Wahlkampf 2013

Erklärung zur Abstimmung über das Gesundheitsreformgesetz

26.09.2003: Erklärung nach § 31 GO von Hans-Christian Ströbele, Jutta Dümpe-Krüger, Winfried Hermann zur Abstimmung am 26.9.2003 über das Gesundheitsreformgesetz

Hans-Christian Ströbele, Jutta Dümpe-Krüger, Winfried Hermann

Erklärung nach § 31 GO

Zur Abstimmung am 26.9.2003 über das Gesundheitsreformgesetz

Ich stimme aus folgenden Gründen dem Gesetzentwurf zu:

Der Entwurf reformiert die Strukturen des Gesundheitswesens nicht so nachhaltig und zukunftsweisend, wie es erforderlich wäre, sondern ist überwiegend auf Einspareffekte ausgerichtet.

Einsparungen sind wegen der Situation in der gesetzlichen Krankenversicherung zwar leider unumgänglich, sie sind aber nicht sozial ausgewogen genug. Die Versicherten werden einseitig etwa bei Zahnersatz und Zuzahlungen mit bis zu 17 Milliarden Euro belastet, Leistungserbringer wie Ärzte, Apotheken und Pharmaindustrie dagegen nur mit 3,5 Milliarden. Die vielbeschworene Senkung der Lohnnebenkosten verbinden viele zwar mit Hoffnungen auf Beschäftigungseffekte, sie erfolgt jedoch einseitig zugunsten der Arbeitgeber durch Verschiebung der Belastungen auf die gesetzlich versicherten Arbeitnehmer. Die aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat notwendige Kompromissbildung hat diese Einseitigkeit noch verstärkt. Auf diese Weise sind weiterhin zukunftsweisende Elemente der Gesundheitsreform verhindert worden wie z.B. die Positivliste, von der Union ganz deutlich durchgesetzt im Interesse der großen Pharmaindustrie. Auch dass die Zuzahlungen der Kassen nicht nach der Therapieeignung von Medikamenten geregelt werden, sondern Verschreibungspflichtigkeit zum Kriterium gemacht wird, weist in die gleiche Richtung. Naturheilkundliche Medizin und Homöopathie werden wieder an den Rand gedrängt. Dass auf diese Weise viele Kranke zur Einnahme von Medikamenten auf chemischer Basis statt naturheilkundlicher Medikamente genötigt werden, kann bestenfalls kurzfristig zu Einsparungen führen, längerfristig werden die Kosten des Gesundheitssystems dadurch steigen.

Deshalb ist eine Weiterführung über den jetzigen Entwurf hinaus notwendig. Soziale Ausgewogenheit zu schaffen bleibt Aufgabe. Zur Finanzierung des Gesundheitssystems brauchen wir eine Bürgerversicherung, die alle Einkunftsarten, auch Kapitaleinkünfte, einbezieht.

Trotzdem ist der Einstieg in eine Reform kurzfristig unumgänglich. Die finanzielle Situation im Gesundheitssystem läßt hier keinen Spielraum.

Wir stimmen trotz dieser Bedenken zu, weil wir die Gesundheitsreform als Teil des Reformpaktes Agenda 2010 sehen. In zahlreichen Gesprächen in den letzten Tagen haben wir den Eindruck gewonnen, dass sich in für uns wichtigen Fragen der sozialen Gerechtigkeit bei der Umsetzung der sogenannten Hartzreformen positiv etwas bewegen wird. Mit einer "Nein"-Stimme können wir die Verabschiedung dieser Gesundheitsreform ohnehin nicht verhindern. Entscheidend wird es auf unser Stimmverhalten über "Hartz III und IV" im Oktober ankommen. Dieses werden wir danach richten, inwieweit unsere Forderungen auf soziale Korrekturen im Sinne der Kritikpunkte der Grünen Fraktion, beschlossen auf der Klausur in Miesbach im September 2003, in wesentlichen Punkten erfüllt werden.