Wahlkampf 2013

GroKo hat die Chance auf wirksame demokratische Kontrolle der Geheimdienste völlig verpasst

21.10.2016: Das Gesetz schwächt die Oppositionsrechte und bietet keine Sanktionsmöglichkeiten, wenn falsch unterrichtet wird. Die Rede von Hans-Christian Ströbele zur enttäuschenden Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste:


Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

"Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition wird heute dafür sorgen, dass eine reale Chance verpasst wird, den größten deutschen Geheimdienst unter demokratische Kontrolle zu bringen und endlich an die Leine zu legen.

Anstatt ein Gesetz zu machen, durch das die Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes verfassungskonform gestaltet wird, geben Sie dem Bundesnachrichtendienst jetzt die Erlaubnis, die illegale Praxis, die dort seit mehr als 15 Jahren betrieben wird, fortzusetzen. Statt das Parlamentarische Kontrollgremium und seine Arbeit wirkungsvoller zu gestalten, schaffen Sie jetzt zu den vier Institutionen der Kontrolle, die wir bereits haben, zwei zusätzliche. Dadurch wird die Kontrolle nicht besser, sondern sie wird noch mehr zersplittert sein.

Als dienstältestes Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums sage ich auch einmal etwas Positives: Die Arbeit des PKGr hat sich in dieser Legislaturperiode substantiell verbessert. Wir haben nicht nur sieben AGs zu sieben Themen gegründet, sondern wir haben auch eine Taskforce eingesetzt und Sachverständigte beauftragt. Das ist gut und richtig und war auch - das muss ich sagen - sehr ertragreich. Der Fehler ist, dass von dieser Tätigkeit und dem, was wir da an teilweise Skandalösem herausbekommen haben, leider nichts an die Öffentlichkeit gegeben werden darf.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das nicht wirksam ist, liegt doch an etwas ganz anderem. Wir brauchen doch nicht zwei weitere Gremien, um den Fehler zu beheben. Der Fehler ist nämlich der, dass von der Bundesregierung und den Diensten nicht vollständig und nicht wahrheitsgemäß berichtet wird. Wir sind aber darauf angewiesen, dass das, was von dort kommt, tatsächlich stimmt. Und das ist in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen.

Ich will Ihnen dazu zwei Beispiele nennen: Ich lese, dass bei "Eikonal" in die Akten geschrieben worden ist: Das größte Risiko besteht darin, dass das Parlamentarische Kontrollgremium oder die G 10-Kommission von dem, was wir hier machen, erfahren. Das ist das größte Risiko, und das muss vermieden werden. - Diejenigen, die das geschrieben haben, sind nicht etwa rausgeschmissen worden, sondern sie sind immer noch da. Und die Leitung des Dienstes hat sich danach gerichtet. Das ist skandalös!

Beim Studium der Akten sehe ich die Bilder aus dem Sommer 2013 - Juni, Juli, August, September - vor mir, als die Bundesregierung und die Dienste dort berichtet haben und diese Herren wie Unschuldslämmer aus dem Tal der Ahnungslosen dasaßen und mit großen Augen sagten: Wir wissen überhaupt nicht, wovon die Rede ist. Prism, Tempora? Nie gehört. Ob es den Snowden und seine Dokumente überhaupt gibt, wissen wir gar nicht. Es gibt ja nur Kopien davon. Und von den Telefonnummern, die da genannt werden, fehlen ja die letzten Ziffern. - In Wahrheit war es so, dass das alles stimmte.

Was viel schlimmer ist: Dieselben Herren haben, wenn sie nicht berichtet haben, in den Diensten gesessen und die Dateien gesäubert von den illegalen Selektoren, die da drin waren, weil sie sahen: Das wird jetzt möglicherweise ans Licht kommen. Sie haben die Mittel ihrer Rechtsbrüche beseitigt.

Das ist die Unwahrheit gegenüber den Kontrollgremien. Solange Sie da nicht mehr tun, wird sich nichts ändern. Deshalb: Legen Sie Ihren Vorschlag beiseite. Der bringt keine substanzielle Änderung. Schreiben Sie in das Gesetz etwas Selbstverständliches hinein, nämlich dass die Bundesregierung und die Dienste wahrheitsgemäß berichten müssen und dass es, wenn sie dies nicht tun, Sanktionen zur Folge hat. Dann muss beispielsweise ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden, oder die Abgeordneten können mit solchen Skandalen an die Öffentlichkeit gehen. Nur so erreichen Sie, dass in Zukunft die bessere Arbeit tatsächlich auch wirkungsvoll ist."

Den Gesetzentwurf der Bundestagsfraktionen von SPD und CDU/CSU finden Sie hier. (Drucksache 18/9040)