Wahlkampf 2013

Abweichende Bewertung des Mitgliedes des Parlamentarischen Kontrollgremiums Hans-Christian Ströbele zum Bericht der Bundesregierung

Abweichende Bewertung des Mitgliedes des Parlamentarischen Kontrollgremiums Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) zum Bericht der Bundesregierung zu den "Vorgängen im Zusammenhang mit den Irak-Krieg und der Bekämpfung des Internationalen Terrorismus" gemäß § 5 Abs. 1 Satz 5 PKGr

Die Arbeit des PKGr war außergewöhnlich. Das gilt für die Art Tätigkeit als Aufklärungsorgan, aber auch für den Zeit- und Arbeitsaufwand. Die Aufklärungstätigkeiten waren in vielem denen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ähnlich, nur dass die Tätigkeit des PKG der Geheimhaltung unterlag, die besonderen Aufklärungsbefugnisse eine solchen Ausschusses nicht gegeben waren und deshalb keinerlei Unterstützung durch Mitarbeiter möglich war.

Außergewöhnlich ist sicher auch, dass der Sachverhaltsteil, in dem die Ergebnisse der Aufklärungsarbeit des parlamentarischen Gremiums festgestellt werden, von der Bundesregierung formuliert und vorgelegt wird.

Deshalb wird die abweichende Bewertung sich sowohl auf den Bericht der Bundesregierung als auch auf die der Mehrheit des Gremiums beziehen.

Die Aufklärungsbemühungen des parlamentarischen Gremiums waren ergiebig. Die Bundesregierung hat die gestellten Fragen beantwortet oder von Mitarbeiter der Dienste beantworten lassen. Sie hat sich bemüht, die geforderten Akten und Unterlagen vorzulegen. Sie hat einen sehr inhalts- und detailreichen Bericht vorgelegt.

Gleichwohl sind Fragen nicht geklärt. Einige sind unzutreffend beantwortet.

1. Unterstützung der Irakkriegsführung 2003 durch den BND

Für den Einsatz der beiden BND-Mitarbeiter in Bagdad im März /April 2003 gab es eine Auftrags- und Weisungslage der Führung, die nicht schriftlich niedergelegt, sondern mündlich in Besprechungen weitergeben wurde.

Die konkrete Ausgestaltung und Durchführung dieses Einsatzes ist zu beanstanden. Der damaligen Bundesregierung war von den Durchführungsmängeln und vom konkreten Inhalt der Meldungen aus Bagdad nichts bekannt. Auch dem Präsidenten des BND sind diese nicht vorgelegt worden.

Die Feststellungen in dem Bericht der Bundesregierung und diesem folgend die Bewertung der Mehrheit des Gremiums unterliegen erheblichen Zweifeln.

Dies gilt für Feststellungen a. zur Einhaltung der Auftrags- und Weisungslage, b. zum Inhalt der tatsächlichen Meldungen aus Bagdad, c. zu den Kommunikationswegen und d. zur Zusammenarbeit mit US-Stellen.

a. Für die mit dem konkreten Einsatz befassten Mitarbeiter des BND wurde eine klare und eindeutige Auftrags- und Weisungslage angegeben, keine Unterstützung für operative Kampfhandlungen der US-Streitkräfte im Irakkrieg zu leisten. Ob dies aber tatsächlich allen Mitarbeitern im BND, die mit dem Einsatz befasst waren, bekannt war und ob sich alle daran gehalten haben, ist zweifelhaft. Nicht nur die in Bagdad eingesetzten BND-Mitarbeiter, sondern auch andere aus der Zentrale und nicht zuletzt der Präsident haben die Auftrags- und Weisungslage haben bestätigt. Durch die Akten konnte diese aber nicht belegt werden, weil es dazu keinerlei Aufzeichnungen beim BND oder bei der Bundesregierung geben soll. Der Präsident des BND hat die Einhaltung der Weisungen nicht überprüft, weil er seinen Mitarbeitern vertraute.

Aber mindestens einer der angehörten Mitarbeiter hat Informationen über die Kriterien der Begrenzung der Weitergabe von Mitteilungen der BND-Mitarbeiter aus Bagdad nie erfahren. Dies hat er auf Befragen angegeben. Dieser Mitarbeiter im BND hat nach eigenen Angaben mit den BND-Mitarbeitern in Bagdad einerseits und anderseits auch mit den US-Stellen während des Krieges täglich per Telephon Informationen ausgetauscht.

Da er von den vorgegebenen Begrenzungen der Weitergabe nie erfahren hat, konnte er diese bei seinen Telephonaten, die täglich manchmal mehrfach geführt wurden, auch nicht einhalten.

Die Verbindung zu US-Stellen lief über eine Person, die ihre Aufgabe nicht darin sah, Meldungen und Informationen, die ihr vom BND weitergegeben wurden, entsprechend der Auftrags- und Weisungslage zu filtern oder auszusortieren. Die Person sah sich lediglich als eine Art Bote und hat alle ihr übermittelten Informationen auch an die US-Stelle weitergegeben.

Ob noch andere Mitarbeiter des BND - etwa der Stellvertreter des oben erwähnten Mitarbeiters -, die mit Bagdad, aber auch mit den US-Stellen Informationen ausgetauscht haben, ebenfalls von der Auftrags- und Weisungslage nicht informiert waren, konnte nicht festgestellt werden. Es wurden nicht alle befragt. Aus dem Bericht der Bundesregierung ergibt sich, dass mehrere Mitarbeiter des BND die Kommunikation mit den US-Stellen übernommen und geführt hatten, wenn auch über einen Mitarbeiter, der besonders mit der Auftrags- und Weisungslage vertraut war, diese Kommunikation in der Regel abgewickelt werden sollte und abgewickelt wurde.

Welche Informationen tatsächlich von den BND-Mitarbeitern in Bagdad an die US-Stellen gelangt sind, bleibt somit zum großen Teil ungeklärt. Nur die Informationen sind bekannt, die sich aus den vorgelegten schriftlichen Meldungen und den Aufzeichnungen über geführte Telephonate ergeben.

b. Die beiden BND-Mitarbeiter in Bagdad haben neben Objekten, die von Bombardierungen ausgenommen werden sollten, wie Botschaften, Krankenhaus, Schule oder Hotel, über die Angaben im Bericht der Bundesregierung hinaus auch eindeutig militärische Objekte schriftlich und mündlich gemeldet, die als Ziele für Bomben- oder Raketenangriffe in Betracht kamen.

Aus Bagdad wurden schon vor dem Kriegsbeginn am 20.3. 2003 am 16.2., 22.2. und 6.3. eine Raketenstellung, Bunker, ausgehobene Gräben und Geschützstellungen an der Straße nach Bagdad ausgekundschaftet, photographiert und die Meldungen mit Fotos an die Zentrale geschickt.

Antenennanlagen und Stellungen von Flugabwehr sowie Panzer auf Eisenbahnzügen wurden photographiert und mit Koordinaten weitergemeldet.

Nach Kriegsbeginn führten die US-Luftstreitkräfte in Bagdad Angriffe vor allem auf politische und militärische Führungspositionen, Stellungen der Republikanischen Garden, Flugabwehrstellungen und Geheimdienstzentralen durch. So war es der Presse zu entnehmen und war es dem BND bekannt. So steht es in den täglichen Sonderberichten der Kriegstage.

Nach Kriegsbeginn am 20. März haben die beiden Mitarbeiter aus Bagdad gerade entgegen der Darstellung im Bericht der Bundesregierung solche militärischen Objekte gemeldet, die nach den Erkenntnissen des BND Ziele für Luftangriffe der US-Luftstreitkräfte in Bagdad waren. Es waren fünf schriftliche Berichte mit 14 militärischen Objekten. Meist waren die Objekte mit Koordinaten versehen oder die Koordinaten waren bereits vorher bekannt. Vier dieser schriftlichen Meldungen mit insgesamt 11 potentiellen militärischen Zielen wurden an die US-Stellen weitergemeldet. Zum Teil wurden diese Objekte auch in Telephonaten von Bagdad mit der Zentrale angekündigt oder erwähnt.

Im einzelnen waren es drei Objekte mit dem Schreiben vom 28. März, drei Objekte mit Schreiben vom 30. März, vier Objekte am 1. April und ein Objekt am 7. April.

Am 28. März- schwere 3-achsige Militär-LKWs untergezogen in Gebäuden mit Koordinaten- ein Ausweichgefechtsstand im Gebäude mit Koordinaten - neue MG-Stellungen und viel Militär auf dem Offiziersclub der Luftwaffe nach dessen Zerstörung Am 30. März- SRG und RG-Stellungen (Republikanische Garden und Sonder-Garden) umgehend gemeldet an bereits zuvor gemeldeten Koordinaten - Republikanische Garden mit LKWs Tank-LKW, Pick-Ups mit MG, Soldaten in Stellungen mit 3 x Koordinaten, - Gebäude mit 2 ZU-Zwilling mit Koordinaten. Am 1. April- Offiziersclub der Luftwaffe dem Erdboden gleichgemacht durch erneut Bombardierungen, jetzt mit neuen Kfzs, Soldaten, Republikanische Garden und Pick-Ups. - Unter Tarnnetzen auf einem Gelände "hochwertige Militärfahrzeuge" und vermutet einem Bunkerzugang mit Koordinaten. - Gebäude gegenüber dem Offiziersclub mit Offizieren mit Koordinaten, - Gefechtsstand mit 7 Pick-Ups mit MGs, Soldaten, höheren Offizieren der Revolutionären Garden. Am 7. April 14.18- Ausweichquartier IRQND (irakischer Geheimdienst) mit Koordinaten.

Nicht festgestellt ist, ob die genannten Objekte tatsächlich bombardiert wurden und ob dies nach der Weiterleitung der Meldungen geschah.

Erheblichen Zweifeln unterliegt allerdings auch die Behauptung im Bericht der Bundesregierung, durch Auswertung von Luftbildern sei zweifelsfrei festgestellt, dass keine Bombardierungen dieser Ziele erfolgt sind. Denn die vorgelegten Luftaufnahmen mit eingezeichneten Koordinaten sind unergiebig. Aus ihnen ergeben sich auch bei den mit Koordinaten markierten Orten keine Zerstörungen, wo unzweifelhaft Bomben eingeschlagen sind, wie etwa beim angegriffenen Speiselokal in Bagdad-Mansur.

Außerdem wurden die Luftaufnahmen an einem Tag aufgenommen, der sechs und mehr Wochen nach den Bombardierungen lag. Einige zeigen zu den angegebenen RG-Stellungen nur Bracheflächen. Die können ohne viel Mühe in den Wochen wieder eingeebnet worden sein. Das würde mit den Meldungen aus Bagdad korrespondieren, dass Bombenschäden schnell beseitigt wurden. Damit wären Bombeneinschläge nach Wochen aus der Luft nicht mehr erkennbar.

Im Fall des Offiziersclubs der Luftwaffe, der auch im Bericht der Bundesregierung (S. 26) - allerdings mit einer ganz anderen Bedeutung - erwähnt ist, liegt sogar die Annahme nahe, dass die zweite Bombardierung auf die Meldung der BND-Mitarbeiter aus Bagdad erfolgt ist. Am 28. März wurde von den BND-Mitarbeitern der Volltreffer gemeldet mit dem Hinweis, dass sich aber erneut RG-Stellungen und Militär mit Offizieren dort befinden. Am 1. April, also drei Tage nach dieser Meldung, wurde aus Bagdad gemeldet, dass derselbe Offiziersclub erneut bombardiert und dem Erdboden gleichgemacht wurde. Es liegt nahe anzunehmen, dass die erneute Bombardierung, die nach dem Treffer auf dieselbe Stelle eigentlich schwer verständlich ist, auf die Meldung neuer militärischer RG-Stellungen durch die BND-Mitarbeiter erfolgt ist.

Die BND-Mitarbeiter haben am 1. April wiederum angegeben, dass wieder Offiziere und militärische Stellungen dort sind. Am 4. April wurde telephonisch hinzugefügt, dass die erneut festgestellten Offiziere und Militärstellungen zu der Vermutung führen, dass dort ein Bunkersystem oder eine Kommandozentrale angesiedelt ist, zumal vorher auf ein Bunkereingang hingewiesen worden war.

Aus diesem Beispiel wird auch deutlich, dass die im Bericht der Bundesregierung geltend gemachte Zeitverzögerung bei der Weiterleitung der Meldungen aus Bagdad an US-Stellen nicht gegen die militärische Nutzung der Meldung sprechen muss. Ein Zeitverzug bei der Weiterleitung ist für die einzelnen Meldungen nicht belegt und nicht festgestellt. Es gibt aber Hinweise, dass einzelne Meldungen aus Bagdad innerhalb weniger Stunden am selben Tag an die US-Stellen weitergingen.

Zutreffend ist auch nicht die Behauptung im Bericht der Bundesregierung, dass die örtlichen Koordinaten nicht für die Zielerfassung für den Bomben- und Raketenbeschuss geeignet sind. Denn die aufgeführten Koordinaten mögen zwar nicht allein für diesen Zweck ausreichen, aber sie sind ein wichtiger Faktor, der mit anderen Komponenten aus Luftbildern und sonstigen Erkenntnissen kombiniert, ein verlässliche Zielerfassung möglich macht.

Die Bundesregierung weißt in ihrem Bericht zu Recht darauf hin, dass zur Vermeidung von Beschuss von kriegsvölkerrechtlich geschützten und humanitären Einrichtungen die Angabe geografische Koordinaten notwendig war. Was für die Vermeidung von Treffern notwendig ist, kann auch durchaus der Erzielung von solchen dienen.

c. Die Feststellungen in dem Bericht der Bundesregierung zu den Möglichkeiten und Wegen der Kommunikation der BND-Mitarbeiter in Bagdad während des Irakkrieges sind nicht ganz vollständig. Über die Telephonnummer für das offene Nottelephon wurde von den BND-Mitarbeitern gerade auch in den kritischen Kriegstagen vor und nach dem 1. April häufig telephoniert, weil die anderen beiden gesicherten Kommunikationsstränge nicht funktionierten.

Grundsätzlich konnte mit den Telephonen überall hin telephoniert werden. Die Verbindungen waren mit der ganzen Welt möglich.

d. Zweifelhaft ist, dass es über konkrete Absprachen über die Aufgaben und die Aufträge für die BND-Mitarbeiter mit US-Stellen keine Aufzeichnungen beim BND und der Bundesregierung geben soll. Dies ist deshalb schwer nachvollziehbar, weil es mehrere Treffen noch im Herbst 2002 und in den ersten Tagen und Wochen des Jahres 2003 mit Vertretern von US-Stellen gegeben haben soll. Ein BND-Mitarbeiter soll wegen Absprachen zur Jahreswende sogar in den USA gewesen sein. Zum Inhalt der Gespräche soll es keine Aufzeichnungen geben mit Ausnahme von solchen für Notfalleinsätze. Das ist ungewöhnlich und mit der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu erklären, wie es im Bericht der Bundesregierung versucht wird. Die Zweifel werden dadurch verstärkt, dass der Mitarbeiter, der zunächst angegeben hatte, es gäbe keine weiteren Aufzeichnungen, später selbst ein Schreiben aus dem Anfang des Jahres 2003 erwähnt hat.

Die Akten betreffend Auskunftsersuchen von US-Stellen wurden dem Gremium zunächst gar nicht und dann auch nur überwiegend geschwärzt und weiter unvollständig zur Einsicht gegeben. Nur der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums konnte diese Akten uneingeschränkt einsehen. Damit wurde ohne Zustimmung aller Mitglieder des PKG ein "Vorsitzendenverfahren" praktiziert, das im PKGrGesetz keine Grundlage findet.

Diese Möglichkeit, aus den Auskunftsersuchen der US-Stellen zu entnehmen, von welcher Auftrags- und Aufgabenlage diese US-Stellen ausgingen, war somit allen anderen Mitgliedern des Gremiums nicht gegeben.

