder aus? Da wurde gesagt: Die Frage ist schon eine Unverschämtheit; um Freunde kümmern wir uns da nicht. - Die Kanzlerin hat dann ja noch einen draufgesetzt und gesagt: "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht." Das war die Situation. Und jetzt? Machen Sie irgendetwas, was in Zukunft dazu führen kann, dass die Auskünfte richtig sind? Geben Sie dem Parlamentarischen Kontrollgremium irgendeine Möglichkeit der Sanktion, wenn es belogen wird? Wenn ich belogen werde, möchte ich das der Öffentlichkeit mitteilen können, möchte ich sagen können: So geht das nicht, so geht man mit einem Parlamentarier nicht um, so geht man mit dem ganzen Parlament nicht um. In diesem Bereich machen Sie null, machen Sie überhaupt nichts. Deshalb wird es die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste leider auch in Zukunft ungeheuer schwer haben. Ich weiß nicht, ob wir da überhaupt weiterkommen. Solange es keine Sanktionsmöglichkeiten gibt - wie etwa die Möglichkeit einer Meldung nach außen in Form einer Presseerklärung oder einer Mitteilung des Gremiums, dass man belogen worden ist -, kommen wir nicht weiter.

Dazu gehört die Forderung, die der Kollege Hahn schon gestellt hat und die ich seit zehn Jahren vor mir hertrage: Um beweisen zu können, dass die Unwahrheit gesagt worden ist, brauchen wir das Protokoll, brauchen wir ein Tonbandprotokoll, um es festzustellen. Denn heute wissen wir, dass auch der Bundesnachrichtendienst tausendfach Freunde und Partner ausgespäht hat - in Europa, in NATO-Ländern, überall. Wir werden dazu noch einen Bericht veröffentlichen. Das, was gesagt wurde, war also falsch.

Wir müssen die Möglichkeit haben, uns das, was beispielsweise im Sommer 2013 gesagt worden ist, auf dem Tonband anzuhören, damit wir sagen können: Was hatte das mit der Wirklichkeit zu tun, was hatte das mit der Realität zu tun? Ihr habt uns etwas verschwiegen, ihr habt uns ausdrücklich belogen, und so geht das nicht. -

Solange Sie nicht mit uns daran weiterarbeiten, macht die ganze Arbeit an der Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums nur wenig Sinn.

Weitere Infos:

Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes Drucksache 18/9040

Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste