Wahlkampf 2013

"Schäuble ungeeignet für Amt des Bundespräsidenten"

26.02.2004: Interview des Deutschlandfunks mit Hans-Christian Ströbele

Deutschlandfunk: Am Telefon begrüße ich den Bundestagsabgeordneten der Grünen, Christian Ströbele. Guten Tag, Herr Ströbele.

Ströbele: Ja, guten Tag.

Deutschlandfunk: Herr Ströbele, wieso ist das eigentlich überhaupt so wichtig, wer denn nun diese 100.000 Mark Spende, die ja nicht bestritten wird, entgegengenommen hat?

Ströbele: Da haben wir uns im Untersuchungsausschuss auch lange Gedanken darüber gemacht. Meine Vermutung ist, dass Herr Doktor Schäuble seine Version deshalb versucht zu halten, weil er damit weiter von dem Verdacht weg ist, dass er die Spende bekommen hat im Zusammenhang mit einer Lobbytätigkeit für eine Panzerfabrik, die Thyssen damals in Saudi Arabien, äh, in Kanada bauen wollte und für die Herr Schreiber der Lobbyist war, der Waffenhändler Schreiber und weswegen ihm die 100.000 Mark gegeben worden sein sollen.

Deutschlandfunk: Das heißt, Sie halten Herrn Schäuble nicht für so glaubwürdig wie Frau Baumeister?

Ströbele: Das war die Auffassung im Untersuchungsausschuss und das ist auch meine und zwar nicht deshalb, weil Frau Baumeister etwa einen glaubwürdigeren Eindruck gemacht hat im Untersuchungsausschuss, das war bei Leibe nicht der Fall, sie hat sich widersprochen, war sehr unsicher in ihrer Aussage, vieles hat gegen ihre Aussage gesprochen. Aber es gibt eine ganze Reihe von objektiven Indizien, Aufzeichnungen in einem Kalender von Schreiber, Briefe, die eigentlich belegen, dass die Version von Frau Baumeister die richtige sein muss.

Deutschlandfunk: Nun sagt die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, die auch dieses Buch bedauert hat, dass das Buch keinen Einfluss auf die Debatte um den Bundespräsidenten haben wird. Teilen Sie diese Ansicht?

Ströbele: Die teile ich nicht, und zwar hat sie deshalb einen Einfluss, nicht weil in dem Buch sensationelle Neuigkeiten stehen, ich habe das Buch gestern Abend bekommen, drin gelesen und nichts sensationell neues gefunden. Trotzdem hat das Einfluss, weil jetzt die ganze Geschichte natürlich wieder in den Medien diskutiert wird und da wird einfach wieder klar, die Fakten, jetzt mal unabhängig davon, welche Version stimmt, die von Schäuble oder die von Baumeister, es wird einfach wieder klar, auch Herr Doktor Schäuble hat seinerzeit eine Spende über 100.000 Mark angenommen von dem Waffenhändler Schreiber und im Zusammenhang mit einem Panzergeschäft in Kanada und er hat, das ist viel wichtiger, sich damals versucht, als der große Aufklärer darzustellen, hat aber in Wahrheit im Deutschen Bundestag, im Plenum des Deutschen Bundestages nicht die volle Wahrheit gesagt, sondern wesentliche Teile verschwiegen und, das ist dann das Dritte, er hat im Untersuchungsausschuss möglicherweise, der Verdacht ist nicht ausgeräumt, eine Falschaussage, das wäre eine strafbare Falschaussage, geleistet. Das spielt natürlich für die Diskussion ob der der Richtige ist, um das höchste Amt im Staat zu bekleiden, eine erhebliche Rolle.

Deutschlandfunk: Der Fairness halber muss man sagen, die Falschaussage im Untersuchungsausschuss kann man nicht nachweisen. Was man weiß ist, dass er vor dem Bundestag nicht die Wahrheit gesagt hat. Was war das genau? Können Sie uns das noch einmal in Erinnerung rufen?

Ströbele: Da hat Herr Schäuble in einer Debatte, da ging es um die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses, hat er eine Rede gehalten und hat erklärt, dass er den Schreiber lediglich einmal getroffen habe. Da ging es hin und her, ich habe dann dazwischen gerufen, mit oder ohne Koffer, da hat er ausdrücklich betont, mit Geld sei da nichts gewesen, ohne Koffer und hat als letzten Satz gesagt, das war es, also mehr war nicht. In Wahrheit hatte er aber 100.000 Mark von Schreiber bekommen, wie auch immer, direkt oder über Frau Baumeister spielt in dem Zusammenhang dann keine Rolle. Und das hat er im Deutschen Bundestag auf diese Zwischenrufe hin verschwiegen und hat das erst später, vier Wochen später in einem Fernsehinterview aufgedeckt und da haben viele gesagt, viele Kommentatoren aber auch ich habe gesagt, der hat den Deutschen Bundestag an der Nase herum geführt.

Deutschlandfunk: Ist das nicht eine lässliche Sünde, eine große Mehrheit der Deutschen hat ihm jedenfalls insofern verziehen, als sie ihn für geeignet hält für das Amt des Bundespräsidenten.

Ströbele: Das mag ja sein, dass er intellektuell und von seinen Erfahrungen her durchaus für dieses Amt geeignet ist. Aber man muss sich schon die Frage stellen, jemand, der in diese Spendengeschichte, das schwarze Kontensystem, da wissen wir ja auch noch nicht, wie viel er davon wusste, aber jedenfalls auch damit zu tun hat, der eine 100.000 Mark Spende eben nicht ordnungsgemäß, wie es das Grundgesetz vorschreibt und wie es die Gesetze damals vorgeschrieben haben, in die Rechenschaftsberichte der CDU rein geschrieben hat, ob ein Mann, der das dann auch nicht einmal im Deutschen Bundestag, als das problematisiert wird, aufdeckt, ob der dann für dieses hohe Amt der Geeignete ist. Ich bin der Auffassung, er ist es nicht. Zumal ja immer das Damoklesschwert über ihm schweben würde, dass durch neue Fakten, durch neue Enthüllungen, sei es in einem weiteren Buch, sei es, dass irgendeiner der Zeugen von damals nun etwas anderes erzählt, die Staatsanwaltschaft ein erneutes Ermittlungsverfahren gegen ihn einleiten müsste.

Deutschlandfunk: Ich danke Ihnen für das Gespräch. Das war der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Christian Ströbele.