Auch zu den Telephongesprächen der BND-Zentrale mit US-Stellen gibt es nur sehr vereinzelte Hinweise in den Akten. Nicht nur das, was die US-Stellen von den BND-Mitarbeitern in Bagdad an Informationen erwarteten, konnte nicht aufgeklärt werden, sondern wegen fehlender Einsicht in diese Akten und mangels Kenntnisse der Kommunikation werden auch keine Rückschlüsse darauf ermöglicht, welche Verwendung die Meldungen aus Bagdad mit den militärischen Objekten tatsächlich gefunden haben, ob sie also auch zur Erfassung von Bombenzielen gedient haben oder nicht.

Aus den wenigen Hinweisen in Anfragen wegen Informationen an die BND-Mitarbeiter in Bagdad ergibt sich aber der Eindruck, dass die US-Stellen die Einschränkungen durch die angegebene Auftrags- und Weisungslage für die Tätigkeit der BND-Mitarbeiter entweder nicht kannten oder nicht akzeptiert haben. So wurde in einem Telephonat vom 4. April 2003 mitgeteilt, dass US-Stellen vor der Entscheidung stehen, die Gunst der Stunde zu nutzen und gleich nach Bagdad durchzumarschieren, und deshalb bitten, umgehend Informationen zu beschaffen, ob dies möglich ist. Gefragt wurde von US-Stelle auch nach dem Aufenthaltsort von Saddam Hussein. Der Auftrag wurde abgelehnt mit einer ausführlichen Erläuterung, dass dies viel zu gefährlich sei und die sofortige Erschießung riskiert würde.

Gefragt wurde auch nach dunklen Stockwerken im Palestine-Hotel. Hier wurde geantwortet, soweit von Außen feststellbar.

Die Anfrage nach dem genauen Standort der Synagoge kam erst, als die US-Truppen schon in der Stadt waren.

Ganz offensichtlich sahen die US-Stellen den Nutzen dieser beiden BND-Mitarbeiter darin, no-targets, aber auch targets zu finden, zu überprüfen und das Ergebnis mitzuteilen.

Die Informationen aus Bagdad waren - anders als die Mehrheit des Gremiums annimmt - für die alliierten Streitkräfte für konkrete Kampfhandlungen ganz offensichtlich von Belang und dazu geeignet, die Streitkräfte in der taktischen operativen Kriegführung zu unterstützen.

Der Beitrag, den die Meldungen der BND-Mitarbeiter aus Bagdad angesichts ihres eingeschränkten Aktionsradius für die Kriegführung im Irak leisten konnten, war sicher nicht kriegsentscheidend.

Nach den Darstellungen aller dazu Befragten haben Mitglieder der damaligen Bundesregierung von den konkreten Meldungen der BND-Mitarbeiter aus Bagdad nicht und zwar nicht von denen mit militärischen Objekten, auch nicht von denen mit anderen Inhalten erfahren und auch von der ungenügenden Kommunikation und Kontrolle der Auftrags- und Weisungslage nichts gewusst.

Die Vorstellung, dass die beiden BND-Mitarbeiter in Bagdad für die Kriegführung der US-Streitkräfte eine relevante Rolle gespielt haben können, ist keineswegs abwegig, wie die Mehrheit des Gremiums bewertet hat.

Angesichts der begründeten Zweifel an dem Bericht der Bundesregierung war und ist weitere Aufklärung insoweit erforderlich.

  • Aufzuklären ist, welche konkreten Inhalte hatten die schriftlichen und telephonischen Berichte der BND-Mitarbeiter aus Bagdad? Und welche Bedeutung für die US-Kriegführung in Bagdad konnten diese haben und hatten sie tatsächlich? Diese Fragen sind insbesondere zu klären im Hinblick auf die mit Koordinaten in Bagdad benannten Objekten, die in dem Bericht der Bundesregierung dargestellt und der Bewertung der Mehrheit des Gremiums zugrunde gelegt und die, die in dieser Bewertung oben aufgeführt sind.
  • Aufgeklärt werden müssen alle Anfragen, die von US-Stellen an die BND-Zentrale in Deutschland weitergeleitet wurden, weil sich hieraus die Aufgabenbestimmung für die BN-Mitarbeiter in Bagdad entnehmen lässt, wie sie mit den US-Stellen vereinbart war.
  • Aufzuklären ist ferner, welche weiteren Informationen über das schriftlich Dokumentierte hinaus von den beiden BND-Mitarbeitern aus Bagdad durch BND-Mitarbeiter in der Zentrale, insbesondere in den täglichen Telephongesprächen der Mitarbeiter, denen die Weitergabegrenzung durch den Präsidenten nicht bekannt war, an US-Stellen weitergeben wurden.
  • Schließlich ist aufzuklären, wer die Verantwortung dafür trägt, dass die begrenzenden Weisungen nicht an alle BND-Mitarbeiter, die mit der Weitergabe der Informationen befasst waren, gelangt sind, und dass Informationen über rein militärische Ziele entgegen der Weisung und Aufgabenbestimmung von den BND-Mitarbeitern aus Bagdad an US-Stellen gelangt sind.

