Gegen sexualisierte Gewalt bietet Union Plazebos statt Schutz
06.11.2002: Presseerklärung von Hans-Christian Ströbele und Jerzy Montag zum Gesetzentwurf der Union zur "Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Sexualverbrechen und anderen schweren Straftaten"
Gegen sexualisierte Gewalt bietet Union Plazebos statt Schutz
Zum Gesetzentwurf der Union zur "Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Sexualverbrechen und anderen schweren Straftaten" erklären Hans-Christian Ströbele, Mitglied im Fraktionsvorstand, und Jerzy Montag, Rechtspolitischer Sprecher:
Die Union versucht, berechtigte Ängste in der Bevölkerung nach schweren Sexualverbrechen für populistische Ziele zu missbrauchen. Die Vorschläge der Union sind verfassungsrechtlich bedenklich oder nutzlos oder beides.
Die Aufstufung der Grundfälle des sexuellen Missbrauchs zu einem Verbrechen ist eine Mogelpackung: Dafür will die Union die meisten Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs künftig nur noch als Grundfälle behandeln. Bereits heute ist faktisch jeder sexuelle Missbrauch mit einer Mindeststrafe von einem Jahr belegt, weil jeder sexuelle Übergriff auf Kinder, der die Gefahr einer erheblichen Schädigung der seelischen Entwicklung mit sich bringt, schwerer sexueller Missbrauch ist.
Die meisten sexuellen Übergriffe auf Kinder finden innerhalb der Familie statt. Diese Fälle hat die Union nicht im Blick. Demgegenüber haben wir bereits in der letzten Wahlperiode die Möglichkeit geschaffen, auch einen Elternteil aus der Wohnung zu verweisen, wenn dies zum Kindeswohl erforderlich ist.
Dass weitere Maßnahmen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt notwendig sind, steht außer Frage. Das haben wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Vorschläge der Union gehen aber in die falsche Richtung. Wir wollen keine Schnellschüsse, sondern nun unter Einbeziehung von Opferverbänden entscheiden, welche Verbesserungen wirklich notwendig sind.
Die Telefonüberwachung bei schwerem sexuellen missbrauch und gewerbsmäßiger Kinderpornographie hat die Koalition schon ermöglicht. Hier wird man nach einer Evaluation entscheiden müssen, ob es trotzdem noch Fälle gibt, in denen eine Telefonüberwachung sinnvoll wäre, aber nicht angewendet werden kann.
Die Sicherungsverwahrung kann bereits nachträglich verhängt werden, wenn das Gericht die nachträgliche Sicherungsverwahrung im Urteil vorbehalten hat. Hier hat die Koalition ihre Hausaufgaben schon gemacht.