Rederecht im Bundestag für abweichende Meinungen einschränken?
15.04.2012: Hans-Christian Ströbeles Erklärung zu den Plänen von CDU/SPD/FDP, das Rederecht für abweichende Meinungen im Bundestag einzuschränken.
Der Name "Parlament" kommt vom lateinischen parlare, das heißt "reden". Die Parlamentsabgeordneten sind also zum Reden im Parlament da. Wenn ich dort nicht reden darf, kann ich gleich zu Hause bleiben und per mail abstimmen. An der Meinungsbildung im Parlamentsplenum soll ich ja möglichst nicht mitwirken, höchstens durch Beifallklatschen.
Abweichler von den Fraktionsmeinungen sollen diszipliniert werden. Meinungsvielfalt bleibt auf der Strecke. Debatten werden langweiliger. Kein Wunder, wenn die Bevölkerung sich abwendet und viele ihre Meinung im Parlament nicht mehr vertreten finden.
Da hatte der Bundestagspräsident mit seiner Zulassung der Reden von Abweichlern von der Fraktionsmeinung mal eine gute Idee und die Verfassung richtig verstanden, schon wird er "zur Ordnung" gerufen. Auch ich habe in den vergangen Monaten einmal dankbar die Möglichkeit in einer Afghanistandebatte genutzt, die mir Lex-Lammert eröffnet hatte.
Anstatt sich dafür einzusetzen, dass die einzelnen Abgeordneten mehr Möglichkeiten zum Mitdiskutieren und Mitgestalten im Parlament bekommen, wollen die Fraktionsführungen der Altparteien, die für sich Rederecht von 20 Minuten und mehr ständig in Anspruch nehmen, die Redezeit für einzelne Abgeordnete, die nicht ihrer Meinung sind, auf drei Minuten begrenzen und nur nach Abstimmung mit ihnen zulassen. Haben sie denn so große Angst um Einfluss und Disziplin?
Am 26.4., dem nächsten Sitzungstag, um fünf Minuten vor 19 Uhr, wenn kaum noch jemand zuhört und keine Öffentlichkeit mehr da ist, befasst sich der Bundestag mit dieser Änderung der Geschäftsordnung.
Die gemeinten Abgeordneten müssen sich notfalls über Fraktionsgrenzen hinweg zusammentun und mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts ihre Verfassungsrechte sichern, auch im Interesse der Parlamentarischen Demokratie.