Die Aufklärung kann erfolgen auf der Basis der bisherigen Aufklärungsarbeit des PKG durch Beiziehung der Akten des BND und Vernehmung der Zeugen aus dem BND.

2. CIA-Flüge und illegale Gefangenentransporte über Deutschland

Zu den CIA-Flügen und -Gefängnissen hat die Bundesregierung angegeben, über keine Kenntnisse zu verfügen. Sie hat erklärt, zwar die Veröffentlichungen dazu in der Presse zur Kenntnis genommen und bei den USA nachgefragt zu haben, aber keine Möglichkeit zu sehen, weitere Aufklärung zu leisten. Die ihr unterstellten deutschen Geheimdienste hätten dazu keinen gesetzlichen Auftrag. In ihrem Bericht teilt die Bundesregierung lediglich mit, dass sie gegenwärtig keinen Anlass sieht, Änderungen der bestehenden Rechtslage oder Erlaubnis-verfahren anzustreben.

Diese Auffassung trifft auf Unverständnis. Es kann nicht hingenommen werden, dass trotz des Verdachtes einer gegen Strafgesetze verstoßenden und mit humanitärem Völkerecht unvereinbaren Verhaltens keine Notwendigkeit gesehen wird, Gewissheit über Transporte in verdächtigen Flugzeugen über deutsches oder europäisches Territorium zu erlangen, um solche behauptete Praxis unverzüglich abstellen zu können.

Im übrigen besteht auch hier weiterer Aufklärungsbedarf:

Zu klären ist noch, warum die Bundesregierung sich nicht in der Lage sieht, wenigstens das zu leisten, was NGOs und Presse getan haben, nämlich festzustellen, welche Flugzeuge in Deutschland landen und starten, die nach Indizien der CIA zuzurechnen sind, und dann gezielt nachzufragen und zumindest in Stichproben nachzusehen, welche Personen mit welchem Ziel, zu welchem Zweck und unter welchen Umständen mit diesen Flugzeugen transportiert werden.- Ungeklärt ist, ob im Jahr 2003 ein Bericht von Soldaten der Bundeswehr gefertigt wurde, der verschwunden sein soll, in dem von der Verschleppung der "Algerian six" durch Mitarbeiter von US-Stellen aus dem Kosovo nach Guantanamo im Januar 2002 berichtet wird. - Aufzuklären ist ferner, wieso die BR das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht im Rahmen dessen Aufgabe nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG ( Informationen zu sammeln und Auszuwerten über "geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungs-bereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht") nicht eingesetzt hat und einsetzt, um dem Verdacht nachzugehen, daß CIA-Flüge mit Gefangenen, die illegal gefangengehalten und in Foltergefängnisse verbracht werden, in Deutschland landen und starten.

3. Entführung und rechtswidrige Vernehmung von El Masri

Zu der Entführung und monatelangen Vernehmung des deutschen Staatsbürgers EL Masri im Gefängnis in Kabul berichtet die Bundesregierung, sie sei ab Juni 2004 und bis Herbst 2005 davon nur durch die Briefe des Rechtsanwaltes El Masris informiert gewesen. Danach habe sie zahlreiche Aktivitäten unternommen, um die Vorwürfe aufzuklären. Sie habe aber von den US- und den mazedonischen Dienststellen dazu keine Auskunft erhalten. Von dem Gespräch des ehemaligen MI Schily mit US-Botschafter Coats vom Ende Mai 2004 habe sie nichts erfahren, bis im Herbst 2005 die Washington Post davon berichtete.

