Wahlkampf 2013

Interview zur "Flaggen-Diskussion" auf Deutschlandfunk

04.12.2008: Anlässlich der Ausstellung "Flagge zeigen? Die Deutschen und ihre Nationalsymbole" führte Christian Ströbele ein Gespräch mit Jochen Spengler über seine Einstellung zu Deutschlandfahnen, die Nationalhymne und den Vorschlag, deutsch ins Grundgesetz festzuschreiben.

  
 

"Die einzige Fahne, die er immer wieder mal hisst...

Ströbele: "Die große Liebe zur Nation kann ich bei mir nicht entdecken"

Grünen-Politiker zur Ausstellung über die Deutschen und ihre Nationalsymbole

Dem Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele verursacht die Betonung nationaler Symbole ein "unwohles Gefühl in der Magengegend". Das gehe ihm nicht nur in Deutschland so, auch in den USA oder Frankreich entwickele er ähnliche Gefühle. Ihm liege daran, das im Ausland existierende Bild der sympathischen und friedliebenden Deutschen noch mehr zu pflegen. Die deutschen Militäreinsätze sehe er aus diesem Grund kritisch, betonte Ströbele.

Spengler:
"Normalerweise sind Völker stolz auf ihre Symbole, auf Nationalhymne oder Flagge - normalerweise. Doch die deutsche Geschichte mit millionenfachem Mord während der Nazi-Herrschaft ist eben nicht normal. In den 60er, 70er und 80er Jahren waren patriotische Bekundungen nicht nur bei den westdeutschen Linken, sondern bei einem Großteil der deutschen Öffentlichkeit verpönt. Bundespräsident Gustav Heinemann antwortete auf die Frage, ob er Deutschland liebe, "ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau". Eine erste patriotische Welle durchflutete Deutschland dann 1989 beim Fall der Mauer.

Endgültigen Durchbruch brachte die Fußballweltmeisterschaft vor zwei Jahren. Das schwarz-rot-goldene Fahnenmeer in Städten und Stadien war unübersehbar. Deutschland findet zu einem gesunden Nationalbewusstsein, hieß es im In- und Ausland.

Man darf also wieder Flagge zeigen. So heißt auch eine Ausstellung, die heute vom Bundespräsidenten in Bonn eröffnet wird: "Die Deutschen und ihre Nationalsymbole".

Heutzutage findet man wie gesagt anders als in den 60er und 70er Jahren nur wenige Mitbürger, die Probleme mit den Nationalsymbolen haben. Ein Exemplar dieser seltenen Spezies ist jetzt in Berlin im Deutschlandfunk-Studio: Hans-Christian Ströbele, der Bundestagsabgeordnete der Grünen. Guten Tag, Herr Ströbele."

Ströbele: "Ja, guten Tag."

Spengler: "Flagge zeigen. Besitzen Sie überhaupt eine, einen Wimpel oder irgendetwas anderes schwarz-rot-goldenes?"

Ströbele: "Nein, eigentlich nicht, aber ich habe mir bei der letzten Fußballeuropameisterschaft in Kreuzberg ein Fähnchen geben lassen, auf dem auf der einen Seite die türkische Flagge ist und auf der anderen Seite die deutschen Farben. Das ist ganz nett."

Spengler: "Warum keine ganz deutsche Fahne? Warum zeigen Sie keine Flagge?"

Ströbele: "Natürlich sehe ich das. Am Deutschen Bundestag, am Reichstagsgebäude wehen jeden Tag immer neu die Flaggen und da kann man auch sehen, ob nun Volkstrauertag ist oder so etwas, aber da habe ich eigentlich auch nichts dagegen. Aber als das während der Fußballweltmeisterschaft überall und in Massen, an Autos, in Gärten und an Balkonen und überall zu sehen war, habe ich mich doch etwas unwohl gefühlt."

Spengler: "Warum?"

Ströbele: "Das nationale Raushängen passte nicht. Da hatte ich ein unwohles Gefühl in der Magengegend."

Spengler: "Können Sie das genauer beschreiben? Warum unwohl?"

Ströbele: "Weil das doch ein bisschen erinnert an nationale Überbetonung, an nationalistische Tendenzen. Ich mag das übrigens auch nicht, wenn ich das in anderen Ländern sehe, beispielsweise in den USA, in denen ja in vielen Vorgärten solche Fahnen zu sehen sind, aber natürlich US-Fahnen."

Spengler: "Das stört Sie dann also auch, wenn ich sage jetzt mal andere als die Amerikaner, die Briten oder die Franzosen ihre Fahne schwenken?"

