Sieben Nazi-Gewalttäter noch immer untergetaucht: Öffentlich über Gefahren aufklären!
19.01.2012: Gestern (18.01.2012) räumte der Präsident des Bundeskriminalamtes ein, dass aktuell noch nach sieben weiteren untergetauchten Nazi-Gewalttätern mit Haftbefehl gefahndet wird. Dazu und zur laufenden Debatte um Untersuchungsausschüsse zur NSU-/Verfassungsschutz-Affäre erklärt Hans-Christian Ströbele:
Diese Mitteilung ist alarmierend. Die Sicherheitsbehörden müssen erklären, ob von diesen Gewalttätern akute Gefahren ausgehen können. Die Bundesregierung muss unverzüglich den Bundestag - vor allem dessen Kontrollgremium und Innenausschuss - unterrichten über alles, was getan wird, um Gefahren auszuschließen. Diese Klärung muss öffentlich erfolgen, damit das Unsicherheitsgefühl der gefährdeten Menschen nicht verstärkt wird, das nach repräsentativen Erhebungen weiterhin besteht.
Denn was nützen neue Verbunddateien für Rechtsextremisten, wenn nicht gehandelt und intensiv gefahndet wird ?
Es darf nicht weitere Zeit verloren gehen, bis die Vorgänge um den "nationalsozialistischen Untergrund" nebst deren Umfeld vollständig aufgeklärt sind und Konsequenzen gezogen werden.
Es wird nochmals deutlich, wie wichtig und notwendig die Kontrolle und Begleitung der Aufklärung durch Parlamentarische Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern ist. Einzelne Parteien dürfen Einsetzung und Tätigkeitsmöglichkeiten von Untersuchungsausschüssen nicht länger aus politische Rücksichtnahmen verzögern. Ein Neben- und Gegeneinander von Bund- und Länderbehörden, das zu 13 Jahren Schutz- und Fahndungsversagen führte, darf sich nun bei der Aufklärung der Affäre nicht wiederholen.
Die notwendigen Ermittlungen durch Bundesanwaltschaft und BKA, der Schutz von Quellen und die Länderhoheit dürfen nicht als Vorwand dienen, die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zu behindern. Wie sonst sollen länderübergreifend Pannen und schwere Versäumnisse auch der Landesämter - wie Kommunikationsdefizite in der Zusammenarbeit der Verfassungsschutz- und Kriminalämter von Bund und Ländern - umfassend aufgeklärt und abgestellt werden, wenn die Informationen nicht auf Bundesebene zusammengeführt werden?
Demgegenüber ist die gestrige Weigerung des Bundesverfassungsschutz-Vizepräsidenten im Innenausschuss des Bundestages über diese Vorgänge zu berichten, ein nicht hinnehmbarer Affront nicht nur gegen Rechte des Parlaments, sondern auch der Öffentlichkeit auf rückhaltlose Aufklärung der Affäre.
Weitere Informationen:
BKA-Ziercke erklärte gestern mittag vor der Bundespressekonferenz auf Anfrage:
- Aktuell fahnden Sicherheitsbehörden nach sieben untergetauchten ‚rechten Gewalttätern‘ (= sieben nicht vollstreckte Haftbefehle gegen Personen aufgrund politisch rechts motivierter Gewalttaten: drei Verurteilte und vier Angeklagte)
- Es sind insgesamt 159 Rechtsextremisten mit Haftbefehl gesucht, davon:
- 125 Haftbefehle zur Strafvollstreckung:
- aufgrund politisch rechts motivierten Straftaten: 39; davon in drei Fällen Gewalttat
- aufgrund sonstiger Straftaten: 86; davon 24 wegen Gewalt (jedoch nicht politisch rechts motivierter Gewalt)
- 34 mit Haftbefehl zur Sicherung des Strafverfahrens:
- aufgrund politisch rechts motivierter Tat: 10; davon: vier wegen Gewalttaten
- aufgrund sonstiger Straftat: 24; davon: neun wegen Gewalttaten (jedoch nicht politisch rechts motivierter Gewalt)
Das BKA hat die Zahlen zusammengestellt nach Auskunft der Länderdienststellen, welche die Kriterien dafür in eigener Verantwortung erstellten.