Die Missbilligung durch die Mehrheit des Gremiums wird ausdrücklich unterstützt, dass das PKG über diesen Vorgang, mit dem mehrere Bundesminister immer wieder befasst waren und der eine unglaubliche Rechtsverletzung durch einen ausländischen Dienst zum Gegenstand hatte, nicht rechtzeitig und früher vorgetragen worden war

Zusätzlich wird die unvollständige und falsche Information des Gremiums durch die Bundesregierung am 16.2. 2005 missbilligt, weil die Bundesregierung nicht darüber informiert wurde, dass die US-Regierung durch ihren Botschafter gegenüber dem früheren Bundesinnenminister den Vorwurf der Entführung im Kern bestätigt hatte. Zu dieser Information war der frühere Bundesinneminister nach § 2 PKGrG als Berichtspflichtiger Minister genauso verpflichtet wie der nachgeordnete Vizepräsident des BKA.

Jedenfalls waren Vertreter der Bundesregierung nicht berechtigt, die unwahre Angabe gegenüber dem Gremium zu machen, sie könnten den Vorgang nicht bestätigen, obwohl ein Mitglied der Bundesregierung und vier nachgeordnete hohe Beamte die Bestätigung am 16.2. 2005 kannten. Dies gilt auch für die Sitzung der PKG in der alten Besetzung im Dezember 2005, als Vertreter der Bundesregierung die Frage mit Nein beantworteten, ob die Bestätigung durch US-Botschafter Coats ihnen bekannt gewesen ist. Ein solches nicht hinnehmbares Verhalten muß Konsequenzen haben und kann nicht mit einer Verschwiegenheitsverpflichtung entschuldigt werden. Die Alternative wäre gewesen, keine Angabe anstelle einer falschen zu machen.

Auf Unverständnis stößt auch, dass die US-Stellen und die mazedonischen Behörden bis heute angeblich keine sachdienlichen Angaben über ihre Erkenntnisse zum Entführungsfall El Masri gemacht haben, obwohl mehrfach seitens der deutschen Stellen und der Bundesregierung nachgefragt worden war.

Aufzuklären bleibt hierzu:

  • Ob und welche Informationen BMI Schily in weiteren Gesprächen mit Botschafter Coats und anderen US-Stellen, etwa mit US-Minister Ashcroft und dem CIA-Chef, erhalten hatte und warum diese nicht verwertet und nicht weitergegeben wurden.
  • Nicht ausgeklärt ist, wer war die von El Masri als Deutscher identifizierte Person "Sam", die am Schluß der Vernehmungen im Kabuler Gefängnis anwesend war und EL Masri auf dem Rückflug nach Mazedonien begleitet hatte.
  • Aufzuklären ist ferner, welche Informationen zu EL Masri bayerische Polizei
  • (etwa die EG "Donau") und Verfassungsschutz an CIA gegeben und von der CIA erhalten hatten und zwar in der Zeit vor, während und nach der Entführung dieses deutschen Staatsbürgers. Aufzuklären ist schließlich, ob Presseberichte zutreffen, wonach Mitarbeiter der deutschen Botschaft Informationen über die Festnahme und Vernehmung des deutschen Staatsbürgers erhalten hatten.

4. Befragung Zammar im Geheimdienstgefängnis in Damaskus

Die Auffassung des PKG, dass eine Befragung im Ausland zu unterbleiben hat, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene im Aufenthaltsland in völkerrechtswidriger Weise behandelt, insbesondere gefoltert oder in sonstiger Weise in seiner körperlichen Integrität oder geistig-seelischen Identität beeinträchtigt wird, wird mit der Maßgabe geteilt, dass solche Anhaltspunkte sich auch aus allgemein- oder offenkundigen Gegebenheiten im Aufenthaltsland oder offenkundigen Gewohnheiten der Aufsichtspersonen ergeben können.

Die Auffassung der Mehrheit des Gremiums, dass diese Einschätzung durch die Angehörigen aller Nachrichtendienste uneingeschränkt geteilt wird, wird nicht geteilt.

Die Angelegenheit Zammar ist weitgehend aufgeklärt. Die beteiligten Dienste und der zuständige Bundesminster tragen die Verantwortung.