Ströbele: "Ja. Da fehlt mir so ein bisschen das Verständnis. Auch wenn die Briten "God save the Queen" im Kino singen oder bei allen möglichen Gelegenheiten und dann aufstehen, das kann ich nicht richtig mitfühlen."

Spengler: "Sind Sie ein heimatloser Geselle, Herr Ströbele?"

Ströbele: "Nein, das bin ich überhaupt nicht. Aber so die große Liebe zur Nation, die kann ich bei mir eigentlich nicht entdecken."

Spengler: "Braucht der Mensch nicht das Gefühl, zu einer größeren Gemeinschaft, einem Volk, vielleicht einer Nation zu gehören und die dann auch möglichst viele positive Eigenschaften haben sollte?"

Ströbele: "Ja, natürlich. Das wünschen wir uns. Und natürlich freue ich mich, wenn ich von Reisen, längeren Reisen nach Deutschland zurückkomme oder auch länger mal weg bin und dann an Berlin, an Deutschland, an Heimat, Berge, Seen denke. Dann wäre ich gerne da und da verbinde ich natürlich auch Emotionen, erhebliche Emotionen mit. Aber das ist jetzt nicht auf ein Staatengebilde konzentriert, sondern das ist eben auf Landschaften, Städte, Menschen vor allen Dingen konzentriert und das muss, glaube ich, auch nicht so was Abstraktes wie ein Staat sein, zumal ich natürlich wie die meisten weiß, dass Staaten ja auch häufig sehr künstliche Gebilde sind."

Spengler: "Dass Sie da so vorsichtig sind, das liegt natürlich - so vermute ich jedenfalls - an den Nazi-Jahren. In den 60er Jahren lagen diese Jahre der Nazis ja noch nicht so lange zurück. Da war das wohl klar, dass man an die Zeit des irrational gesteigerten Nationalismus nicht erinnert werden wollte, beziehungsweise da war die Vorsicht verständlich. Aber gilt das heute noch? Haben wir uns nicht geändert?"

Ströbele: "Ja, natürlich. Ich sehe, dass die gerade jungen Leute - das hat man bei der Fußballweltmeisterschaft oder bei der Europameisterschaft gesehen - mit Flaggen, Fahnen, Farben, also den Deutschlandfarben, ganz anders umgehen als ich zum Beispiel und viele Ältere."

Spengler: "Aber Sie beneiden sie nicht darum?"

Ströbele: "Viel unkomplizierter. Und natürlich sehe ich auch den Bruch. Wenn die sich das in die Haare schmieren oder ins Gesicht, dann sehe ich das durchaus und denke na ja, dann kann es ja so schlimm nicht sein. Aber es ist nicht meine Sache. Die deutschen Farben erkenne ich natürlich überall wieder, auch wenn sie manchmal in der Mode oder sonst wo auftauchen, aber als Flagge, als Fahne würde ich mich damit nicht schmücken wollen. Ich würde sie nicht vor meinem Haus hissen wollen und ich mache sie mir auch nicht an mein Fahrrad."

Spengler: "Dieses negative böse Bild, das die Deutschen lange hatten, das gibt es ja kaum noch. Jedenfalls viele Umfragen im Ausland belegen, dass Deutschland ausgesprochen gut und sympathisch und friedfertig abschneidet. Macht Sie das eigentlich ein bisschen stolz?"

Ströbele: "Ja. Ich möchte das auch viel mehr pflegen. Wenn immer wieder gesagt wird, gerade hier so in Debatten im Deutschen Bundestag, wir können uns doch Militäreinsätzen, auch Kriegseinsätzen im Ausland nicht verweigern, wir sind in der NATO, wir sind in der Völkergemeinschaft, wir sind in der Atlantischen Union und ähnlichen Dingen, dann sage ich immer, das war eigentlich so, wie ich mir es gewünscht habe, dass Deutschland eine Sonderrolle gespielt hat, aber eine besonders friedliche, dass gesagt wird, mit denen kann man keine Militäreinsätze und mit denen kann man keinen Krieg führen. Das ehrt doch ein Volk, wenn das einen solchen Ruf hat."

Spengler: "Und wir haben diese Ehre und dieses Vertrauen verdient?"

