Wahlkampf 2013

Wie die großen Altparteien Mietenpolitik von den Grünen abschreiben

04.06.2013: Zu den Behauptungen der SPD, Frau Merkel habe ihre jüngsten Vorschlag der Mietenbegrenzung von der SPD abgeschrieben, sowie zu der Behauptung von Frau Merkel, dies sei so gewesen ("Ja, es war eine SPD-Idee, von CDU-Bürgermeistern übernommen"), erklärt Hans-Christian Ströbele:

"Lustig, wie die großen Altparteien sich die Bälle zuspielen - in der Hoffnung, es fällt nicht auf. Tatsächlich aber haben Union wie SPD beim Mietenthema jahrelang geschlafen und haben beide von den Grünen abgeschrieben. Die Grüne Bundestagsfraktion hat die Neumieten-Deckelung schon im Februar 2011 beschlossen und dann im Bundestag beantragt. Die SPD kam erst zwei Jahre später darauf im Januar 2013.

Wenn Herr Pronold /SPD nun Frau Merkel vorwirft "Am Abend wird die Faule fleißig", dann fällt dieser Vorwurf auf seine SPD selbst zurück."


HINTERGRUND:

Die Fraktion Bündnis 90 /Die Grünen im Bundestag beschloss schon am 22.2.2011, dass Mieten bei Neu-/Wiedervermietung die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10% übersteigen dürfen - Beschluss (hier auf Seite 7 unter Nr. 3 e): "wollen wir die Landesregierungen ermächtigen, in den Kommunen oder auch deren Teilgebieten Mietobergrenzen bei der Wiedervermietung einzuführen. Hier sollen die Mieten bei Wiedervermietung nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die Ermächtigung ist auf höchstens 10 Jahre zu befristen und im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern".

Außerdem brachte die Grüne Bundestagsfraktion VOR Union und SPD folgende Miet-Anträge mit eben dieser Forderung in den Bundestag ein:

a) "Mietrechtsnovelle nutzen - Klimafreundlich und bezahlbar wohnen" (BT-Drs. 17/10120 vom 27.6.2012: Seite 3 - "Neu-/Wiedervermiet-Mieten höchstens 10% über Mietspiegel")

b) "Wohnraum in Deutschland zukunftsfähig machen - Für ein sozial gerechtes und klimafreundliches Mietrecht" (BT-Drs 17/7983 vom 30.11.2011: Seite 4 f.: Mietobergrenzen ermöglichen in Sanierungs- und Milieuschutzgebieten; Mietwucherverbot verschärfen; Zweckentfremdung unterbinden, Neu-/Wiedervermiet-Mieten höchstens 10% über Mietspiegel)

c) "Rechte der Mieterinnen und Mieter stärken" (BT-Drs. 17/13098 vom 17.4.2013: Diverse Mieter-unfreundliche BGH-Rechtsprechung gesetzlich korrigieren, u.a. Prüfung von Nebenkostenabrechnungen sowie Minderung wegen zu geringer Wohnfläche erleichtern; Kündigungsschutz erweitern)

d) Hans-Christian Ströbele persönlich legte im Bundestag schon am 2.7.2009 einen mietpolitischen Forderungskatalog vor (230. Sitzung, Prot.-S. 26027 f.), u.a. auch eine noch engere Miet-Begrenzung bei Neu- oder Wiedervermietung als später die grüne BT-Fraktion: "Bei Neuvermietungen darf eine erhöhte Miete nur bis zum Mittelwert des jeweiligen Mietspiegels gefordert werden, um bisherige erhebliche Mietpreissprünge anlässlich Mieterwechseln zu vermeiden".


Die Bundes-SPD hingegen entdeckte das Thema erst am 9.1.2013, kurz vor der Niedersachsen-Landtagswahl. Material: SPD Positionspapier "Bezahlbares Wohnen der sozialen Stadt"

Da legten Steinbrück, Steinmeier + Stephan Weil ein gemeinsames Papier zur Hannoveraner Klausur der SPD-Bundestagsfraktion vor u.a., erstmals mit der Forderung:

"Bei Neuvermietungen darf die Miete um nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Bei Bestandsmieten sollen Mieterhöhungen auf maximal 15 Prozent in vier Jahren begrenzt werden." (also genau jene Forderung, welche die Grüne Bundestags-Fraktion schon am 22.2.2011 beschlossen sowie am 30.11.2011 in den Bundestag als Antrag einbracht hatte und deren Übernahme angeblich von der SPD deren Herr Pronold nun Frau Merkel vorwarf).

Und die SPD hat auch in ihrer am 31.5.2013 in Hamburg vorgelegten sogenannten "Strategie für eine gezielte Wohnungsbauförderung, kluge Stadtplanung und die Stärkung der Mieterrechte" (Titel: "Miteinander: für bezahlbares Wohnen") wieder das meiste direkt von den Grünen übernommen bzw. abgeschrieben.


SPD stimmte 2013 in Bundesrat und Berlin gegen Mietrechts-Verbesserungen

SPD und Linke im Berliner Senat: 10 Jahre mietpolitischer Tiefschlaf und Stillstand!

Als der Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Mietrechtsänderungsgesetzes (BT-Drs. 17/10482) im Bundesrat beraten wurde, haben dort auf grünes Drängen hin die rot-grün regierten Länder Baden-Württemberg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen die Anrufung des Vermittlungsausschusses verlangt: (BR-Drs. 10/1/13).

sowie Baden-Württemberg außerdem separat: (BR-Drs. 10/2/13)

: je mit dem Ziel, mietrechtliche Verschlechterungen des Regierungsentwurfs zu verhindern (z.B. Ausschluss des Mietminderungsrechts der Mieter) sowie die Rechtsposition der Mieter zu verbessern (z.B. Neumieten höchstens 10% über Mietspiegel; Kappungsgrenze für Mieterhöhungen auf 15% senken und auf 4 Jahre verlängern; Modernisierungsumlage auf 9% senken; u.a.m.).

In der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat über diese Anträge hat jedoch am 1.2.2013 das von der SPD mit-regierte Land Berlin jeweils dagegen gestimmt (BT-Prot. 906. Sitzung, TOP 24, Seite 21B, 28A): also exakt gegen diejenigen Mietforderungen, als deren Urheber sich die SPD nun öffentlich auszugeben versucht.

Im Berliner Abgeordnetenhaus, das schon im Mai 2011 den Senat zu Initiativen gegen die zunehmende Zweckentfremdung von Wohnraum aufforderte, ignorierte die SPD diese Aufforderung so lange, bis die dortige Grüne Fraktion im Januar 2013 einen eigenen Entwurf eines Zweckentfremdungsgesetzes vorlegte. www.gruene-fraktion-berlin.de/artikeluebersicht/mieten-bauen-wohnen

Und damit bloß niemand annehme, die SPD habe Verbesserungen gewollt, doch sei vom Koalitionspartner CDU gebremst worden: Irrtum !

Denn schon zuvor während über 10 Jahren Amtszeit des rot-roten Senats von Januar 2002 bis Juni 2012 haben dessen Partner SPD und PD-Linke gleichermaßen keine aktive und bessere Mietpolitik betrieben. Vielmehr versäumten sie mietpolitisch all das zu tun, was diese Parteien heute vollmundig fordern: z.B. auch der damalige Berliner Senator Gregor Gysi .