Deutschlandlied auf türkisch
05.05.2006: Zur Debatte um eine türkische Version des Deutschlandliedes nimmt Hans-Christian Ströbele Stellung.
Die Diskussion über die Übersetzung der dritten Strophe des Deutschlandliedes hat inzwischen groteske und sogar beängstigende Züge angenommen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe nie gefordert, den deutschen Text der Nationalhymne durch einen türkischen zu ersetzen oder eine türkische offizielle Version in Deutschland einzuführen. Ich will auch niemanden dazu zwingen oder veranlassen, die Hymne nur noch oder einmal in türkischer Sprache zu singen. Ich habe nur nichts dagegen, dass die Nationalhymne ins Türkische übersetzt wird und von denen, die dies gern tun, auch in türkischer Sprache gesungen werden kann. Ich finde das nach wie vor ganz OK.
Die Idee stammt keineswegs von mir. Eine Berliner Boulevardzeitung hatte mich am zweiten Mai - nicht am ersten April - angerufen und gefragt, was ich davon halte, dass die Einwanderer aus Lateinamerika in den USA die US-Nationalhymne auf Spanisch statt auf Englisch singen. Ich finde das als politisches Signal und überhaupt ganz in Ordnung und habe die Frage entsprechend beantwortet. Dann kam die Nachfrage, ob angesichts der vielen Menschen aus der Türkei, die in Deutschland leben, die deutsche Nationalhymne ins Türkische übersetzt und auch in türkischer Sprache gesungen werden könne. Meine Antwort war, dagegen hätte ich nichts, auch das sei OK. Damit könne ein Signal gesetzt werden, dass wir die Sprache des Herkunftslandes der Migranten schätzen und achten. Zwar sollten auch nach meiner Ansicht Eingewanderte in Deutschland Deutsch lernen und sprechen können, das bedeute aber keineswegs, dass sie ihre Herkunftssprache aufgeben und nicht pflegen sollten. Die Übersetzung der Nationalhymne in die türkische Sprache könnte ein Zeichen sein für die Akzeptanz der Zweisprachigkeit und für Integration, gerade weil die Hymne auch einmal auf türkisch gesungen wird.
Was in der Berichterstattung aus diesen wenigen Sätzen einer kurzen Telefonanfrage geworden ist, war in den Medien zu lesen und zu hören.
Inzwischen liegen mehr als ein halbes Dutzend unterschiedliche Übersetzungen der deutschen Hymne in die türkische und in andere Sprachen und mehrere gesungene Varianten vor. Zahlreiche Migranten in meinem Wahlkreis haben mich auf die Diskussion, die auch Eingang in die türkischen Medien gefunden hat, angesprochen und festgestellt, sie hätten so zum ersten Mal Text und Inhalt der deutschen Nationalhymne kennen gelernt. So geht es wohl Millionen von Migranten in Deutschland. Das ist auch ein Ergebnis der heftigen Diskussionen.
Nachträglich habe ich erfahren, dass es bereits seit dem Jahr 2000 ein Taschenbuch des Referats Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz in deutscher und türkischer Sprache gibt. Und auf der Umschlagseite findet sich die dritte Strophe des Deutschlandliedes mit Noten in deutscher Sprache - und mit einer Übersetzung in die türkische Sprache. War das auch "absolut durchgeknallt" oder eine "unerträgliche Provokation", wie aus der CSU jetzt meine Äußerung kommentiert wurde?
Die Bildzeitung meinte gar, damit wolle ich dem Volk seine Hymne nehmen, eine Form des Sterbens Deutschlands, das sei so, als wenn man verschwinde - im Dämmerlicht der Geschichte.
In Hunderten von Zuschriften wird übel polemisiert, geschimpft und gedroht. "Vollidiot", "ins Hirn geschissen", "hau ab in die Türkei" und "Landesverrat" sind noch die harmloseren Äußerungen.
Aber ich frage mich, warum diese Aufregung? Was kann daran Sünde sein, wenn "Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland" auch mal in türkischer Sprache gesungen wird?
Anbei eine türkische Version des Liedes der Deutschen, die vom WDR aufgenommen wurde:
Vatanımız Almanya için
Birlik, Adalet, Özgürlük
Bu yolda hep ileri
Kardesçe elele , kalp kalbe
Birlik, adalet, özgürlük
Saadetin güvencesidir
Serpil saadetin parıltısıyla
Serpil Anavatan Almanya
Serpil saadetin parıltısıyla
Serpil Anavatan Almanya