Wahlkampf 2013

"Unter ihren Augen wird der Opiumhandel florieren"

23.10.2003: Interview der Berliner Zeitung mit Hans-Christian Ströbele zur Erweiterung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr

"Unter ihren Augen wird der Opiumhandel florieren" Grünen-Politiker Ströbele über die Bundeswehr in Kundus

Hans-Christian Ströbele gehörte von Anfang an zu den Gegnern des Afghanistan-Krieges. Vor Wochen wehrte sich der Grünen-Abgeordnete vehement gegen eine Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes. Grund: Es könne der Bundeswehr so ergehen wie der US-Armee einst in Vietnam.

Der Bundestag entscheidet am Freitag, den 24.10.2003 über einen Bundeswehr-Einsatz im nordafghanischen Kundus. Ab November sollen dort 230 Soldaten die Wiederaufbauteams schützen.

Herr Ströbele, wie stehen Sie zu dem geplanten Bundeswehr-Einsatz in Kundus?

"Meine schweren Bedenken sind nicht behoben. Ich sehe nicht, dass Soldaten der Bundeswehr die Macht der Warlords zurückdrängen oder den ständig expandierenden Drogenanbau und Drogenhandel auch nur eindämmen könnten. Sie werden auch nicht mehr Sicherheit für deutsche Entwicklungshilfe bringen, eher das Gegenteil. Anders als geplant wird die Sicherheitslage in großen Teilen Afghanistans in letzter Zeit dramatisch schlechter. Ein realistisches Konzept muss her, wie es weitergehen soll. Mehr Militäreinsätze sind ein Irrweg."

Und der Einsatz kostet viel Geld.

"Ja, für Soldaten gibt es offenbar leichter Geld als für zivilen Aufbau. Nur der wäre aber eine Alternative zu Krieg und Soldaten. Das Geld für den geplanten Militäreinsatz sollten wir für Brücken, Straßen und Schulen geben, für eine Zukunft ohne Militär, die aller Mühen wert ist."

Inwiefern wäre der Einsatz für die deutschen Soldaten gefährlich?

"Ich fürchte, dass viele in Afghanistan keinen Unterschied machen zwischen den deutschen Soldaten, die Krieg geführt haben, und jenen, die jetzt im Rahmen des Isaf-Mandates geschickt werden."

Könnten die deutschen Soldaten auch und gerade von den afghanischen Drogenbanden als Feinde betrachtet werden?

"Die deutschen Soldaten sollen gar nicht gegen Drogengeschäfte einschreiten. Unter ihren Augen wird der Opiumanbau und -handel weiter florieren und expandieren."

Ist das auf Dauer haltbar?

"Die Bundeswehr wird in Kundus keinen anderen Auftrag haben. Ich rate auch ab. Die Machtverhältnisse in der Region sind so. Unsere Helfer aus dem Krieg, die Warlords, haben riesige Armeen. Sie halten still, weil sie am Drogengeschäft gut mitverdienen. Wenn wir dabei stören, wird die Bereitschaft, deutsche Soldaten dort zu dulden und in Frieden zu lassen, sehr schnell auf null sinken."

Werden Sie am Freitag im Bundestag gegen den Einsatz stimmen?

"Wie ich mich entscheide, sage ich am Tag der Abstimmung."

Das Gespräch führte Andreas Lesch.