Wahlkampf 2013

Stellungnahme zur damaligen Tätigkeit als Strafverteidiger der RAF

Christian Ströbele stellt mit dieser Erklärung einige Sachverhalte zu seiner damaligen Tätigkeit als Starfverteidiger von Gefangenen aus der RAF klar. Denn immer wieder werden in der Presse und Öffentlichkeit falsche Informationen darüber verbreitet.

"Vorgeworfen wurde mir nicht, wie immer wieder behauptet wird, dass ich sog. Kassiber oder andere Gegenstände aus Gefängniszellen zur RAF im Untergrund oder von dort in die Gefängnisse geschmuggelt haben soll. Alle Vorwürfe betrafen vielmehr meine Tätigkeit als Verteidiger der Gefangenen aus der RAF in den Jahren 1973 bis Anfang 1975. Die Justiz war der Meinung, die Gefangenen hätten in den Gefängnissen eine kriminelle Vereinigung gebildet. Diese soll ich angeblich als Anwalt unterstützt haben durch öffentliche Erklärungen auf Pressekonferenzen zur Unterstützung der Forderungen von Hungerstreiks, durch Teilnahme an einem Informationssystem zwischen den Angeklagten und ihren Verteidigern oder auch durch die bloße Einzahlung von 50 D-Mark auf das Haftkonto eines Gefangenen.

Im Jahr 1975 war die Staatsanwaltschaft in Berlin bei den Ehrengerichten der Rechtsanwaltskammer mit Anträgen, die auf die gleichen Vorwürfe gestützt waren, gescheitert , mir die Ausübung des Berufes als Rechtsanwalt verbieten zu lassen. In zwei Instanzen wurden die Anträge durch die Ehrengerichte abgelehnt, weil diese keine schweren Verstöße gegen meine Pflichten als Rechtsanwalt feststellen konnten. So habe ich den Beruf als Rechtsanwalt und Strafverteidiger von 1969 bis heute ununterbrochen ausgeübt.

1976 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen mich. Fünf Jahre vergingen, bis im Juni 1980 die Hauptverhandlung begann. 1983 wurde das Urteil gegen mich rechtskräftig. Die Strafe wurde vor zwei Jahrzehnten erlassen und ist längst im Strafregister getilgt. Ich wurde angeklagt unter anderem wegen der Unterstützung von Hungerstreikforderungen durch Äußerungen auf Pressekonferenzen und der Beteiligung am Infosystem.

Die Forderungen nach Verbesserung der Haftbedingungen und Aufhebung der Isolation von Gefangen hielt ich damals und halte ich noch heute für berechtigt. Ich hatte die Forderungen in unzähligen Anträgen an die Gerichte gestellt und begründet. Ich hatte darüber mit der Bundesanwaltschaft und Richtern verhandelt. Ich hatte es als meine Aufgabe als Verteidiger angesehen, diese Forderungen auch öffentlich zu machen. Eine Verurteilung wegen dieser Tätigkeit erfolgte am Ende auch nicht.

Verurteilt wurde ich ausschließlich wegen der Beteiligung an diesem "Infosystem". Das Infosystem war von uns Verteidigern im Anwaltsbüro eines Mitverteidigers in Hamburg eingerichtet worden. Es war gedacht als Hilfsmittel, um die gemeinsame Verteidigung, die damals noch gesetzlich zulässig war, gegen eine gemeinsame Anklage der Gefangenen aus der RAF und ihren zahlreichen Verteidigern zu koordinieren und zu organisieren. Daneben diente es auch der Beschäftigung und Diskussion der Untersuchungsgefangenen, die unter der abgeschotteten und isolierten Unterbringung in den Gefängnissen litten und zum Teil dadurch auch krank geworden waren. Verschicktes Infomaterial war vorher zuweilen durch Gerichte kontrolliert und unbeanstandet weitergeleitet worden. So waren wir Verteidiger auch nicht auf die Idee gekommen, dass solche Verschickungen unzulässig sein könnten. Die damals neue rechtliche Konstruktion der Staatsanwaltschaft, dass die Gefangenen, die bundesweit vereinzelt und zum Teil isoliert in den Gefängnissen untergebracht waren, dort eine neue kriminelle Vereinigung gebildet haben sollen, hielten wir für abenteuerlich. Die Staatsanwaltschaft führte bezeichnenderweise mit diesem Vorwurf nur Strafverfahren gegen einzelne in der Öffentlichkeit besonders aktive Verteidiger, nicht aber gegen die Gefangenen, also die "Haupttäter" der angeblichen Vereinigung.

Im Nachhinein ist vieles an unserem außergewöhnlich starken Engagement als Verteidiger für die Gefangenen aus der RAF vielleicht schwer nachzuvollziehen. Die besondere Situation, in der sich die Gefangen befanden, sowie deren Sonderbehandlung in den Gefängnissen waren ein Grund und eine Erklärung dafür.

Hinzu kam, dass wir nicht nur die Gefangenen gegen ungerechtfertigte öffentliche Verdächtigungen und Diffamierungen verteidigen mussten, sondern dass auch wir als ihre Verteidiger damals vielfach öffentlichen Angriffen und Beschimpfungen durch Politiker und Medien sowie staatlicher Beobachtung und Verfolgung ausgesetzt waren. So hatte der Verfassungsschutz eine seiner Mitarbeiterinnen in unserem Anwaltsbüro jahrelang als Sekretärin eingesetzt. Die öffentlichen Diffamierungen führten dazu, dass mir mit der Post eine scharfe Patrone zugesandt wurde mit einem Merkzettel, auf dem stand: "Dein Todesurteil".

Mein besonderes Engagement als Verteidiger der Leute aus der RAF erkläre ich aus den damaligen außergewöhnlichen Umständen. Ich habe es damals für richtig und notwendig gehalten und sehe es heute nicht viel anders."