Wahlkampf 2013

Hungerkatastrophe in Simbabwe weiter bekämpfen

03.04.2003: Bundestagsrede Hans-Christian Ströbeles vom 3.4.2003 zum Antrag der Regierungskoalition: "Hungerkatastrophe in Simbabwe weiter bekämpfen - Internationalen Druck auf die Regierung Simbabwes aufrechterhalten"

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Ehrmann, der Ausschussvorsitzende und auch der Kollege Löning haben die Situation, wie sie derzeit in Simbabwe ist, geschildert. Ich will gar nicht viel hinzufügen; ich will nur ein paar persönliche Bemerkungen dazu machen. Für mich ist dieser Anlass, über Simbabwe zu reden, auch ganz persönlich - ich glaube, das geht auch anderen aus meiner Fraktion so - eine sehr traurige, schmerzliche Angelegenheit. Es macht uns aber auch wütend, und zwar nicht nur, weil Simbabwe, das frühere Rhodesien, einmal eines der fortschrittlichsten Länder Afrikas gewesen ist mit einer funktionierenden Landwirtschaft und blühenden Landschaften - es war die Kornkammer Afrikas -, dem wir jetzt Hilfe geben müssen, weil die Menschen hungern; Sie haben auf die Einzelheiten hingewiesen. Es macht uns auch wütend, weil der jetzige Staatspräsident Mugabe früher von uns, von Deutschland aus, mit großer Solidarität und Hilfsbereitschaft begleitet worden ist, als er im Befreiungskampf von der britischen Kolonialherrschaft als Befreiungskämpfer und Mitorganisator der Befreiungsbewegung Großes geleistet hat. Das hat uns zu ungeheuren Hoffnungen Anlass gegeben, weil er nach der Befreiung einen scheinbar vernünftigen Kurs gefahren hat. Er war derjenige, der den Briten und den englischen Landbesitzern in Rhodesien bzw. im späteren Simbabwe eine Zukunft zugesagt hat, sie im Land gelassen hat und versucht hat, das Land gemeinsam mit den ehemaligen Kolonialherren zu entwickeln. Mugabe war für mich und andere eine Figur in der Geschichte Afrikas, die - man traut sich das heute fast nicht mehr zu sagen - eine ähnliche Signalwirkung hatte wie Nelson Mandela und andere Persönlichkeiten im südlichen Afrika. Umso schmerzlicher und trauriger ist es, jetzt feststellen zu müssen, dass viele Ländereien, die nicht mehr den weißen Farmern gehören, sondern schwarzen Großgrundbesitzern aus der Machtclique von Mugabe, brachliegen. Diese Situation besteht nicht erst seit wenigen Monaten, sondern schon seit längerer Zeit. Ich war während der Phase der ersten Landbesetzung mit meinem Ausschuss in Simbabwe. Dort haben wir uns die Lage angesehen und haben mit den Leuten gesprochen. Ich sage das alles jetzt aber auch deshalb, weil ich davon ausgehe, dass uns die Botschaft Simbabwes zusieht. Sie hat sich an den Deutschen Bundestag, vor allem an die CDU/CSU-Fraktion, gewendet und in einem frechen Brief anlässlich des ersten Antrags, den Sie hier gestellt haben, Empörendes mitgeteilt: Diese Hungerkatastrophe und die Zustände, die in Simbabwe herrschen, seien Folgen einer Naturkatastrophe, eines Klimawechsels, einer Dürre oder einer Regenkatastrophe. Ich kann dieser Regierung nur sagen: Das alles, was sie nach außen verkündet hat, ist nicht wahr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP)

Sie versucht, das der Weltgemeinschaft zu verkaufen, um von dem abzulenken, was Mugabe mit seiner Regie-rungsmannschaft angerichtet hat. Im Deutschen Bundes-tag haben wir festgestellt, dass sie durch das, was sie ge-macht hat, frühere Sympathie für den neu an die Regierung gekommen Mugabe und seine Leute, die in Europa, in Afrika und in der Welt sehr lange angehalten hat, verspielt hat. Heute stellen wir fest - so schmerzlich es auch ist -: Es gibt keinen anderen Weg, als zu versuchen, dass dortige Regime zu isolieren. Ich verspreche mir nicht, dass das Regime nur deshalb in die Knie geht, weil wir die staatliche Entwicklungszusammenarbeit eingestellt haben. Dieses Vorgehen ist aber ein wichtiges Zeichen für Afrika und für Europa, das zeigt, dass wir das durchhalten und konsequent betreiben. Das, was der französische Staatspräsident auf dem Empfang praktiziert hat, muss ein Ausrutscher bleiben. Ich glaube, der Deutsche Bundestag tut gut daran, das zu kritisieren, bei aller Freundschaft zu Frankreich und zum französischen Staatspräsidenten. Das war nicht richtig. Das kritisieren wir heftig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns fragen, wie es weitergeht, dann muss klar sein - das ergibt sich auch aus dem gemeinsamen Antrag -, dass der Schlüssel für den Wechsel dieses Regimes ganz unzweifelhaft bei den Nachbarländern liegt. Die Verantwortung liegt in erster Linie bei Südafrika. Südafrika ist das mit Abstand größte und einflussreichste Land, dessen Staatspräsident nach wie vor sehr enge Beziehungen zu Simbabwe hat. Wir gehen deshalb davon aus, dass er seinen Einfluss dort geltend machen kann. Er muss ihn auch geltend machen. Er trägt eine hohe Verantwortung dafür, dass sich die Verhältnisse dort ändern. Lassen Sie mich eine letzte persönliche Bemerkung machen. Ich bin nach wie vor der Meinung, auch nach meinem Besuch mit dem Ausschuss in Simbabwe, dass eine Landreform, eine gerechte Landverteilung in diesem Land notwendig ist. Bei aller Kritik sowie bei allen Forderungen nach einer grundlegenden Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Rücknahme der Repressionen fordere ich noch immer eine gerechte Landverteilung.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, Sie müssten jetzt wirklich zum Ende kommen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Diese muss aber dazu führen - das ist mein letzter Satz -, dass die neuen Farmer die Ländereien in den Stand versetzen, dass sie diese Ländereien nachhaltig und ertragbringend bewirtschaften können. Das heißt: Wenn sich die Verhältnisse dort geändert haben, brauchen sie in der Entwicklungszusammenarbeit unsere finanzielle Unterstützung, aber auch unsere Unterstützung beim Know-how. Diese sagen wir ihnen zu. Wir werden sie unterstützen, sobald sich die Verhältnisse dort demokratisiert und rechtsstaatlich gestaltet haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)