Wahlkampf 2013

Rede von Ströbele zum Sicherheitsabkommen mit Albanien, Serbien, Georgien

10.11.2016: Protokollrede von Hans-Christian Ströbele im Deutschen Bundestag zum Sicherheitsabkommen mit Albanien, Serbien und Georgien. Lesen Sie hier die ganze Rede:

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wenn ich richtig gezählt habe, dann hat die Bundesrepublik Deutschland inzwischen mit 24 Staaten - inklusive der drei Länder über die wir heute sprechen, Serbien, Albanien und Georgien - Sicherheitsabkommen geschlossen. Dabei sind auch Staaten wie Saudi-Arabien, China oder Katar. In einer Reihe dieser Länder finden mit staatlicher Beteiligung systematische Menschenrechtsverletzungen statt - Folter, willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen sowie Unterdrückung der Opposition oder Verhängung der Todesstrafe.

Es ist daher dringend geboten klarzustellen, ob und unter welchen Voraussetzungen Deutschland Sicherheitsabkommen mit Staaten schließen sollte.

Die Bundesregierung sieht das offenkundig anders: sie hält - wie auch die vorliegenden Abkommen zeigen - daran fest, immer wieder die gleichen Textbausteine für die verschiedenen Bereiche der Zusammenarbeit zu verwenden. Dieser Standardtext enthält aber keine Anforderungen oder Bedingungen in puncto Menschenrechte oder Rechtsstaatsprinzipien.

Unsere Fraktion hatte daher bereits Ende 2014 einen Antrag eingebracht (Sicherheitsabkommen brauchen Standards, BT-Drs. 18/3553), in dem wir fordern, Sicherheitszusammenarbeit grundsätzlich neu zu gestalten und auszurichten. Dazu sollten in den Abkommen selbst, die Vertragsstaaten in konkreten Klauseln verbindlich zur Einhaltung menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Standards verpflichtet werden. Die Bundesregierung lehnt diesen Vorschlag ab.

Wir sind nicht grundsätzlich gegen Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich. Und auch nicht gegen eine Zusammenarbeit mit Albanien, Serbien und Georgien. Es macht aber einen erheblichen Unterschied, ob mit Ländern wie Saudi-Arabien, China, Katar oder Usbekistan im Sicherheitsbereich zusammengearbeitet wird oder eben mit diesen drei Ländern. Serbien und Albanien sind EU-Beitrittskandidaten, Georgien hat einen vehementen Reformkurs vorangetrieben und ist EU-assoziiert.

Trotzdem kann sich die Lage in Staaten jederzeit ändern. EU-Beitrittsverhandlungen oder selbst eine EU-Mitgliedschaft garantieren nicht, dass rechtsstaatliche Prinzipien und Standards hoch entwickelt sind beziehungsweise nicht irgendwann beschnitten werden. Das gilt ebenso für die menschenrechtliche Lage. Das EU-Land Ungarn ist ein gutes Beispiel hierfür oder auch die Türkei.

Aus diesem Grund wollen wir, dass anhand klarer und vorab verbindlich festgelegter Kriterien über Fort- oder Rückschritte im Bereich der Menschenrechte und der Korruptionsbekämpfung in den jeweiligen Kooperationsländern berichtet werden muss. Anhaltend negative Ergebnisse müssen zu einer Aussetzung und/oder Beendigung des Sicherheitsabkommens führen. Es muss also eine Exitklausel geben. Im April dieses Jahres haben wir die Bundesregierung gefragt, ob jemals ein geplantes Sicherheitsabkommen aufgrund einer bedenklichen Menschenrechtslage nicht abgeschlossen wurde. Es gab keinen einzigen Fall war die Antwort. Das ist eine ziemlich erschütternde Bilanz. Das heißt nämlich, dass nicht mal eine desaströse menschenrechtliche Lage, wie zum Beispiel in Saudi-Arabien Grund genug ist, um auf ein solches Abkommen zu verzichten. Dabei kann im Rahmen einer solchen Zusammenarbeit mitnichten ausgeschlossen werden, dass Deutschland sich mittelbar mitschuldig macht, indem es bestimmtes know-how an staatliche Institutionen weitergibt, aus denen heraus Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Also wenn wir zum Beispiel die Polizei eines bestimmten Landes an einer bestimmten Sicherheitstechnologie schulen und diese dann nicht etwa zur Bekämpfung von Kriminalität eingesetzt wird, sondern beispielsweise gegen Regierungskritiker.

Ein solches Szenario muss aber ausgeschlossen sein. In unserer Kleinen Anfrage hatten wir von der Bundesregierung auch wissen wollen, warum Sicherheitsabkommen bisher keine konkreten Klauseln mit Überprüfungscharakter in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit sowie Verhinderung von Korruption beinhalten. Die Antwort hierzu war - unter anderem - dass Sicherheitsabkommen so ausgestaltet seien, dass Maßnahmen im Rahmen ihrer Umsetzung keinen Menschenrechtsverletzungen Vorschub leisten können. Insbesondere seien sämtliche Maßnahmen nur im Rahmen und auf der Grundlage des jeweiligen nationalen Rechts zulässig, das heißt für die deutschen Sicherheitsbehörden gelten die auch in Deutschland anwendbaren Rechtsgrundlagen und Beschränkungen. Das klingt alles ganz schön - stimmt aber nicht. Nehmen wir Ägypten. Auch hier verhandelt die Bundesregierung seit geraumer Zeit über ein Sicherheitsabkommen. Auch hier wäre ein Teil dieses Abkommens die polizeiliche Zusammenarbeit - Ausbildungs- und Ausstattungshilfe - mit ägyptischen Sicherheitsbehörden, sogar mit dem Inlandsgeheimdienst NSS. Wir wissen, dass der NSS fürchterlich foltert. Wir wissen, dass das BKA ägyptische Polizisten ausbildet, unter anderem die brutale Stadionpolizei, die willkürlich und gewalttätig vorgeht. Die Bundesregierung kann hier doch nicht ernsthaft glauben, sie leiste dadurch keine Unterstützung zu all diesen Menschenrechtsverletzungen. Ein Sicherheitsabkommen würde diese Zusammenarbeit noch intensivieren.

Solange die Bundesregierung nicht bereit ist, Sicherheitszusammenarbeit neu zu gestalten und als Ausgangsbedingung für Sicherheitsabkommen, aber auch für andere zwischenstaatliche Abkommen in den Bereichen Sicherheitszusammenarbeit, Ausbildungs- und Ausstattungshilfe für Polizei und Militär sowie für jegliche sonstigen Unterstützungsmaßnahmen im Sicherheitssektor, an konkrete Bedingungen, vor allem die Einhaltung von menschenrechtlichen Standards zu knüpfen, können wir einer solchen Zusammenarbeit nicht zustimmen. Die Lage in Serbien, Albanien und Georgien ist nicht vergleichbar mit Ägypten, Mexiko oder Saudi-Arabien - daher enthalten wir uns zu diesen drei Gesetzesvorlagen.

Weitere Informationen finden Sie hier:

a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. März 2016 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Serbien über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich Drucksache 18/9754 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) Drucksache 18/10090

b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerrat der Republik Albanien über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich Drucksache 18/9755 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) Drucksache 18/10092

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Juli 2014 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Georgien über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, des Terrorismus und anderer Straftaten von erheblicher Bedeutung Drucksache 18/9756 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) Drucksache 18/10091