Entgegen der Auffassung der Bundesregierung und der Mehrheit des Gremiums gab es durchaus konkrete Hinweise auf Zammar in der Haft. Er hat angegeben, dass er nach seiner Verhaftung in Marokko und in Syrien geschlagen worden ist. Außerdem teilte der syrische Fallführer vom dortigen militärischen Geheimdienst mit, dass Zammar drei Tage lang auf die Befragung im Interesse einer konstruktiven Haltung vorbereitet wurde. Angesichts der offenkundigen Tatsache, dass in syrischen Gefängnissen gefoltert wird und gerade auch der syrische Geheimdienst bekannt ist für Folterpraktiken, hätten die Hinweise zumindest dazu führen müssen, dass die Befrager diesen Anhaltspunkten nachgehen, nachfragen und mit dem Befragten allein und ohne Aufsicht des "Vorbereiters" die Umstände und Gründe der Bereitschaft, Angaben zu machen, ergründen oder dies zumindest versuchen. Der Umstand, dass der Befragte keine Folterspuren aufwies und keine weiteren Angaben zu Misshandlungen gemacht hat, durfte nicht dazu führen, von einer freiwilligen Bereitschaft, Angaben zu machen auszugehen. Moderne Foltermethoden sind in der Regel schon Stunden oder Tage später nicht mehr ohne weiteres erkennbar. Die Befragung hätte angesichts der besonderen syrischen Gewalt- und Unterdrückungsverhältnisse gar nicht angesetzt oder doch nach solchen Hinweisen abgebrochen werden müssen. Konsequenzen aus dieser Fehlentscheidung müssen gezogen werden

5. Befragung von Kurnaz und Slahi in Guantanamo

Die Angelegenheit der Vernehmung von Kurnaz und Slahi ist weitgehend aufgeklärt. Die beteiligten Dienste und der zuständige Bundesminister tragen die Verantwortung. Die Auffassung der Mehrheit des Gremiums, mit dem geltenden Völkerrecht ist nicht zu vereinbaren, dass Gefangenen der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren genommen wird, wird geteilt. Hinzu kommt bei dem Gefangenen Kurnaz, dass nach Auffassung der Befrager und offenbar auch nach dem Eindruck der US-Vernehmer keine Anhaltspunkte und Beweis dafür vorlagen, diesen terroristischen Kreisen oder "ungesetzlichen Kämpfern" zuzurechnen. Danach ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, dass Kurnaz inzwischen mehr als 4 Jahre unter den verschärften Bedingungen in Guantanamo gefangen gehalten wird. Angesichts der bekannten und offenkundigen rechtsstaatswidrigen Inhaftierungen in Guantanamo hätte eine Kontaktaufnahme und Befragung zu den beiden Gefangen ausschließlich zu dem Zweck aufgenommen werden dürfen, die Freilassung zu fördern und die Haftbedingungen zu verbessern. Die Befragung ist aber nicht nur mit diesem Ziel und diesem Inhalt erfolgt. Sie hätte so nicht stattfinden dürfen. Auch hieraus müssen Konsequenzen gezogen werden.

6. Konsequenzen und Ausblick

Der Auffassung der Mehrheit des Gremiums, dass keine weiteren Konsequenzen zu ziehen sind wird nicht gefolgt. Schon jetzt sind Konsequenzen des Parlaments sind in drei Bereichen ins Auge zu fassen:

1) Die Überprüfung von verdächtigen Flugbewegungen über deutschem Territorium und von Flugzeugen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie zu rechtsstaatswidrigen Transporten genutzt werden, muß ermöglicht werden. 2) Für Befragungen im Ausland müssen verbindliche Richtlinien erlassen werden, die rechtsstaatswidrige Praktiken und das "Ernten der Früchte von Folter" ausschließt. 3) Das PKGrGesetz muß nach den Erfahrungen der Aufklärungsbemühungen der letzten Monate novelliert werden hin zu mehr Transparenz und besserer Arbeitsfähigkeit des Gremiums.

Zum Abschluss der Aufklärungsarbeit sind weitere Konsequenzen zu ziehen.