Ströbele: "Nur zum Teil natürlich. Aus dem Ausland sieht das dann anders aus, als es in Wahrheit in Deutschland ist. Natürlich ist es nicht so verankert, wie das viele denken. Ich erinnere mich aber noch an die Zeit - das war die Regierung Kohl -, wo wahrscheinlich die Bundesregierung ganz gerne mal - auch beim ersten Golf-Krieg oder so - sich beteiligt hätte, sich da nicht rausgeschlichen hätte, aber wo auch Helmut Kohl den ausländischen Staatsmännern klar machen konnte, in Deutschland kommt das nicht so gut an, ich habe meine Probleme und ich würde das wahrscheinlich politisch in meinem Land nicht durchsetzen können, uns jetzt mit Militär daran zu beteiligen. Er hat dann so eine Scheckbuch-Diplomatie betrieben. Das kann man auch kritisieren, aber das hat eigentlich gezeigt, dass da in Deutschland auch was da ist, was ich positiv sehe."

Spengler: "Herr Ströbele, die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch. Diesen Satz sähe die Union gerne im Grundgesetz in Artikel 22. Sie auch?"

Ströbele: "Nein! Das wäre eine schriftliche Lüge, weil die Bundesrepublik spricht ja nicht. Zu mir hat sie noch nie gesprochen, weder in Deutsch, noch in Türkisch, noch in Englisch, sondern wenn, dann sprechen da Menschen. Und wenn Sie das jetzt dann umformulieren und sagen, in der Bundesrepublik wird Deutsch gesprochen, dann wäre das ja auch nicht wahr, sondern da wird vieles gesprochen, werden viele Sprachen in Deutschland gesprochen, und das ist auch gut so."

Spengler: "Es geht aber doch mehr um die Symbolik und die Franzosen haben ihre Sprache sogar in Artikel 2 ihrer Verfassung verankert."

Ströbele: "In der jetzigen Situation würde ich das auch aus politischen Gründen nicht für richtig halten, weil das auch was Ausschließendes zum Inhalt hat. Ich kann keine andere Sprache richtig sprechen und verstehen. Das heißt, ich spreche Deutsch und eigentlich nur Deutsch, mit ganz wenigen kleinen Ausnahmen. Trotzdem wäre ich dagegen, dass das so ins Grundgesetz rein kommt, weil das in der Diskussion, die wir in Deutschland haben - - Ich habe da ja mal auch die These gewagt, dass man auch die deutsche Nationalhymne auch auf Türkisch singen kann, wer das unbedingt will, und es gibt ja sogar den Text, rausgegeben vom Deutschen Bundestag, mit Melodie. Das will ich auch in Zukunft nicht haben, sondern ich möchte so etwas auch in Zukunft pflegen und ich fände das ein falsches Signal, wenn man in der jetzigen Situation das ins Grundgesetz reinschreibt - ganz abgesehen von formalen Bedenken, dass man sagt, es muss nicht alles ins Grundgesetz aufgenommen werden, auch der Sport beispielsweise nicht."

Spengler: "Hans-Christian Ströbele, Abgeordneter der Grünen. Danke für das Gespräch, das wir vor unserer Sendung aufgezeichnet haben."


Zum Interview auf DLF

Die Reaktion der CDU/CSU sowie eine Online-Abstimmung zu seinen Äußerungen bei der Berliner Morgenpost


Nach den zahlreichen Presseberichten erreichten Christian Ströbele hunderte Briefe und Mails. Er ist gerade damit beschäftigt, alle zu lesen und wird hier in Kürze eine ausführliche Stellungnahme abgeben.

An dieser Stelle folgen nun einige Meinungen und Auszüge aus Mails:

"Ich weiß, dass es in Deutschland die Meinungsfreiheit gibt, und deswegen dürfen Sie auch sagen, was ihnen Recht ist. Aber auf der anderen Seite zeigt ihre Meinung doch mal wieder ganz gut, dass Sie und ihre Partei leider nicht wählbar sind. Sie als Vertreter des deutschen Volkes (der deutschen Bürger, wenn ihnen das andere zu hart klingt) sollten auch zu den Symbolen, den Bräuchen und den Riten stehen. Ob Sie es wollen oder nicht, dass macht Deutschland aus. Und es ist auch nichts verbotenes als Gruppe seine Erkennungszeichen zu haben, es wird auch wahrlich niemand von der Fahne unterdrückt. Was mir im übrigens auch aufgefallen ist, während der WM: Die Deutschen haben sich vor allem über die Tore der Jogi 11 gefreut, auch befremdlich, und haben zu dem größten Teil heiser aus ihren Kehlen deutsche Sprüche gesprochen, auch befremdlich, dazu tranken Sie, leider oft im Übermaß deutsches Bier, fuhren in den meist deutschen Autos nach Hause (die die nicht getrunken hatten). Naja irgendwie ne ganze Menge DEUTSCH. Und ich finde es gut, sich als Deutscher auszugeben, und mit Brasilianern Polen, Türken,...egal wem, zusammen zu feiern und zu lachen, und sich trotzdem als Deutscher zu zeigen. Die Ausländer lachen uns übrigens wegen Nationalstolzängsten wie den Ihrigen geradezu aus. Naja, aber als 68er haben sie da vielleicht eine etwas vernebeltere Ansicht."


