Wahlkampf 2013

Stellungnahme zum Antigraffiti-Kongress am 07.April 2005 in Berlin

06.04.2005: Anlässlich des ersten Internationalen Antigraffiti-Kongresses in Berlin richtet sich Hans-Christian Ströbele in einem öffentlichen Brief an die InitiatorInnen von NOFITTI e.V.

Sehr geehrte Damen und Herren von NOFITTI e.V.,

Von der Fraktionsvorsitzenden Krista Sager war ich gebeten worden, Ihr Schreiben vom Januar diesen Jahres zu beantworten, in dem Sie auf den Internationalen Antigraffitikongreß hingewiesen hatten. Zu dem am morgigen Donnerstag stattfindenden Kongreß wünsche ich namens der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag einen sachdienlichen Erfahrungsaustausch und fruchtbare Diskussionen.

Wie Sie aus Gesprächen auch mit mir wissen, hat sich meine Fraktion mit dem Thema Graffiti befasst. Im Arbeitskreis Innen und Recht wurde mehrfach über die Gesetzentwürfe von Bundesrat, FDP- und CDU/CSU-Fraktion zur Erweiterung des Tatbestandes der Sachbeschädigung im Strafgesetzbuch beraten.

Diese Gesetzesänderungen halten wir nicht für notwendig und für problematisch.

Auch wir sind der Meinung, dass viele Graffitis und besonders die, die gegen den Willen der Eigentümer an Gebäuden und öffentlichen Verkehrsmitteln gesprayt werden, ein durchaus ärgerliches Übel für die betroffenen Eigentümer sind, deren Beseitigung ganz erhebliche Kosten verursacht. Doch die vorliegenden Gesetzesinitiativen sind nicht geeignet dem Problem abzuhelfen. Mit ihrer Verabschiedung würde der nicht zutreffende Eindruck erweckt, das geltende Strafrecht sei nicht ausreichend, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Schon die fortwährende öffentliche Diskussion über neue Gesetze schadet eher. Sie fördert den fatalen Irrtum, Sprayen von Graffitis auf fremde Wände und Bahnwagen sei heute nicht strafbar. In Wahrheit erfüllen solche Taten den Tatbestand der Sachbeschädigung und können mit Geldstrafe oder gar Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren geahndet werden.

Wie auch Sie wissen, scheitert eine Bestrafung in aller Regel nicht daran, dass das geltende Strafgesetz nicht ausreicht, sondern dass die meisten Täter nicht gefasst und Verdächtige nicht gerichtsfest überführt werden. Nicht mal 30% der Spray-Taten werden aufgeklärt. In einigen Großstädten liegt die Aufklärungsrate unter 10%. Es ist nicht zu erkennen, wie durch eine StGB-Erweiterung mehr Tatverdächtige von Spraytaten als bisher entdeckt werden sollen, um sie strafverfolgen zu können.

Die vorgeschlagenen Änderungen des StGB würde das Problem nicht besser als bisher lösen helfen, zumal gerade das Verbotene viele Täter zur Tat reizt. Es gilt, schwerwiegende Sprayschäden möglichst weitgehend zu verhindern, die Schädiger zu ermitteln und Geschädigten durchsetzbare Ansprüche gegen sie zu verschaffen, anstatt Betroffene und Öffentlichkeit durch populär klingende Scheinlösungen zu täuschen.

Um ärgerliche Graffities zu verringern, scheinen uns andere Lösungen besser geeignet. Etwa: Öffentlicher Flächen für legales Sprühen im Rahmen sozialpädagogischer Einwirkungen zur Verfügung zu stellen oder eine Abgabe auf Farbsprühdosen zu erheben. Ferner kann die Graffiti-abweisende Untergrundbeschichtung gefährdeter Flächen, insbesondere an öffentlichen Gebäuden veranlasst bzw. gefördert werden. Und schließlich habe ich auf einer Veranstaltung von Nofitti in Berlin gelernt, dass nichts so gut gegen das illegale Sprayen hilft, wie die rasche, möglichst unverzügliche Beseitigung der Grafittis. Das Sprayen des eigenen "Tag" verliert offenbar seinen Reiz, wenn keiner das Ergebnis einer solchen "Heldentat" mehr an vielen herausragenden Orten und Stellen "bewundern" kann.

Mit Interesse habe ich aus ihrem Brief entnommen, dass "die Anwendung entsprechender Präventionsmaßnahmen" Ziel Ihrer Tagung sein soll. Gerade für diese Zielsetzung wünscht unsere Fraktion Ihrem Kongreß Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen, Hans-Christian Ströbele