Wahlkampf 2013

Ströbele will Verfassungsschutz weiterhin abschaffen

18.10.2001: Artikel in der "Welt" zur Forderung Ströbeles, die Geheimdienste abzuschaffen

Ströbele will Verfassungsschutz weiterhin abschaffen

Dies forderten 1996 schon Kerstin Müller und Joschka Fischer

Von Guido Heinen, die Welt

Berlin - Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hat gestern eine fast vergessen geglaubte grüne Tradition öffentlich wieder aufgegriffen. Im Hessischen Rundfunk forderte er die Abschaffung des Verfassungsschutzes. Zwar sei dies derzeit leider nicht zu diskutieren, weil es dafür keine Mehrheit gebe. "Aber meine Meinung ist das nach wie vor", sagte Ströbele.

Mit Ströbeles Äußerung taucht eine urgrüne Haltung gegenüber den deutschen Geheimdiensten wieder auf, die noch vor wenigen Jahren in der Mitte der Partei verwurzelt war. So forderte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im April 1996 in einem Antrag im Parlament die vollständige "dauerhafte Auflösung des Bundesnachrichtendienstes" (BND) bis zum Jahresende 1998. Demnach sollten alle Mitarbeiter nach einem sofortigen Einstellungsstopp entlassen und einige wenige Restaufgaben anderen Behörden, insbesondere dem Auswärtigen Amt, übertragen werden. Abgesehen von den für diese Aufgaben notwendigen Papieren sollten alle BND-Unterlagen im Bundesarchiv gesammelt und veröffentlicht werden.

Die Grünen-Fraktion forderte damals, als eine erste konkrete Maßnahme sollte dem BND die Brief- und Paketkontrolle sowie die funkelektronische Aufklärung untersagt werden. Zudem sollte der BND "auf geworbene beziehungsweise bezahlte Agenten" verzichten, stattdessen lediglich "legale bloße Gesprächsaufklärung" erfolgen. Die mehr als 100 Legalresidenturen des BND sollten aufgelöst werden. Die Auflösung sollte "bis zum 31. Dezember 1998" erfolgen.

Federführend als Fraktionsvorsitzende fungierten damals Kerstin Müller und Joschka Fischer, heute Bundesaußenminister. Jürgen Trittin, heute Bundesumweltminister, war zu dieser Zeit Vorstandssprecher der Grünen. Hätte sich die Fraktion unter Fischer und Müller, die nach wie vor Fraktionsvorsitzende ist, damals durchgesetzt, hätte Außenminister Fischer heute wohl ein praktisches Problem. Nicht nur, dass er dem BND- neben anderen Geheimbehörden - beinahe täglich in der Arbeit des Krisenstabs seines Ministeriums begegnet. Noch letzte Woche bezog sich Fischer in seiner Rede vor dem Bundestag zu den Terroranschlägen ausdrücklich auf den Bundesnachrichtendienst: die "Erkenntnisse" der deutschen Dienste würden das Ausmaß der "internationalen totalitären Herausforderung" durch islamistische Gewalttäter belegen. Einen Tag später beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages das drei Milliarden schwere Sicherheitspaket. Daraus erhält der BND 50 Millionen Mark.

Aktuell verlangt die grüne Fraktion eine "Strukturkommission zur Reform der Geheimdienste" und eine "Verbesserung der Kontrolle". Hinter diesen Vorschlägen steht der Geist des offiziellen grünen Wahlprogramms aus dem Jahr 1998, auf das Ströbele sich heute berufen kann. Auch darin wird gefordert: "Die Geheimdienste sind schrittweise aufzulösen."