"Ich war schon immer ein Anhänger von Ihnen, weil Sie offen und ehrlich ihre Meinung all den korrupten Besserwissern darlegen, sich in Untersuchungsausschüssen die Wahrheit suchen und offen legen. Hut ab. Aber was Sie jetzt über die Fahne gesagt haben, erschreckt mich total. Ich schäme mich für Sie, eines Repräsentanten des Deutschen Volkes im Bundestag. Meine Heimat Deutschland liebe ich sehr, ihre Fahne, ihre Hymne und alles was an symbolischen Werten zusammenhängend damit ausmacht. Vielleicht müssen wir bald als Nächstes ihrer Ansicht nach das Wort Deutschland streichen, und Bundesrepublik oder Germany sagen, - weil es Sie, Ihre Generation an die Nazis erinnert. Ich habe mit dieser dunklen Vergangenheit nichts zu tun, und möchte meine Heimatfahne ehren, sie zeigen und mit ihr feiern, wie alle Menschen in ihren Ländern mit stolz tun - da ich Deutschland liebe. Es ist ungerecht, der neuen Generation das verbieten zu wollen, was ihre Generation verbockt hat. Aber einmal muss Schluss sein... Seien Sie stolz auf schwarz rot gold, - sie hat nichts, aber auch gar nichts mit den verdammten Nazis zu tun. Zeigen wir, das wir unter dieser Fahne menschenfreundlich und tolerant mit allen Ländern dieser Welt friedlich zusammen leben können. Sie sollten sich entschuldigen, sonst haben Sie sich disqualifiziert - es war unüberlegt."


"Ihr Unwohlsein angesichts der Fahnenmeere bei der Fussball Weltmeisterschaft in Deutschland kann ich gut nachvollziehen und unterstütze Ihre Äusserungen, die Sie gestern im Deutschlandfunk macht haben absolut! Vielen Dank. Die Reden von einem neuen, "entspannten" Verhältnis zum Patriotismus finde ich naiv, denn sie ermutigen meiner Meinung (und Beobachtung in Thüringen) nach leider genügend Leute zum Flaggezeigen, die offenbar nur zu lange darauf gewartet haben, endlich ihren Nationalismus ausleben zu können."


"Mir ging es damals genauso, und ich war froh, ab dem Halbfinale im Ausland zu sein. Auch ich hatte den Eindruck, dass ein nicht unerhebliches Mass an nationalistischen Tendenzen zum Ausdruck gebracht wurden. Auf Verständnis bin ich in meinem deutschen Bekanntenkreis nicht gestossen; interessanterweise haben mich meine ausländischen Freunde eher verstanden.

Die Anfeindungen, denen Sie sich jetzt ausgesetzt sehen, sind meines Erachtens ein gutes Zeichen dafür, dass in Deutschland immer noch kein souveräner und vernünftiger Zugang zu Nationalempfinden gefunden ist, der den Lehren gerade der deutschen Geschichte gerecht wird. Die lautstarken Tiraden vieler Ihrer Kollegen halte ich für sehr bedenklich. Für umso wichtiger halte ich Ihre Äußerung und bin froh darum, mit meinem Empfinden nicht alleine zu stehen."


"Ich möchte Ihnen zustimmen bei Ihrer kritischen Beurteilung des massiven Fahnenschwenkens und Ihnen Mut zusprechen, was die Anfeindungen aus den rechten Parteien angeht.

Wenn die Zurschaustellung nationalen Hochgefühls noch begrenzt bleibt auf das Stadion und das direkte Umfeld, ist eigentlich nicht viel dagegen zu sagen (letztlich ist das immer schon eine Begleiterscheinung von Fussballweltmeisterschaften gewesen, und zeitlich und örtlich sehr begrenzt). Aber so war's einfach auch nicht. Für die meisten war die WM 2006 eine willkommene Gelegenheit, endlich wieder "wie eine normale Nation" die Hymne zu singen und die Fahne zu schwenken oder aus dem Fenster zu hängen. Auf einmal gab's sogar schwarz-rot-goldene Backwaren; die Fahnen verschwanden auch nicht mit dem Ende der WM, sondern wollten sich langfristig etablieren. Und in der Tat scheint der "Fahnenkomplex" jetzt überwunden; wir dürfen jetzt wieder.

