Wahlkampf 2013

Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung: Nachbesserungen notwendig

30.09.2016: Am Donnerstag, 29.9.2016 war in erster Lesung der Gesetzentwurf zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung im Plenum. Einig waren sich alle: die geltenden Regelungen zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung sind reformbedürftig. Aus Grüner Sicht müssen die Vorschläge der Bundesregierung hierzu jedoch noch nachgebessert werden.

Die aktuellen Regelungen zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung sind unübersichtlich und bei der praktischen Anwendung lauern viele Fallstricke. Opfer von Straftaten müssen ihre verloren gegangenen Vermögenswerte zivilrechtlich erstreiten, was sehr aufwendig und nicht immer erfolgsversprechend ist - gerade wenn es mehrere Geschädigte gibt.

Die Bundesregierung hat hierzu einen umfassenden Gesetzentwurf (Drucksache 18/9525) vorgelegt, der sich an einer Änderung versucht. Der Entwurf analysiert die Probleme überwiegend zutreffend. Sein Ziel - nämlich das Recht der Vermögensabschöpfung zu vereinfachen und damit Erträge aus Straftaten leichter einziehen zu können, erreicht er in der jetzt vorliegenden Form nicht.

Opferentschädigung verbessern und vereinfachen

Der Entwurf sieht ein neues Verfahren für die Opferentschädigung vor: diese erfolgt nun grundsätzlich im strafrechtlichen Vollstreckungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde und funktionell durch den Rechtspfleger (§ 459h StPO-E). Eine Entlastung der Strafjustiz ist durch die neuen Regelungen allerdings nicht zu erwarten, da sie sich so zusätzlich mit diffizilen zivilrechtlichen Fragen beschäftigen muss - Rückstau und Verfahrensverlängerungen sind da vorprogrammiert. Zudem wird sich die Höhe des Schadens mitnichten ohne weiteres einfach feststellen lassen. Man denke nur an Betrugsfälle, unter Umständen mit vielen Beteiligten. Für solche umfassenden Prüfungen im Vollstreckungsverfahren wird man in jedem Fall deutlich mehr Personal benötigen als bisher - andernfalls drohen die Verfahren zu kollabieren.

Es ist richtig und erstrebenswert, dass Geschädigte von Straftaten schneller und einfach entschädigt werden. Ob die Neuregelungen für die Verletzten tatsächlich eine Verbesserung bedeuteten, ist ebenfalls fraglich. Zwar soll nun den Tatgeschädigten der Gang zum Zivilgericht erspart bleiben und damit weitere Kosten. Mitunter werden sie aber lange auf die Entschädigung warten müssen - je nachdem wann das Urteil seine Rechtskraft entfaltet. (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zu § 459h StPO-E: "Der zu entschädigende Verletzte und der Inhalt seines Entschädigungsanspruchs ergeben sich mithin aus dem rechtskräftigen Strafurteil"). Je nachdem wie groß der Schaden ist, kann sich das für den Verletzten existentiell auswirken.

Gesetzentwurf schießt über Ziel hinaus

Mit dem Gesetz soll auch eine EU-Richtlinie (2014/42/EU vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union) in deutsches Recht umgesetzt werden. Allerdings geht ein Teil der Neuregelungen über die Umsetzungsvorgaben hinaus. Die Ausweitung des Anwendungsbereichs der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, so wie sie die Bundesregierung jetzt vorschlägt, ist auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht unbedenklich. Das betrifft u.a. die neuen Regelungen zur "Erweiterten Einziehung" (§ 73a StGB-E), der "Selbstständigen Einziehung" (§ 76a Abs. 1 StGB-E) sowie die Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft (§ 76a Abs. 4 StGB-E). Nach § 76a Abs. 4 StGB-E soll es möglich sein, in einem laufenden Verfahren, "Vermögen unklarer Herkunft unabhängig vom Nachweis einer konkreten [anderen] rechtswidrigen Tat (selbständig) einzuziehen, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass der sichergestellte Gegenstand aus (irgend-)einer rechtswidrigen Tat herrührt. Es ist mithin nicht erforderlich, dass die Tat im Einzelnen festgestellt wird". (vgl. Zitat GE-Begründung S. 72. Satz 3 enthält den Katalog der Delikte, die als Anknüpfung für die selbständige Einziehung nach § 76a Absatz 4 StGB-E in Betracht kommen.) Maßgaben für die Einschätzung des Gerichts, ob der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, sind u.a. "ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen" und "sonstige persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen" (vgl. § 437 Abs. 1 StPO-E). Diese Regelung führt faktisch zu einer Beweislastumkehr zulasten des Betroffenen und verstößt gegen die Unschuldsvermutung. Verfassungsrechtlich ist sie damit nicht haltbar.

Anhörung im Bundestag für Nachbesserungen nutzen

Für November ist eine Anhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf geplant. Dabei wird man diesen und weitere kritische Punkte nochmals ausführlich mit verschiedenen Sachverständigen erörtern müssen.

Die Rede von Hans-Christian Ströbele zum Tagesordnungspunkt "Strafrechtliche Vermögensabschöpfung" (Drucksache 18/9525) finden Sie hier: :