Ich glaube jetzt nicht, dass das alles Faschisten sind, die so etwas machen, aber ein komisches Gefühl habe ich auch dabei: letztlich wird die nationale Frage wiederbelebt, Identifikation mit der eigenen Nation und Differenzierung gegenüber anderen haben wieder Konjunktur, ein neues Identitätsgefühl soll entstehen, und - natürlich - endlich ein Schlussstrich unter unsere belastete Geschichte gezogen werden. Wenn man dann noch die Uminterpretation der deutschen Geschichte durch neuere Kino- und Fernsehfilme berücksichtigt, die sich nämlich bemühen, dem kleinen Mann in Deutschland zur Nazizeit eher eine Opfer- als eine Täterrolle zuzugestehen, ist die Sache gar nicht mehr so unproblematisch.

Ich denke, dass die angebrachte Skepsis aus den 70er und 80er Jahren gegenüber übertriebenem Nationalenthusiasmus nicht mehr modern ist, genauso wie auch Frieden nicht mehr in ist. Ihnen indes möchte ich herzlich danken, einen unmodernen Standpunkt zu vertreten, der Ihnen viel Kritik einbringt, sich aber mit meinem deckt. Den Vorwurf der Senilität fand ich schockierend, unangemessen und einfach voll daneben; vielmehr kann man Ihnen - im Gegensatz zu anderen - nicht gerade vorwerfen, dass Sie bzgl. der deutschen Geschichte ein schlechtes Gedächtnis hätten."


"Als ich heute Morgen um 7.00 Uhr in den Stuttgarter Nachrichten über Ihre Probleme mit den Farben des Bundes las, habe ich spontan die schwarz-rote Fahne meiner württembergischen Heimatregion eingeholt und die Farben der deutschen Demokratie, die Farben des Hambacher Festes, der 1848er-Revolution, der Weimarer Reichsverfassung, des Grundgesetzes und der Widervereinigung gehisst. Freilich,auch mir mutete es im Sommer 2006 etwas seltsam an, dass unser Volk sich ausgerechnet anlässlich eines Sportfestes verstärkt zur Bundesflagge bekannte. Ich selber hisse Schwarz-Rot-Gold bevorzugt zu wichtigen aktuellen oder historischen Anlässen oder Gedenktagen: Erlass des Grundgesetzes, Fall der Mauer, Wiedervereinigung usw.. Derlei Anlässe gibt es ja viele. Nicht alles in unserer Geschichte war schließlich schlecht. Warum sollte unserem Volk verwehrt sein, was anderen Völkern billig ist. Seit dem (1.) Krieg gegen Dänemark um Schleswig 1848/1849 wurde meines Wissens auch kein echter Krieg mehr unter diesen Farben geführt. Mag Ihnen dabei auch unwohl sein. Ich bekenne mich zu unserer Fahne als Symbol unserer parlamentarischen Demokratie, auf die ich stolz bin. Ihnen, als Abgeordneter eines frei gewählten deutschen Parlaments, stünde ein solches eindeutiges Bekenntnis ebenfalls gut zu Gesicht."


"Mit großem Interesse habe ich eben Ihr Interview gelesen, welches Sie dem DLF gaben - angestoßen haben das die Berichte in den Medien vom Samstag, in denen Ihnen so allerlei vorgeworfen wurde, u.a. gewisse Altersleiden. Lassen Sie es mich so sagen - wenn so das Alter aussieht, bin ich geren auf dem Weg, Alt zu werden, älter zu werden. Im Zeitalter der "nationalen Besoffenheit" - und das war m.E. in jüngster Vergangenheit die Zeit der WM, ein wenig nur abgeschwächte die EM - beschlichen mit durchaus Gefühle, die den Ihren sehr ähnlich waren. Es graust wenn zu nächtlicher Stunden heimkehrende vom öffentlichen TV gucken durch die Straßen ziehen, "Deutschland" skandierend. Wäre das allerdings in Island, in manch anderem Stadt gewesen - diese Flaggenwälder, es wäre anders gewesen. Nicht jeder Staat hat unsere Vergangenheit - und das mit gesengtem Haupte geschrieben. Brecht bedenkend - der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch... als Hochachtung für Ihre unpopuläre Aussagen."

Für die Inhalte dieser Mails sind nur die AutorInnen selbst verantwortlich. Dies soll ein Beitrag zur öffentlichen Auseinandersetzung sein.